Premiere im Alten Kino Ebersberg:Ein Bauernbub packt aus

Lesezeit: 3 min

Kühe spielen immer wieder eine Rolle in Werner Meiers Buch. Ins Kino allerdings - wie in dem berühmten Sternschnuppe-Kinderlied - gehen sie nicht. (Foto: Sternschnuppe-Verlag/oh)

Der Liedermacher Werner Meier aus Ottenhofen hat sein erstes Buch geschrieben: In 15 Geschichten lässt er seine Kindheit lebendig werden - und damit eine längst vergangene Zeit.

Von Anja Blum, Ebersberg

Markenzeichen: ein freches Mundwerk und groovige Gitarre. Werner Meier ist Kabarettist und Liedermacher. Sowohl solo als auch mit seinem Duo Sternschnuppe fühlt er dem Leben auf den Wackelzahn, leuchtet den Alltag mit fantasievollen Geschichten neu aus, verbindet immer wieder Humor mit Tiefgang. Wie der Ottenhofener zu dem Künstler wurde, der er heute ist, darauf gibt nun ein Büchlein Antworten: Meier lässt darin seine Kindheit als bayerischer Bauernbub lebendig werden. Der sprechende Titel lautet: "Sieben Küah - acht Kinder - 40 Knödel - ein Kanapee".

Das erste Mal daraus lesen wird der Autor am Montag, 2. Oktober, im Alten Kino Ebersberg. Da gibt es das Programm "Meiers Auslese" zu erleben, eine Mischung aus neuen Liedern sowie solchen, die längst zu Evergreens avanciert sind. Und dazu kommen eben ein paar herrliche Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit.

Meiers Sprache ist so authentisch, dass man gleich mittendrin ist statt nur dabei

Meier ist in den Fünfziger- und Sechzigerjahren aufgewachsen auf dem Neumeier-Hof auf einer kleinen Anhöhe über dem Dorf Reichertsheim im Landkreis Mühldorf, also beim "Neimoar z'Reischham". Zwischen Kuhstall, Zinkbadewanne und Kirche. Bescheiden, aber immer satt. Chaotisch, aber glücklich. Eine Kindheit wie ein einziges Abenteuer!

Nebenbei kann man die Neuerscheinung auch verstehen als Lehrbuch für Dialekt und Brauchtum in Bayern. Und Meiers Sprache ist dabei so kraftvoll und authentisch, dass man gleich mittendrin ist statt nur dabei. Man schaukelt mit auf der "Kirtahutsch", sitzt neben dem "Weißbier-Karl" am Stammtisch, als der von seiner "Wepsn­da­schlogmaschin" erzählt, und fiebert mit, wenn sich die Bauernbuben bei verbotenen "Verstecksdi" im dunklen Rohbau fast in die Lederhosen machen.

Werner Meier auf dem Arm seiner Mama. Er kam als siebtes von acht Kindern zur Welt. (Foto: Sternschnuppe-Verlag/oh)

Doch die Geschichten kommen ganz ohne falsche Sentimentalität daher, es geht Meier nicht um die Verklärung eines Idylls. In seinem Vorwort schreibt er: "Manches hätte man vielleicht gerne bewahrt und herübergerettet in unsere Zeit, aber vieles vermisst kein Mensch - es ist sogar gut, dass es vorbei ist." Dazu gehöre etwa seine leidvolle Internatszeit in einem katholischen Kloster, die in der letzten Geschichte beschrieben ist. Aber auch die damals umfassende "naive Sorglosigkeit" gegenüber der Natur prangert Meier an: "Man ließ die Kinder in Reischham sogar in der Müllkiesgrube spielen! Ein Eldorado für uns (...) Dass es dort immer stank und manchmal auch rauchte, das war normal und machte uns nix aus." Mit dem heutigen Anspruchsdenken indes - "Wir wollen über blühende Wiesen laufen, aber bitte trotzdem billig in den Urlaub fliegen" - geht der Autor ebenfalls streng ins Gericht.

Doch was veranlasste den Ottenhofener nun diese Zeitreise als Autor zu unternehmen? "Bei unseren Familientreffen kommt immer irgendwann der Punkt, an dem einer anfängt zu erzählen aus unserer ,wilden' Kindheit mit acht Geschwistern auf unserem kleinen Bauernhof - lustige, traurige, skurrile und unglaublich komische Geschichten", so Meier. Irgendwann habe er dann den Impuls gehabt, all das festzuhalten, und habe eine erste Geschichte geschrieben.

Liedermacher und Buchautor Werner Meier. (Foto: privat/oh)

Als er diese dann einmal als Kabarettzugabe gelesen habe, habe er verblüffende Reaktionen geerntet: "Die einen waren berührt, weil sie sich erinnern konnten und in ihnen die Bilder, der Geruch, die Stimmung dieser Zeit wieder aufstiegen - und die anderen, weil sie das gerade nicht mehr erlebt haben und über die Geschichte eintauchen konnten in eine Welt, die es so nicht mehr gibt." Danach war Meier entflammt und schrieb drei Jahre weiter, bis aus dem Projekt ein Buch geworden war.

Durchgehend autobiografisch aber will der 70-Jährige das Werk nicht verstanden wissen: "Es ist nicht die Geschichte unserer Familie oder des Neimoar-Hofs, und es ist auch nicht die Geschichte meiner Kindheit. Es sind Geschichten aus meiner Kindheit und ein Bilderbogen der 50er- und 60er-Jahre auf einem bayerischen Bauernhof." Von Odel und Kernseife, von Watschn und Küssen, von Flüchen und Segenssprüchen.

Die Bauernbuben alias Klosterschüler beim "Anstieren" im Stall. Was es damit auf sich hat, verrät Meier im Buch. (Foto: Sternschnuppe-Verlag/oh)

So manches wird beim Lesen indes schon klar über den Liedermacher Werner Meier. Wo er einst das Singen gelernt hat, zum Beispiel. Wieso er ausgerechnet der Kuh ein Denkmal gesetzt hat mit einem berühmten Sternschnuppe-Lied. Weshalb seine Melodien oft nach altem Schlager klingen. Worin sie gründet, seine Freude hat an der Rebellion, gerade gegenüber zweifelhaften Autoritäten. Und vielleicht sogar, warum er seit vielen Jahren auf der Bühne steht. Und wo sie liegen, die tiefen Wurzeln seiner Botschaft. Wer Antworten auf all das möchte, möge lesen. Es wird sicher keine Zeitverschwendung sein.

"Meiers Auslese: Kabarett, Lieder, Geschichten" am Montag, 2. Oktober, im Alten Kino Ebersberg . Beginn ist um 20.30 Uhr, Einlass um 19.30 Uhr. Tickets gibt's unter www.kultur-in-ebersberg.de , (08092) 255 92 05 oder in der Vorverkaufsstelle im Foyer des Alten Speichers. Das Buch ist an dem Abend bereits erhältlich. Direkt beim Autor bestellen kann man es unter (08121) 16 04 oder per E-Mail an kabarett@wernermeier.de - bis Ende Oktober inklusive Widmung.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusHistorische Rarität
:Die Zeit läuft

In Ebersberg schlägt eine etwa 300 Jahre alte mechanische Turmuhr, über drei Stockwerke zieht sich ihre Mechanik. Doch das bisweilen wetterfühlige Unikum muss dringend saniert werden.

Von Anja Blum und Peter Hinz-Rosin

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: