Kunstverein Ebersberg:Buntes Mahnmal

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Bald ziehen die Korallen um in die "Garaasch" des Kunstvereins in der Altstadtpassage. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zahlreiche Frauen haben ein Jahr lang Korallen gehäkelt - für die Schönheit und den Schutz maritimer Ökosysteme. Nun ist das Riff erstmals öffentlich zu sehen.

Von Anja Blum, Ebersberg

Normalerweise sind Mahnmale ja eher streng und düster gestaltet. Logisch, schließlich sollen sie an etwas Trauriges, Schreckliches erinnern. Dieses Mahnmal jedoch kommt ganz anders daher. Es ist verspielt, bunt, fröhlich gar. Denn das Ebersberger Korallenriff will zwar aufmerksam machen auf die Zerstörung maritimer Ökosysteme - doch das eben auf ausgesprochen freudvolle, anregende Weise. Gerade jetzt, angesichts dieser vielen Krisen, seien doch positive Impulse besonders wichtig, darin sind sich die Schöpferinnen des Riffs alle einig.

Unter dem Dach des Ebersberger Kunstvereins haben rund 45 Frauen allen Alters und aller Professionen ein Jahr lang Korallen gehäkelt. Initiiert hatten das Projekt Martina Brenner und Maja Ott in Anlehnung an eine internationale Bewegung: Korallenriffe mit ihren leuchtenden Farben und besonderen Formen sind das zentrale Thema der australischen Schwestern Margaret und Christine Wertheim. Die beiden Naturwissenschaftlerinnen analysieren die Ästhetik mathematischer Theorien sowie biologischer Phänomene. Doch nicht nur das. Als Künstlerinnen haben sie mit gehäkelten Korallen auf das Sterben der Riffe durch die Erwärmung der Meere aufmerksam gemacht - und wurden damit zum Vorbild: "Mehr als 20 000 Menschen haben weltweit zur Häkelnadel gegriffen und so gigantische künstliche Korallenwelten erschaffen", berichtet Brenner.

Ein paar der Frauen, die am Ebersberger Korallenriff mitgearbeitet haben. Insgesamt waren es etwa 45. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Inspiriert von einer solchen Korallenausstellung in Baden-Baden beschlossen Ott und Brenner, auch in Ebersberg ein Riff aus Wolle zu erschaffen. "Wir haben das ganze Jahr über regelmäßig im Studio an der Rampe des Kunstvereins gehäkelt - mit zunehmender Begeisterung, Kreativität und Beteiligung", erzählt Brenner. Ein wunderbares Gemeinschaftsprojekt sei das gewesen, voller Freude und gegenseitiger Inspiration. "Am Anfang haben wir uns noch streng an die hyperbolischen Formen und die Anleitungen der Wertheim-Schwestern gehalten. Doch irgendwann wurden wir immer freier in der Umsetzung."

Dass sich nur Frauen an dem Projekt beteiligt haben, war übrigens nicht beabsichtigt. Man sei Männern gegenüber "durchaus nicht abgeneigt" gewesen, sagt Petra Winkelmeier, doch die paar wenigen, die sich zu einem der Treffen getraut hätten, seien leider schnell wieder verschwunden. Einzig Veranstaltungstechniker Jens Clark ist geblieben, aber nicht zum Häkeln, sondern als handwerklicher Unterstützer. Er hat zum Beispiel Schwemmholz zur Befestigung der Korallen gesucht und Sockel aus Beton dafür gebaut.

Sehr viel Wolle und anderes Material haben die Häklerinnen gebraucht. Stehende Formen wurden zum Beispiel mit Stoffresten gefüllt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für viele Frauen indes waren die Treffen bald eine sehr geschätzte Routine, ein "echtes Freudeprojekt", wie Susanne Schmidberger sagt. "Handarbeiten und dabei ratschen - das ist wie früher", ergänzt Verena Ditterich. Außerdem sei es schön, etwas Sichtbares zu erschaffen. "Ich habe daheim weitergemacht und jetzt Kistenweise Seeanemonen im Keller", gesteht Barbara Breuer. Dass das Projekt von so manchem Vereinsmitglied belächelt wird - darüber können die Häklerinnen nur den Kopf schütteln. "Was ist denn schon Kunst und was nicht?", fragt Ditterich. "Ich finde, unsere Korallen sind ästhetisch, machen Freude und haben eine Botschaft. Das genügt doch vollkommen."

Letztendlich entstand also ein leuchtendes Riff aus allen erdenklichen Formen. Aus Kugeln und Tentakeln, Girlanden und Säulen, Welligem und Puschelligem. Der Drang, diese Korallen mit den Fingern zu berühren, ist groß, denn manches sieht verlockend flauschig aus, anderes wirkt, als wäre es stachelig. Doch nicht nur Wolle aller Art wurde verwendet, auch Müll haben die Damen mit hinein gehäkelt, lauter Plastik und Aluminium, von Lametta über Kronkorken bis hin zu leeren Tintenpatronen, die ein Enkel gestiftet hat. "Klar, denn indem wir die Pracht und Schönheit der Meereskorallen zeigen, wollen wir ja zur Vermeidung von Plastik und zum Schutz der Meere aufrufen", sagt Brenner.

Auch einigen Zivilisationsmüll, der in den Weltmeeren für große Probleme sorgt, haben die Frauen eingearbeitet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Sogar leere Tintenpatronen vom Enkel kamen zum Einsatz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch jetzt hat das Häkeln erst einmal ein Ende. Die Schöpferinnen des Riffs waren sich einig, dass es nun, nach einem Jahr, Zeit sei, mit dem Projekt an die Öffentlichkeit zu gehen. Zumal es schon bei der Mitgliederausstellung des Kunstvereins jede Menge Zuspruch gab: Zwar lief das Riff dort bei der Wahl des Publikumspreises außer Konkurrenz, wurde jedoch zum "Gewinner der Herzen" gekürt.

Also wird den Korallen die Ehre einer eigenen Ausstellung zuteil, und zwar in einer Garage in der Altstadtpassage, die der Kunstverein seit Längerem immer wieder bespielt. Deren Wände wurden bereits in verschiedenen Blautönen gestrichen, um das richtige Tiefseefeeling zu erschaffen. Außerdem sollen mehrere Strahler für Atmosphäre sorgen, und dafür, dass das gehäkelte Riff auch durch die Glastüre jederzeit und optimal bewundert werden kann.

Nach einem Jahr gibt es mehr als genug Material, um die Garage zu füllen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Probleme, den kleinen Raum zu füllen, wird es dabei keine geben, ganz im Gegenteil. "Wir haben mehr als genug, die Garage wird bumsvoll sein", sagt Brenner und lacht. Kleine, farblich fein komponierte Inseln haben die Frauen für die Ausstellung kreiert, dazu gibt es bunte Stelen und alle möglichen anderen Strukturen. Eröffnet wird das Ganze am Samstag, 9. März um 17 Uhr mit einer Vernissage. Im Anschluss an die Ausstellung, voraussichtlich Ende Mai, plant der Kunstverein, Teile des künstlichen Riffs zu verkaufen und den Erlös einer Naturschutzorganisation für die Rettung der Weltmeere zu spenden.

Wie es dann weitergeht, ist ungewiss. Aber Brenner und ihre Mitstreiterinnen schließen ein Folgeprojekt keinesfalls aus. Denn laut Schmidberger steht bereits fest: "Man kann mit dem Häkeln nur schwer wieder aufhören."

Das Ebersberger Korallenriff in "La Garaasch", Altstadtpassage zwischen Marktplatz und E-EinZ, gegenüber der Energieagentur. Vernissage am Samstag, 9. März um 17 Uhr.

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