Antrag im Ebersberger Kreistag:Beiderseitige Abgrenzung

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Knapp 2500 Menschen haben sich in Ebersberg Ende Januar gegen Rechtsradikalismus positioniert. Dem will sich der Ebersberger Kreistag anschließen. (Foto: Christian Endt)

Der Ebersberger Kreistag soll eine Resolution für Demokratie und gegen Rechtsextremismus beschließen. Bei der Vorberatung geht es turbulent zu - die AfD spricht von Verleumdung und Diskriminierung.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Satz des Tages fiel gegen Ende der Debatte. Er halte es für sehr wichtig, dass und wie sich AfD-Kreisrat Manfred Schmidt in diese Diskussion eingebracht habe, so Ulrich Proske, Ebersbergs Bürgermeister und Mitglied der SPD-Kreistagsfraktion: "weil es auch zeigt, warum wir mit Euch nichts zu tun haben wollen". Vorangegangen war etwas, das normalerweise eine reine Formalie ist: Der Kreis- und Strategieausschuss stimmte über eine Beschlussempfehlung an den Kreistag ab. Nicht ganz so alltäglich war indes der Antrag: Darin erklären alle Fraktionen außer der AfD ihr Bekenntnis zur Demokratie und ihre Ablehnung gegen rechtsradikale Bestrebungen.

Für die Antragsteller erläuterte Grünen-Fraktionschefin Waltraud Gruber, warum der Kreistag diese Resolution verabschieden solle. Sie verwies unter anderem auf die seit Wochen vielerorts - auch in Ebersberg - stattfindenden Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, mit welchen man sich solidarisieren wolle. Schließlich seien auch viele Menschen aus der Politik auf den Demos gewesen. "Das Gefühl, dass wir 'die Mehrern' sind, wollten wir in den Kreistag tragen."

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Gruber lobte auch den großen Rückhalt, den dieses Vorhaben unter den Fraktionen gefunden hatte: "Das ist heute kein politischer Wettstreit, heute geht es um unsere Gemeinsamkeiten." Schließlich komme es "nicht alle Tage vor, dass wir so etwas gemeinsam auf den Weg bringen".

Diesen Weg ausdrücklich nicht mitgehen wird die AfD, wie deren Ausschussmitglied Schmidt deutlich machte. Sich mit den Demonstrationen gegen Rechts zu solidarisieren komme nicht in Frage, diesen lägen "verleumderische Unterstellungen" zugrunde, so die Erklärung. Die übrigen Parteien bezeichnete er als "Einheitsfront", eine Vokabel, mit der sich einst die Parteien in der DDR selbst bezeichneten.

Kreistagsmitglieder, die sich explizit per Resolution zur Demokratie bekennen, nannte Schmidt einerseits "peinlich", da ja alle im Gremium einen Eid auf die Verfassung geschworen haben. Dass mancher diesem Schwur "wohl nicht so recht traut" könne dann andererseits als "diskriminierend empfunden werden." Wenn sich das Gremium mit der Resolution nun gegen Ausgrenzung aussprechen wolle, sei das ein Widerspruch zum eigenen Umgang mit der AfD.

Mit einem falschen Verweis beantragt Schmidt einen Gedenktag für Opfer des Nazi-Regimes

Es folgte noch ausgiebige Kritik am Kirchenasyl sowie ein minutenlanger Rechenschaftsbericht der Tätigkeit der AfD-Fraktion im Kreistag über die vergangenen vier Jahre. Außerdem beantragte Schmidt, der heuer erstmals vom Landkreis ausgerichtete Gedenktag für die Opfer des Nazi-Regimes solle künftig immer am 22. Januar stattfinden. Denn an diesem Tag im Jahr 1941 seien die Widerstandskämpfer der Weißen Rose hingerichtet worden. Obwohl dieses Datum nicht stimmt, richtig ist der 22. Februar 1943, nutzte Schmidt dies dafür, einen länglichen Vortrag über den Nazi-Richter Roland Freisler und dessen Witwe zu halten.

CSU-Fraktionschef Martin Wagner - der mit Schmidt in ihrer gemeinsamen Zeit im Vaterstettener Gemeinderat manch scharfe Debatte geführt hatte - erklärte, eigentlich habe er nichts sagen wollen, müsse jetzt aber auf den Antrag reagieren. Darin schreibt Schmidt wörtlich, der Gedenktag soll "auch eine Mahnung für alle Generationen sein, sich jeglichem Unrechts-Regime bereits in den Anfängen mit ganzer Kraft zu widersetzen".

"Wenn Sie es damit ernst meinen, müssten Sie unserem Antrag eigentlich zustimmen", so Wagner. Stattdessen gebe es in der AfD Bestrebungen für das Gegenteil. Wagner verwies auf den Brandenburger AfD-Abgeordneten Lars Hünich, der gefordert hatte, man müsse "diesen Parteienstaat abschaffen". Das zeige, so Wagner, "diese Partei will einen anderen Staat, einen Staat, in dem all das wieder möglich ist, was Manfred Schmidt hier angeblich ablehnt."

Mögliche Folge der Debatte: Vielleicht gibt es im Kreistag bald eine Redezeitbegrenzung

Thomas Huber, CSU-Landtagsabgeordneter, kritisierte Schmidts Ausschweifungen, dies kenne er auch von den AfD-Abgeordneten im Landtag: "Man sucht sich immer irgendwelche Herleitungen zu Themen, mit denen man dann Ängste schüren kann." Angesichts des Resolutions-Antrages sei er "froh und dankbar, dass uns etwas eint: Wir verurteilen Extremismus, Hass und Ausgrenzung in jeder Form".

Alexander Müller (FDP) legte ebenfalls nahe, dass es Schmidt mit seinem Antrag nicht so ernst meinen könnte und verwies auf einen vorangegangenen Tagesordnungspunkt: den Bericht über die Mitgliedschaften des Landkreises. Auch das ist eigentlich eine Formalie - zu denen sich Schmidt indes ausführlich mit Kritik zu Wort meldete. Besonders heftig bemängelte er die - übrigens für den Landkreis kostenlose - Mitgliedschaft im "Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt", mit ähnlichen Argumenten, wie er sie nun gegen den Antrag vorbrachte. "Die Suppe, in der Sie rühren, ist eine sehr braune", so Müller. Johannes Rumpfinger (Grüne) nannte Schmidt einen "Wolf im Schafspelz". Die AfD sei "in großen Teilen rechtsextrem" und gerate darum auch immer mehr ins Visier des Verfassungsschutzes. "Sich hier hinzustellen und zu sagen, das ist nicht so, ist blanker Hohn".

Schmidt selbst wies jede Schuld zurück. Weder wolle die AfD "den Staat abschaffen", noch habe er in den vier Jahren, seit er im Kreistag sitze "irgendetwas gesagt, was Hass und Ausgrenzung ist".

Jeweils mit Schmidts Gegenstimme wurde sein Antrag abgelehnt und die Resolution dem Kreistag zur Annahme empfohlen. Und noch eine Folge könnte die Debatte haben: Auf Anregung von Renate Glaser (ÖDP) wollen die Fraktionen und die Verwaltung Möglichkeiten prüfen, zu ausschweifende Beiträge einzuhegen. Im Vaterstettener Gemeinderat, dem Schmidt jahrzehntelang angehörte, wurde zu diesem Zweck eine Redezeitbegrenzung eingeführt.

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