Altes Kino Ebersberg:Film ab!

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Schülerinnen und Schüler der Ebersberger Mittelschule und des Gymnasiums Grafing haben zwei Kurzfilme gedreht, die sich mit dem Thema "Catcalling" beschäftigen. (Foto: Christian Endt)

Häufig heißt es, Jugendliche seien faul und unpolitisch. Doch das von Schülerinnen und Schülern der Mittelschule Ebersberg und des Gymnasiums Grafing veranstaltete Kinofest für Toleranz und Demokratie beweist das Gegenteil.

Von Greta Wach, Ebersberg

Über die heutige Jugend wird ja vieles behautet. So heißt es oft, Jugendliche seien faul, respektlos und hätten keine Werte. Doch das Filmfest zum Thema Demokratie und Toleranz, das von Schülerinnen und Schülern der Ebersberger Mittelschule und des Gymnasiums Grafing eigenständig organisiert und kuratiert wurde, zeigt, dass Heranwachsende häufig unterschätzt werden. Mit viel Liebe zum Detail veranstalteten die Jugendlichen einen abwechslungsreichen Abend für Jung und Alt, der den krönenden Abschluss des Projekts "spots. Bündnisse für Filmkultur, Jugend und Demokratie" bildete.

Die Deutsche Filmakademie will mit diesem Projekt soziales und kulturelles Engagement in ländlichen Gegenden stärken. Ziel ist es, vor Ort langfristige Bündnisse zwischen kulturellen Einrichtungen, Schulen und Jugendinitiativen zu schaffen. In Ebersberg ist das Vorhaben vom Alten Kino und dem AJZ Jugendzentrum unterstützt und begleitet worden.

Am Ende der Projektwoche waren zwei eigene Kurzfilme entstanden

Es herrschte aufgeregte Stimmung an diesem Abend. Jugendliche in schicken Kleidern und Anzügen standen in Grüppchen zusammen, tuschelten und sprachen letzte Kleinigkeiten ab. Schüler, Lehrkräfte, Eltern und Projektleitende hatten sich im Alten Kino in Ebersberg versammelt, um die Ergebnisse und das erfolgreiche Miteinander der vergangenen Projekttage gemeinsam zu feiern.

Obwohl die beiden Filme das gleiche Thema haben sind sie in ihrer Umsetzung völlig unterschiedlich. (Foto: Christian Endt)

In den vergangenen Monaten hatten sich die Schüler in einer Reihe von Workshops mit Themen wie Diskriminierung, Identifikation, Repräsentation, Stereotype und Ausgrenzung beschäftigt und sich intensiv mit der Praxis des Filmemachens auseinandergesetzt. Sie haben gelernt, eigene Drehbücher zu entwickeln und filmisch umzusetzen, vor und hinter der Kamera zu agieren und einzelne Clips zu einem zusammenhängenden Film zu schneiden. Am Ende der Projektwoche waren zwei eigene Kurzfilme entstanden zum Thema "Catcalling" - also der verbalen, sexuellen Belästigung auf offener Straße. Das Thema hatten die Jugendlichen selbst gewählt. In einem letzten Workshop schließlich war das Programm des Filmfests kuratiert worden.

Auch die Jugendlichen sahen die eigenen Filme zum ersten Mal

Das gesamte Konzept - von Ablauf und Aufbau des Programms bis hin zur Moderation - haben die Jugendlichen selbstständig entwickelt. Adrian und Alexander - zwei Jungs vom Grafinger Gymnasium - führten das Publikum durch den Abend. Mit viel Witz, Charme und Improvisation überspielten die beiden vereinzelte Versprecher oder Verwechslungen im Programm.

Zweifellos bildeten die von den Schülern selbst gedrehten Filme den Höhepunkt des Abends. Eine große Premiere, denn: "Wir sehen unseren fertigen Film heute auch zum ersten Mal", erklärten zwei Mädchen bei der Anmoderation ihres eigenen Kurzfilms.

Bei der Vorstellung im Alten Kino sehen die Schülerinnen und Schüler ihre Filme zum ersten mal selbst. (Foto: Christian Endt)

Der Film besteht aus atmosphärischen Zusammenschnitten, er zeigt ein Mädchen an einer Bushaltestelle, Aufnahmen vom See, im Parkhaus und auf dem Spielplatz. Es wird mit verschiedenen Kameraeinstellungen experimentiert. Begleitet werden die Bilder von selbst komponierter Klaviermusik und Stimmen aus dem Off, die sich überlagern, unterbrechen und immer wieder wiederholen: "Gestern ist mir etwas passiert!" und "Nur Worte!?". Der Film stellt Fakten zur Häufigkeit von "Catcalling" vor und wirft die Frage auf, wie Betroffene mit solchen Situation am besten umgehen sollten.

Die Zuschauer werden zu mehr Zivilcourage aufgerufen

Der zweite Film steht dem ersten in nichts nach. Trotz des gemeinsamen Themas unterscheiden sich die beiden Filme in ihrer Umsetzung stark voneinander. Während der erste das Thema eher abstrakt verarbeitet, erzählt der zweite eine Geschichte. Er zeigt ein Mädchen, dem auf dem Heimweg von einer Gruppe junger Männer abwertende Worte hinterhergerufen werden, und wie sie daraufhin verängstigt und weinend nach Hause rennt. Die Szenen werden mit bedrohlicher, eindringlicher Musik und dem Sound eines schlagenden Herzens untermalt. Auch hier ist mit der Technik des Voiceovers - also dem nachträglichen Einfügen von separat aufgenommenen Tonspuren - gearbeitet worden. Der Film vereint farbige und schwarz-weiße Aufnahmen und ruft die Zuschauer zu Zivilcourage auf. Die Message des Film ist: "Nicht zuschauen, sondern handeln!"

Um dem Publikum auch Einblicke hinter die Kulissen der eigenen Filmproduktion zu gewähren, wurden zwischendurch Mitwirkende von Alexander und Adrian zu den Filmen befragt. Lässig setzten sich die Schüler auf den Bühnenrand. "Erzähl doch mal, welche Rolle hast du beim Filmen übernommen? Welche Erfahrungen hast du gemacht?", leiteten die Jungs die kleinen Interviews ein.

Neben den Kurzfilmen bekommen die Zuschauer von Jamila auch eine Rap-Performance geboten. (Foto: Christian Endt)

Die Schüler sind sich alle einig: Sie haben unterschätzt, wie viel Arbeit eine solche Filmproduktion ist. "Wir mussten ja alles neu lernen!", erklärt einer von ihnen dem Publikum. "Natürlich muss man sich auch der Verantwortung bewusst sein, wenn man ein solches Thema wählt", ergänzt eine Mitschülerin. "Man möchte dem Ganzen ja gerecht werden und die Aufmerksamkeit schenken, die das Thema verdient." Hinter der Kamera sei daher viel diskutiert worden, um am Ende das bestmögliche Ergebnis zu liefern. Aber der Spaß sei dabei trotzdem nicht zu kurz gekommen.

Weitere Highlights des Abends waren die Performances von "Word up! Rap und Poetry gegen Rassismus und Diskriminierung" des Kreisjugendrings Ebersberg. Zwei Mädchen bereicherten den Abend mit selbstgeschriebenen Texten und Beats, die gesellschaftliche Strukturen kritisierten. Dem Publikum bot sich so ein abwechslungsreicher Abend.

Die Jugendlichen sind als Gruppe eng zusammen gewachsen

Neben den eigenen Filmen wurden noch vier weitere Kurzfilme präsentiert - eine bunte Mischung, die sich in Stil, Machart und Länge unterschieden. Sie behandelten weitere Themen wie Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung, Herkunft, und Aussehen. Mit den hier dargestellten Szenen und Thematiken konnten sich viele der Jugendlichen identifizieren. "Da wollen wir natürlich aufklären", sagte eine Schülerin über die Auswahl der Filme.

Man hat den Eindruck, die Jugendlichen haben in den vergangenen Monaten nicht nur theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen gesammelt, sie sind auch als Gruppe eng zusammengewachsen. So wird das Publikum im Laufe des Abends dazu aufgefordert, ein Geburtstagständchen für einen Mitschüler zu singen. Entgegen mancher gesellschaftlicher Vorurteile sind diese jungen Menschen alles andere als oberflächlich. Im Gegenteil - sie sind interessiert, aufgeklärt und reflektiert. Auch manch ein Erwachsener könnte da noch etwas lernen.

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