Jugendhilfe im Landkreis:Viele Aufgaben, wenig Ausgaben

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Das Ebersberger Jugendamt stellt bei Heranwachsenden eine steigende Zahl an psychosozialen Belastungsfaktoren fest, wie etwa Mediensucht. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Für die Unterstützung von Jugendlichen wendet Ebersberg deutlich weniger finanzielle Mittel auf als die meisten anderen oberbayerischen Landkreise. Weil die Kosten in diesem Bereich aber nur sehr schwer zu kalkulieren sind, kann sich das bereits heuer wieder ändern.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Jugendsozialarbeit an Schulen, die Unterstützung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden oder der Kinder- und Jugendschutz im Allgemeinen - die Aufgaben, die das Ebersberger Kreisjugendamt zu erfüllen hat, sind vielfältig. Vor allem aber sind sie nur schwer planbar und damit auch finanziell kaum zu kalkulieren. Weil sich Notfälle oder Situationen, in denen die Behörde eingreifen muss, in aller Regel nicht vorher ankündigen, ist bei der Festsetzung eines bestimmten Jahresbudgets immer auch ein bisschen Glück gefragt. Zumindest in den vergangen beiden Jahren war dieses dem Landkreis offenbar hold, denn Ebersberg musste deutlich weniger Geld für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen ausgeben, als es in anderen Kreis- und Stadtjugendämtern der Fall war.

Das geht aus einer Statistik hervor, die Kreis-Kämmerin Katja Witschaß in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses präsentierte. Demnach hat der Landkreis Ebersberg 2022 für die Jugendhilfe lediglich 644 Euro pro unter 18-jährigem Landkreisbewohner ausgegeben. Der oberbayerische Durchschnitt liegt deutlich höher, und zwar bei 2424 Euro. Nur die Landkreise Fürstenfeldbruck (518 Euro), Miesbach (593 Euro) und Rosenheim (604 Euro) haben noch weniger Geld in die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen investiert. Spitzenreiter sind dagegen die großen Städte im Regierungsbezirk, allen voran München, wo das Jugendamt im Schnitt Mittel in Höhe von mehr als 7000 Euro pro minderjährigem Bewohner ausgegeben hat. Auf den Plätzen zwei und drei landen Ingolstadt mit rund 2400 Euro und die Stadt Rosenheim mit knapp 2300 Euro.

Eltern fühlen sich häufig mit der Erziehung überfordert und brauchen Unterstützung

Obwohl Ebersberg zuletzt also deutlich weniger in die Jugendhilfe investieren musste als andere Kommunen, ist der Bedarf innerhalb des Landkreises in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Lag das Jahresergebnis des Jugendhilfeausschusses 2016 noch bei rund 11,5 Millionen Euro, waren es 2021 bereits 16,95 Millionen. Seither haben sich die Kosten in etwa auf diesem Niveau eingependelt, 2022 lag das Jahresergebnis bei 16,90 Millionen, 2023 bei 17,56 Millionen Euro. Für das laufende Jahr kalkuliert die Kämmerei jedoch wieder mit einem Sprung nach oben, der Planansatz für 2024 liegt bei 19 Millionen Euro.

Ob das Geld komplett benötigt wird oder sogar noch mehr finanzielle Mittel abgerufen werden müssen, lässt sich erst Anfang des nächsten Jahres sagen. "Es gibt viele nicht kalkulierbare Faktoren, zum Beispiel die Anzahl und die Schwere der Fälle", sagte Kämmerin Katja Witschaß in der Sitzung. Der Trend gehe in vielen Bereichen jedoch in Richtung Kostensteigerung. Für das Vorjahr lässt sich das etwa bei der sozialpädagogischen Familienhilfe ablesen, für die der Landkreis 25,4 Prozent oder 138 320 Euro mehr ausgeben musste als ursprünglich geplant. "Eine zunehmende Unsicherheit und Überforderung der Eltern führt zu einem erhöhten Unterstützungsbedarf in der Erziehung", sagte Witschaß zu dieser Überschreitung.

Pflegefamilien
:Zehn Rettungsanker für den Landkreis

In Ebersberg gibt es mehrere Bereitschaftspflegefamilien, die kurzfristig vom Jugendamt vermittelte Kinder aufnehmen. Weil die Eltern immer häufiger mit der Erziehung überfordert sind, ist der Bedarf dafür in den vergangenen beiden Jahren enorm gestiegen.

Von Andreas Junkmann

Eine solche gab es auch beim Pflegekinderwesen beziehungsweise der Vollzeitpflege. Dieser Bereich beschäftigt sich mit der Betreuung und Versorgung von Kindern durch Pflegeeltern, bei denen die Kinder für einen längeren Zeitraum außerhalb ihrer leiblichen Familie leben. Aufgrund der Erfahrungswerte aus den Vorjahren hatte man am Landratsamt für 2023 mit 88 solchen Fälle geplant, tatsächlich mussten aber 104 Kinder und Jugendliche bei Pflegefamilien untergebracht werden. Das hat zu einer Kostenüberschreitung von 45,5 Prozent oder 166 538 Euro im Vergleich zum Plansatz geführt. Auch heuer rechnet man im Jugendamt wieder mit mehr solchen Unterbringungen. "Für die Prognose 2024 wird weiterhin von steigenden Jahresfallzahlen gegenüber dem Vorjahr ausgegangen", heißt es von der Behörde.

Ähnliches gilt für den Bereich der sogenannten Erziehungsbeistandschaften, in dem das Jugendamt Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützt. 47,7 Prozent oder 131 739 Euro mehr als geplant hat der Landkreis im Vorjahr hierfür ausgegeben. Den Grund sieht das Jugendamt einer Stellungnahme zufolge vor allem in kontinuierlich steigenden psychosozialen Belastungsfaktoren bei Jugendlichen, wie etwa Mediensucht, Arbeitslosigkeit oder psychischen Erkrankungen. Das führe zu einem erhöhten Unterstützungsbedarf bei der persönlichen Entwicklung. Auch hier rechnet die Behörde mit weiter steigenden Zahlen in den nächsten Jahren.

Eine Million Euro hin oder her ist im Bereich der Jugendhilfe schnell passiert

Letztlich aber lag der Landkreis Ebersberg im Vorjahr bei den Ausgaben für die Jugendhilfe 1,4 Millionen Euro unter der ursprünglichen Kalkulation. Der Mehraufwand in bestimmten Bereichen habe durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden können, erklärte Katja Witschaß, die vor allem auf die Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen oder bei der Erziehungsberatung verwies. "In Zeiten knapper Kassen freuen wir uns über das finanziell gute Ergebnis", sagte dazu Landrat Robert Niedergesäß (CSU), dem jedoch auch bewusst ist, dass dieses Glücksgefühl unter Umständen nur von kurzer Dauer ist. "Schwierig planbar" ist dem Landrat zufolge das Budget für die Jugendhilfe, "weil wir am Anfang des Jahres nicht wissen, welche Fälle auf uns zukommen".

Um welche Summen es da geht, machte Jugendamtsleiter Florian Robida deutlich: "Eine Abweichung von einer halben Million rauf oder runter, das ist schnell passiert", sagte er. Jugendhilfe sei teuer, dennoch gehe seine Abteilung natürlich verantwortungsvoll mit dem Geld um. In den vergangenen beiden Jahren sei man mit dem kalkulierten Budget gut ausgekommen, eine Garantie für die Zukunft ergibt sich daraus jedoch nicht, oder wie Rodida sagte: "Wenn es dann doch mal mehr kostet, dann ist es eben so." Da wollte trotz der angespannten Finanzlage keiner im Gremium widersprechen, denn wie es Landrat Niedergesäß formulierte stehe die weiterhin gute Arbeit bei der Jugendhilfe im Vordergrund.

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