Weltfrauentag im Ebersberger Jugendzentrum:Mit Stift und Schere gegen das Patriarchat

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Zwei entkleidete Oberkörper - der eine "socially accepted", der andere "socially not accepted", so ein dazugehöriger Text. Welcher Oberkörper wohl welcher ist? (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zum gemeinsamen Kreativsein hat die Gruppe "Take Back The Night Café" am vergangenen Sonntag ins Ebersberger Jugendzentrum eingeladen. Am Weltfrauentag sind die Werke zum Thema Feminismus und "Safe Spaces" in einer Kunstausstellung zu sehen, danach findet eine Podiumsdiskussion statt.

Von Louis Menzel, Ebersberg

Es ist Sonntag, früher Nachmittag. Bei entspannter Musik sitzen rund ein Dutzend Jugendliche und Junggebliebene im und um das Jugendzentrum Ebersberg. Allesamt arbeiten sie eifrig an Kunstwerken unterschiedlichster Art. Sie eint ein gemeinsames Ziel: Das JUZ zu einem Ort zu machen, in dem das Geschlecht keine Rolle mehr spielt. Die Bastel- und Malaktion gibt einen Vorgeschmack auf einen "feministischen Kampftag", an dem im Ebersberger Jugendzentrum nicht nur auf Frauen, sondern auch andere marginalisierte Gruppen aufmerksam gemacht werden soll: Am Freitag, 8. März, kann man von 16 Uhr an eine Kunstausstellung bestaunen. Später, um 20 Uhr, findet dann eine Podiumsdiskussion zum Thema "Feminismus und Safe Space" statt.

Beide Aktionen werden von der Initiative "Take Back The Night Café" organisiert. Der Name der Gruppierung spielt auf die Angst vieler junger, überwiegend weiblicher Personen an, nachts allein nach Hause zu gehen und so der Gefahr ausgesetzt zu sein, Opfer von Pöbeleien, sogenanntem "Catcalling", oder gar Übergriffen zu werden.

Viele junge Menschen aus Ebersberg und der Umgebung sind der Einladung ins AJZ gefolgt, um dort gegen das Patriarchat anzumalen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Idee zur Gründung der Initiative sei vergangenen Sommer entstanden, erzählt JUZ-Vorstandsmitglied Jules Jocher. Damals habe man die Dringlichkeit erkannt, mehr dafür zu tun, das Ebersberger Jugendzentrum zu einem sicheren Ort für alle zu machen. Fragen wie "Kannst du mal auf meinen Drink aufpassen?" sollten an so einem Ort nicht notwendig sein, erklärt Jocher.

Also organisierte das "Take Back The Night Café" bereits kurz nach seiner Gründung die erste "Safe-Space-Party", es folgten unregelmäßige Treffen des rein aus sogenannten FLINTA*-Personen bestehenden Teams. FLINTA*, das ist ein Akronym zur Bezeichnung von Frauen, Lesben, inter, nicht-binären, trans und agender Personen. Die Altersspanne der Ebersberger Gruppe reicht von 16 bis 21 Jahre, sagt Jocher.

Vici malte am Sonntag an ihrem Bild mit dem Titel "Der weibliche Regen". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Austausch mit Personen außerhalb des Jugendlichenalters sei aber in Planung, unter anderem Mütter wolle man mehr einbinden. Bei den Treffen der Gruppe würden auch Vorfälle, die sich im JUZ ereignet haben, aufgearbeitet, vor allem aber werde nach Lösungen für die Zukunft gesucht, so Jocher. Auch die eigene Vorgehensweise wolle man selbstkritisch beleuchten, um ein angenehmes Klima für alle zu schaffen. Zum Beispiel habe man schon mal unwissend eine problematische Band eingeladen. Künftig aber wolle der Verein "Aktion Jugendzentrum Ebersberg" (AJZ) die Hintergründe der Gäste auf der Bühne besonders genau abklären, bevor man sie einlade, sagt Jocher weiter. Auch achte man jetzt mehr darauf, dass die Bands nicht überwiegend männlich, sondern ausgewogen besetzt sind.

Ein weiteres Ziel der Initiative sei die Vernetzung mit ähnlichen Organisationen, vor allem aus München. "Im ländlichen Raum kenne ich bisher kein Jugendzentrum, das etwas Ähnliches macht", sagt Jules. Zwar sei es nicht das langfristige Vorhaben der Gruppe, andere Initiativen zu bekehren oder ihnen die Vorgehensweise des AJZ aufzuzwingen. Trotzdem sei es wichtig, die Idee des "Cafés" zu verbreiten und auch andere Institutionen zum Mitwirken anzuregen. Denn die Waffen des "antipatriarchalen Kampfes" seien vor allem verbaler Natur - und heute eben Pinsel und Bleistift.

Es wurde nicht nur gemalt, sondern auch Kollagen gebastelt - zum Beispiel Klara, die mit "Blick in den Spiegel" eine solche mit Schreibmaschinentext angefertigt hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Lotta, 20 Jahre, bringt damit an diesem sonnigen Nachmittag ihre ganz persönlichen Erfahrungen aufs Papier: Sie zeichnet einen Uni-Hörsaal voller Männer, nur in der Mitte sitzt eine einzelne Frau. Lotta studiert Informatik in Leipzig. Sie sagt, dort läge die Frauenquote in den Vorlesungen bei etwa zehn Prozent. Es sei dringend notwendig, die immer noch bestehenden Stereotype abzuschaffen, sagt sie. Nur dann würden MINT-Berufe - also Berufsbilder, die sich mit Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft oder Technik beschäftigen - nicht länger als "Männerberufe" wahrgenommen. Ein notwendiger Schritt, damit sich dort auch Frauen aufgehoben fühlen. Aber auch außerhalb der Uni fühle sich Lotta oft nicht richtig wahrgenommen: Die 20-Jährige erzählt von Begegnungen, bei denen nur mit ihrer männlichen Begleitung interagiert und sie ignoriert wurde. Das erzeuge, ähnlich wie im Hörsaal, einfach ein sehr unangenehmes Gefühl.

Neben ihr sitzt die 18-jährige Jonny. Sie skizziert gerade zwei entkleidete Oberkörper. Der eine gehört einem Mann, der andere einer Frau, dazu gibt es zwei Bemerkungen: "socially accepted" und "socially not accepted". Neben Jonny bringen auch viele andere hier ihr Gefühl zum Ausdruck, durch gesellschaftliche Normen in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. So die 20-jährige Nora, die eine Seestachelbeere zeichnet und daneben schreibt: "Biology was never binary". Das Besondere an diesem kleinen Meerestier, erzählt Nora, sei, dass hier nicht zwischen Geschlechtern unterschieden werde. So einen Umgang wünsche sie sich auch unter den Menschen.

Sogar ein Live-Performance-Kunstwerk ist entstanden - der Titel: "Dekonstruktion alter in Stein gemeißelter Männer", eine Art Puzzle. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein bisschen drastischer geht es am Nebentisch zur Sache: Elisabeth schafft mit ihrer "Dekonstruktion in Stein gemeißelter Männer" das wohl einzige Live-Performance-Kunstwerk dieses Nachmittags. Mit einer Schere schneidet sie enthusiastisch wild auf Papier geklebte Fotos historischer Männerstatuen in Fetzen. Der Grund? "Weil's immer noch notwendig ist." Die Papierschnipsel legt sie danach in eine Schachtel mit der Aufschrift "Do it yourself" - und lädt damit auch die anderen Engagierten im Jugendzentrum zum Mitwirken ein. An ihrer Vorgehensweise zweifelt Elisabeth trotzdem selbst ein wenig: Der symbolische Akt sei zwar richtig, trotzdem wolle sie diesen "alten Männerbildern" eigentlich nicht so viel Aufmerksamkeit schenken. "Vielleicht sollte ich mir nicht so viel Mühe geben." Zustimmendes Nicken rundum.

Während die einen zeichnen und basteln, planen die anderen schon die Details der Kunstausstellung und der Podiumsdiskussion am Weltfrauentag, am bevorstehenden Freitag, 8. März. Der Tag soll hier im JUZ auch als Anlass genommen werden, das "Take Back The Night Café" bekannter zu machen: In Zukunft will die Gruppe sich jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat von 18.30 Uhr an im Jugendzentrum zum Plenum und offenen Austausch treffen. Denn auch wenn der Kampf um Gleichbehandlung hier schon engagiert geführt wird - vorbei ist er noch lange nicht.

Der Weltfrauentag im Ebersberger Jugendzentrum, Doktor-Wintrich-Straße 1, am Freitag, 8. März: Kunstausstellung ab 16 Uhr, Podiumsdiskussion zum Thema "Feminismus und Safe Space" um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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