Neulich am Container: Mit freundlichem Kopfnicken entsorgt ein Mann Zeitungen aus dem Kofferraum. Und zwar dort, wo vor allem die Bewohner der Siedlung berechtigt sind, Glas, Papier und Verpackungen abzuladen. Man hat ihn noch nie gesehen. Wohnt er in einem der Mehrfamilienhäuser weiter vorn? Nicht alle, die dort leben, kennt man vom Sehen. Doch dann fällt der Blick auf sein Autokennzeichen: Ein fettes "K".
Die Domstadt ist wunderschön, zweifelsohne, der Rheinländer an sich ein ausgesprochen sympathischer Mensch - man weiß das, hat selbst schon dort gelebt. Aber muss "eine Kölsche Jung" wirklich rund 600 Kilometer zurücklegen, um seinen Müll ausgerechnet in einer Kleinstadt im Süden zu entsorgen?
Nicht ganz so weit haben es all die Rosenheimer, Miesbacher und Fürstenfeldbrucker, die ganzjährig an der Zufahrtsstraße zum See stehen oder schneidig an den Fußgängern vorbeiziehen, ihre E-Bikes gut sichtbar am SUV-Heck angebracht. Im Sommer wollen sie meist in den Wald, im Winter auf die Loipe im Moos.
Nun könnte man vor allem froh und glücklich sein, dort wohnen zu können, wo andere, wenn nicht Urlaub, dann doch einen Ausflug machen wollen. Doch statt all den "Auswärtigen" ihren Aufenthalt von ganzem Herzen zu gönnen, macht sich ein leises Grummeln breit. Wohlgemerkt nur beim Anblick jener Vehikel, deren Kennung sie nicht als "Hiesige" ausweist.
Für die Gründe müsste man vielleicht einen Psychologen konsultieren - viel spannender ist die Tatsache, dass die vermeintlich "Zugereisten" ihren Wohnsitz gar nicht notwendigerweise außerhalb des Landkreises haben. Denn die Zuweisung anhand der Buchstaben auf dem Nummernschild ist längst passé.
Genügend Fahrzeuge aus dem eigenen Umfeld sind in Bonn, Heidelberg oder dem Main-Taunus-Kreis zugelassen, weil der jeweilige Dienstherr dort seinen Hauptsitz hat. Zudem soll es genügend Autofahrende geben, die von der seit einigen Jahren bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen, ihr lieb gewonnenes Kennzeichen auch nach einem Umzug zu behalten. Egal, wie viele Kilometer sie dieser vom Ort weggeführt hat, an dem die sorgsam ausgewählte Buchstaben-Zahlenkombination erstmals in zwei Blechtafeln gestanzt wurde.
Zumal die entsprechende Zuordnung nach der Kennzeichenliberalisierung und schrittweisen Freigabe neuer "alter" Nummernschilder manchmal gar nicht mehr so leicht ist. Was das dazugehörige, beliebte Ratespiel bei langen Autofahrten auf eine ganz neue Ebene hebt.
Gut, dass sich diese Frage bei den "MUC"-ies, die es eventuell demnächst geben wird, wahrscheinlich nicht stellt. Andererseits: Vielleicht sind auch das dann Ebersberger mit Firmenfahrzeug - genau wie der Kölner Müllentsorger ein seit vielen Jahren im Landkreis verwurzelter Wahl-Oberbayer sein könnte? Oder womöglich ein gerade erst zugezogener Nachbar? Alles gute Gründe, um beim nächsten Mal selbst freundlich zu grüßen. Als Erste.