Flüchtlinge im Landkreis Ebersberg:"Dann stehen wir mit dem Rücken zur Wand"

Lesezeit: 2 min

In Vaterstetten entsteht derzeit eine Asylunterkunft mit 100 Plätzen. Wegen Verzögerungen beim Bau wird die Einrichtung aber wohl erst Mitte November bezugsfertig sein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nur noch einen Bus mit Geflüchteten kann der Landkreis Ebersberg aufnehmen, dann sind die Kapazitäten endgültig erschöpft. Die Belegung von Turnhallen bleibt für den Landrat aber weiter ein Tabuthema.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

1384 Geflüchtete sind derzeit in den Asylunterkünften im Landkreis Ebersberg untergebracht - und recht viel mehr werden es auf absehbare Zeit auch nicht mehr werden. Denn die Aufnahmekapazitäten in der Region sind fast vollständig erschöpft, wie Landrat Robert Niedergesäß (CSU) am Montag im Rahmen eines Pressegesprächs sagte. Demnach könne noch ein letzter Bus mit Flüchtlingen aufgenommen werden, der im Laufe dieser Woche im Landkreis eintreffen soll. Danach ist Schluss, oder wie Niedergesäß sagte: "Dann stehen wir mit dem Rücken zur Wand." An seiner Entscheidung, keinesfalls Turnhallen für die Unterbringung von Geflüchteten sperren zu lassen, will der Landrat aber festhalten.

"Das verhindere ich so lange, wie ich über die Turnhallen zu entscheiden habe", stellte Niedergesäß klar. Trotz der mehr als angespannten Lage stehe er hier zu seinem Wort. Diese Aussage ist insofern bemerkenswert, als dass diese Woche die letzten verfügbaren Plätze in den Unterkünften belegt werden: die Hälfte der rund 50 Neuankömmlinge soll dem Landratsamt zufolge im ehemaligen Ebersberger Sparkassensaal untergebracht werden, die andere Hälfte des Busses in der staatlichen Unterkunft in Grub bei Poing. "Dann ist aber definitiv Ende Gelände", so Niedergesäß.

Die neue Flüchtlingsunterkunft in Vaterstetten wird später fertig als geplant

Für Entlastung sollte eigentlich die Asylunterkunft in Vaterstetten mit 100 Plätzen sorgen, wegen Bauverzögerungen wird diese aber wohl erst Mitte November bezugsfertig sein wird. Vier Wochen lang sei man deshalb im Landkreis nicht mehr aufnahmefähig, wie der Landrat vorrechnete. Er habe das der Regierung auch bereits mitgeteilt, so Niedergesäß, ob die Intervention Erfolg habe, müsse man dann sehen. Zumal Ebersberg mit seinen Problemen nicht alleine ist. "Die Lage spitzt sich überall zu."

Während allerdings der Zustrom an Menschen nicht abreißt, lasse die Unterstützung aus der Bevölkerung spürbar nach. Es fehle an freiwilligen Helfern und auch am Landratsamt selbst bekomme man kaum mehr Personal, das sich um die Geflüchteten kümmert. "Es bewirbt sich einfach keiner mehr", so der Landrat, der ebenfalls beklagte, dass sich die Akquise von Gebäuden zur Unterbringung mittlerweile sehr schwierig gestalte. "Die Zitrone ist ausgepresst", so Niedergesäß über die Stimmung in der Gesellschaft. Überhaupt sei es eigentlich nicht zumutbar, so viele Geflüchtete aufzunehmen. "Es ist ja inzwischen gar nicht mehr möglich, die Menschen zu integrieren", sagte der Landrat.

Der Großteil der Geflüchteten im Landkreis Ebersberg sind türkische Staatsbürger

Die Geflüchteten, die im Landkreis Ebersberg ankommen, sind hauptsächlich türkische Staatsbürger, wie das Landratsamt mitteilt. Gerade vor den dortigen Wahlen im Mai dieses Jahres habe Präsident Erdoğan die Daumenschrauben für unerwünschte Personen deutlich angezogen, was zu einer größeren Fluchtbewegung geführt habe, so Niedergesäß. Diese halte bis zum heutigen Tag an. Unter den Geflüchteten sind aber nach wie vor auch viele Menschen aus der Ukraine, 256 leben derzeit als sogenannte Fehlbeleger in den Unterkünften im Landkreis. Darüber, ob der Krieg in Israel ebenfalls Auswirkungen auf die Fluchtbewegung in Ebersberg haben wird, wagt der Landrat noch keine Prognose. Das lasse sich derzeit noch nicht einschätzen, so Niedergesäß.

Klar ist für den Landrat allerdings, dass es auf Dauer nicht mehr so weitergehen kann, wie bisher. "Wir haben uns jetzt ein Jahr lang von Bus zu Bus durchgehangelt", sagte Robert Niedergesäß, der deshalb hofft, dass sein Hilferuf bei der Regierung Gehör findet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGastronomie im Landkreis Ebersberg
:Neue Heimat fürs Wildbräu-Bier

Brauerei-Chef Gregor Schlederer erfüllt sich einen lang gehegten Traum und eröffnet im Herzen von Grafing ein eigenes Wirtshaus. Dort will das neue Pächter-Ehepaar moderne und zum Teil sogar vegane Brauhausküche servieren. Im Zentrum wird allerdings das heimische Bier stehen.

Von Andreas Junkmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: