Filmemacher aus dem Landkreis:Flauschige Helden, archaische Szenen

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Die Hamer leben in enger Gemeinschaft mit Ziegen. So eng, dass sich vor den Zitzen der Muttertiere kleine Zicklein und Kinder drängen, um direkt aus der Quelle zu trinken. (Foto: Ackstaller/oh)

Ilke und Toni Ackstaller von den "Filmfreunden Ebersberg" werden beim Festival des bayerischen Verbands erneut ausgezeichnet. Ihre beiden neuen Dokumentationen entführen nach Argentinien und Äthiopien.

Von Anja Blum, Ebersberg

Die Filmfreunde Ebersberg haben nun ihrer ohnehin langen Erfolgsgeschichte ein weiteres Kapital hinzugefügt: Bei den diesjährigen Bayerischen Amateur-Filmfestspielen (BAF) in Straubing gingen von fünf Auszeichnungen gleich zwei an die Filmer aus der Kreisstadt. Sowohl Ilke Ackstaller als auch ihr Mann Toni Ackstaller durften jeweils einen Löwen, gestiftet vom Landesverband Film und Video Bayern, mit nach Hause nehmen.

Die Festspiele sind die Topveranstaltung des Landesverbandes, es wird dort jeweils eine Auswahl der besten Filme aus den zwei Landesfilmfestivals vorgeführt und von einer kompetenten Gesprächsrunde besprochen. Zu gewinnen gibt es einen Großen Bayerischen Löwen aus Porzellan, vier kleinere Löwen sowie einen Jugendpokal. Die Filmfreunde Ebersberg bezeichnen sich selbst als einen "gemischten Haufen" von kreativen und engagierten Menschen mit dem gemeinsamen Hobby Videofilmen - ohne kommerzielle Absichten. Die Gruppe trifft sich regelmäßig im Gasthof Huber in Oberndorf.

Ein Höhepunkt war, als die Ebersberger 2018 selbst im Alten Speicher die Bayerischen Amateur-Filmfestspiele ausrichteten. Generell gehören die Ackstallers bereits seit vielen Jahren zu jenen Filmfreunden, die ihre Arbeiten regelmäßig bei Wettbewerben vor breitem Publikum zeigen - und damit Preise abräumen. Beim Heimspiel 2018 gab es sogar erstmals den Großen Löwen, den bayerischen Hauptgewinn also, und zwar für Toni Ackstallers Reisereportage "Es wird Herbst im Altai".

Bayerische Amateurfilm-Festspiele in Ebersberg: Toni Ackstaller, hier mit Frau Ilke, gewinnt als bester Film des Jahres den großen Löwen mit Rautenschild. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dieses Jahr stellte das Ehepaar Ackstaller bei dem Festival der Amateurfilmer wieder zwei Dokumentationen vor, die auf Reisen entstanden sind: Eine Expedition führte sie nach Argentinien, die andere nach Äthiopien. Beide Filme dauern nur 20 Minuten, wussten die Jury des Wettbewerbs aber durchaus zu überzeugen.

Ilke Ackstallers Werk heißt "Im Land der Guanakos" und zeigt die weite, dünn besiedelte Landschaft im argentinischen Patagonien samt allerhand Tierbeobachtungen. Im Fokus stehen dabei die größten und stärksten der Andenkamele, die wilden Guanakos. Doch der Film biete weit mehr als nur schöne Bilder, urteilte Tanja Rohr, BR-Journalistin aus Bamberg, in ihrer Laudatio. Er "nimmt uns mit - er ist eine Augenweide, ein Film für die Seele, für den Verstand und bissl fürs Herz". Ackstaller entführe den Zuschauer in die höchsten Höhen, präsentiere echte Naturspektakel, denke groß. Aber sie schaue auch darauf, was ganz unten passiere, zu unseren Füßen. Der Film habe einen Blick fürs große Ganze genauso wie für spannende Aspekte am Wegesrand, so die Jurorin.

"Im Land der Guanakos" hat Ilke Ackstaller viele Naturspektakel entdeckt und die kräftigen Andenkamele kennengelernt. (Foto: Ackstaller/oh)

"Im Land der Guanakos" liefere ruhige, komponierte, durchdachte Einstellungen. "Die Kamera hält Situationen auch aus, bleibt immer entspannt." Die Musik stütze Bilder und Situationen, der Text führe, liefere Infos und persönliche Eindrücke. "Der rote Faden ist immer da, textlich wie filmisch, eine Linie, die uns nie vom Weg abkommen lässt, obwohl wir so viel erleben", lobt Rohr. Außerdem seien die Protagonisten gut gewählt und würden mit Ausdauer und Herzblut vorgestellt. "Die Guanakos sind sympathisch, flauschig und kuschelig."

Eine sensibel beobachtete Studie ist auch "Im Kraal der Hamer" von Toni Ackstaller. Das Volk der Hamer lebt im Südwesten Äthiopiens. Markenzeichen der Männer ist ein Holzhocker, den sie überall mit sich herumtragen: Er dient nicht nur als Sitzgelegenheit, sondern auch als Kopfstütze, um im Liegen die aufwendig gestylte Frisur zu schonen. In zwei aufeinanderfolgenden Jahren sind die Ackstallers zeitweise in einen Kraal, also die Behausung einer Hamer-Familie gezogen, haben sich mit Kamera, aber ohne Toilette und Dusche dem Rhythmus dieses archaischen Alltags angepasst - ohne die anderswo üblichen touristischen "Spezialvorführungen". Dank der ruhigen, nie voyeuristischen Kameraführung Toni Ackstallers gelangen so beeindruckende Bilder.

Die Männer des Stammes der Hamer tragen aufwändige Lehmfrisuren. (Foto: Ackstaller/oh)

"Das Interesse des Autoren an seinen Protagonisten überträgt sich sogleich auf uns, die Zuschauer, so dass wir dramaturgisch direkt Teil der folgenden, exklusiven Reisegruppe werden", urteilt Michael Schwarz, renommierter Dokumentarfilmer aus Mainz, in seiner Laudatio. Schon gleich bei der Ankunft im Kraal reflektiere der Autor seine Rolle, in dem er den Kindern die Kamera erkläre. "Auch im weiteren Verlauf dieses sehr kurzweiligen, handwerklich sowohl visuell als auch auditiv äußert sauber gearbeiteten Films wird die Anwesenheit der Kamera immer miterzählt und teils auch problematisiert." Traditionelles Kaffee trinken in der Intimsphäre der Familie führe vor Augen, dass die Begegnung zwischen Filmer und Gefilmten hier vertrauensvoll, buchstäblich auf Augenhöhe stattfinde, so Schwarz. "Ein formal sehr klarer, kurzweilig-informativer Dokumentarfilm mit exklusivem Zugang zu seinem Sujet - und einer offenen Schlussfrage, die nachwirkt: Wie wird es den Hamer gelingen, den Spagat zwischen Tradition und Moderne auch in Zukunft zu leben?"

Filmfreunde Ebersberg , Stammtisch jeden ersten und dritten Donnerstag ab 18 Uhr im Gasthof Huber in Oberndorf. Gäste sind jederzeit herzlich willkommen. Beide hier genannten Filme sind auf Youtube zu sehen.

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