Kultur in Ebersberg:Zmarsly ganz privat

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Erich Zmarsly im Ebersberger Therapiehaus: Das Bild in der Mitte stand unvollendet auf der Staffelei, als der Künstler 1996 starb. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine Ausstellung in Ebersberg erinnert nun an den Universalkünstler Erich Zmarsly. Zu sehen gibt es Werke, mit denen er sich einst selbst umgab. Konzipiert wurde die Schau von einer Enkelin.

Von Anja Blum, Ebersberg

Erich Zmarsly, 1919 bis 1996, konnte alles: Er war Zeichner, Maler, Bildhauer, Grafiker, Möbeldesigner, Innenarchitekt, Gestalter. Ob Gemälde, Reliefs, Kunst am Bau, Werbung, sakrale Darstellungen oder Gebrauchskunst und Möbelstücke; ob Farbe, Ton, Metall, Stein, Holz, Mosaik oder Plastik - Erich Zmarsly war einer der vielseitigsten Künstler seiner Zeit und ist vielen älteren Ebersbergern als stadtbildprägender Universalkünstler in Erinnerung.

An das vielseitige Wirken Erich Zmarslys erinnert nun eine Ausstellung, die Enkelin Yvonne Zmarsly und Hausherrin Annette Voith gemeinsam im "Therapiehaus" veranstalten, dem früheren Armenhaus von Ebersberg. Die Schau trägt den Titel "Ein Leben mit Kunst - aus dem Atelier von Erich Zmarsly", denn ausgestellt werden Werke, mit denen der Künstler sozusagen "zusammengelebt" hat: freie Arbeiten, mit denen er sein Haus, sein Atelier und seinen Garten bestückt hatte. Und die nun in den Wohnungen der Familie weiterleben, als Teil des Alltags und einer sich immer wieder verändernden Einrichtung, wie Yvonne Zmarsly erzählt.

Nicht nur die Bilder, sondern auch der Tisch und die Objekte stammen aus Zmarslys Hand. Im historischen Gemäuer des Therapiehauses macht sich die Kunst besonders gut. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als Ergänzung sollen Fotos zeigen, wie es einst bei Erich Zmarsly daheim ausgesehen hat, denn das Gebäude in der Kriegersiedlung gibt es heute längst nicht mehr. "Das war ein sehr, sehr schönes Haus mit vielen tollen Ecken und einem wunderbar angelegten Garten", sagt die heute 52-jährige Enkelin, "und es hat jedes Mal ein bisschen anders ausgesehen." Eben, weil der Opa seine Werke immer wieder umgehängt oder umgestellt habe. "Er hat es geliebt, diese Insel zu gestalten und zu beleben."

Mit seiner Kunst hat Erich Zmarsly aber auch die Kreisstadt der Nachkriegszeit nachhaltig geprägt: Fassadengestaltung und Wandmalereien an Schulen, Kirchen, Behörden oder Geschäften, Werbeplakate für Ebersberg als Fremdenverkehrsort - Zmarsly-Kunst war allgegenwärtig. Inzwischen ist das Meiste davon leider verschwunden, aber viele Familien haben noch Zmarsly-Kunst zu Hause, die in ihrer Vielfalt ihresgleichen sucht. Gegenständliches wechselt bei ihm ab mit Abstraktem, gemeinsam haben viele Werke den grafischen Strich der 1950er-Jahre, sie sind modern im Ausdruck und oft traditionell im Inhalt.

Dieses Plakat sollte Werbung machen - für einen Urlaub in Ebersberg. (Foto: Veranstalter)

Nach Ebersberg kam Erich Zmarsly durch einen Zufall: Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs - den der Soldat einer Nachrichteneinheit nur dank eines Kunstfreundes überlebt hatte - geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Als er entlassen werden sollte, musste er einen Wohnsitz in Bayern angeben, seine Heimatstadt Klausberg in Oberschlesien war sowjetisch besetzt. Also tippte Zmarsly mit geschlossenen Augen auf eine Landkarte - und traf Ebersberg. So hat er es vor Jahrzehnten einem Reporter der Ebersberger SZ erzählt.

Zmarsly berichtete auch, dass er eigentlich Bühnenbildner hatte werden wollen, doch 1934 musste man für ein entsprechendes Stipendium Mitglied der Hitler-Jugend sein - und das wollte Zmarsly nicht. Der Hochbegabte fand einen Ausweg als Künstler, indem er sich gewissermaßen dem Praktischen zuwandte: Er eignete sich in einer Schreinerei, einer Schmiede und bei einem Steinmetz allerhand Fertigkeiten an, die er später in seine Kunst einfließen ließ.

Dieses Selbstporträt stammt aus dem Jahr 1947. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In Ebersberg fing Zmarsly nach dem Krieg klein an, "mit Aquarellkasten und Pinsel im Hosensack", wie er später erzählte, porträtierte zunächst Bürgermeister und US-Soldaten. Doch bald sprachen sich seine Fähigkeiten herum, er erhielt Aufträge von öffentlicher Hand und Privatleuten. Auch Annette Voiths Mutter hat damals etwas bei Zmarsly bestellt, einen "Haussegen" auf einer Tafel nämlich. "Dafür hat sie das Haushaltsgeld eines ganzen Monats ausgegeben", erzählt die Tochter. Und dass es damals schon über diesen Künstler geheißen habe: "Der kann alles!"

Das ist der "Haussegen", den Erich Zmarsly einst für die Familie Voith gestaltet hat. (Foto: Veranstalter)

In der Grafinger Schwimmhalle schuf Zmarsly ein Wandrelief, für das bayerische Landwirtschaftsministerium fertigte er eine Broschüre. Er wurde mit der künstlerischen Ausgestaltung der Kapelle des Krankenhauses beauftragt, und viele ältere Ebersberger erinnern sich noch an seine liebevolle Verschönerung der Kfz-Zulassungsstelle mit nostalgischen Automobiltypen. 1961 gestaltete er die Bundesgartenschau in Stuttgart im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Heute erinnert der Erich-Zmarsly-Platz im Ortsteil Moossteffl an den vielleicht bedeutendsten Ebersberger Künstler, den Stadtarchivarin Antje Berberich vor rund 20 Jahren wiederentdeckte und ins öffentliche Bewusstsein hob.

Der Künstler im Bademantel: Erich Zmarsly ganz privat. (Foto: Veranstalter)

Und nun gibt es eben eine Ausstellung, in der die Besucher Erich Zmarsly quasi "ganz privat" begegnen können: Zu sehen gibt es jene Werke, mit denen sich der Künstler selbst einst umgab. Einige großformatige Gemälde, aber auch allerhand Skulpturen. Annette Voith, die die Zmarslys bereits als Kind kannte, konnte seine Familie, die ansonsten eher zurückhaltend ist, zu dem Schritt an die Öffentlichkeit bewegen. Enkelin Yvonne Zmarsly lebt in München und ist ebenfalls sehr kreativ: Sie arbeitet als freiberufliche Grafikdesignerin und Schnitzerin. Ihre Mutter, Schwiegertochter von Erich Zmarsly, wohnt in Baldham.

Für die Ausstellung haben die beiden Frauen sehr unterschiedliche Arbeiten ausgewählt, vom Selbstporträt über Landschaften mit Ortsbezug bis hin zu gänzlich Abstraktem, Grafischem. Hier ein impressionistischer Schneewald, dort Sonnenblumen à la Van Gogh oder ein archaisches Blechgesicht. Was auffällig ist, dass viele Motive einen religiösen Bezug oder zumindest spirituellen Anstrich haben. Zmarsly hat Jesus gemalt, ein Kreuz geschmiedet und einen goldenen Engel geschaffen. Und zwei Frauenporträts erinnern nicht nur fern an biblische Darstellungen.

Wie so viele Werke Zmarslys hat auch dieses Kreuz eine gewisse Patina. (Foto: Veranstalter)
Mit Kitsch hat dieser Engel von Erich Zmarsly gar nichts am Hut. Trotzdem ist er ein sehr freundlicher Geselle. (Foto: Veranstalter)
Obwohl diese Darstellung durchaus erotisch ist, kann sie eine biblische Anknüpfung nicht verleugnen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Inwieweit Erich Zmarsly tatsächlich gläubig war, oder eher eine Mode folgte, werden Interessierte bei der Eröffnung diskutieren können - wie so vieles andere. "Hier in Ebersberg verbindet fast jede Familie irgendeine Geschichte mit diesem Namen", sagt Annette Voith. Und Enkelin Yvonne Zmarsly ist schon sehr gespannt darauf, diese Anekdoten alle zu hören.

"Ein Leben mit Kunst - aus dem Atelier von Erich Zmarsly": von 19. bis 28. April im Therapiehaus an der Lehrer-Schwab-Gasse 6 in Ebersberg, Vernissage am Freitag, 19. April, um 19 Uhr, geöffnet an den Wochenenden 20./21. April und 27./28. April, jeweils von 11 bis 17 Uhr, sowie unter der Woche nach Vereinbarung. Kontakt: Annette Voith, (0172) 10 77 948 oder praxis@annettevoith.de.

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