Amtsgericht Ebersberg:Neuer Chef im alten Haus

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Benjamin Lenhart ist der neue Direktor am Ebersberger Amtsgericht. (Foto: Christian Endt)

Benjamin Lenhart ist der neue Direktor am Ebersberger Amtsgericht. Der 49-Jährige will mit ordentlich Elan frischen Wind in die Behörde bringen - und radelt dafür auch mal 80 Kilometer in die Arbeit.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die massiven Holzstufen im Treppenhaus des Verwaltungstraktes geben bei jedem Schritt einen knarzenden Hinweis auf das Alter des Gebäudes - und tatsächlich residiert das Ebersberger Amtsgericht schon seit dem 19. Jahrhundert an seinem Standort in der Bahnhofstraße. Durch die Flure des inzwischen denkmalgeschützten Gebäudekomplexes weht nun aber ein frischer Wind: In Benjamin Lenhart hat die Behörde vor wenigen Wochen einen neuen Hausherren bekommen. Der 49-Jährige folgt auf Gerichtsdirektor Christian Berg, der sich in den Ruhestand verabschiedet hat. Alles sofort umkrempeln will Lenhart nun aber nicht: "Ich will nicht reinplatzen und alles anders machen."

Das dürfte in der Ebersberger Behörde auch gar nicht unbedingt nötig sein, denn Lenhart trifft dort auf bereits gut funktionierende Strukturen, wie er selbst sagt. "Ich bin in meinen ersten Wochen auf viel Engagement und Teamgeist gestoßen. Das war sehr positiv", so der neue Gerichtsdirektor, der in seiner Laufbahn auch schon andere Beispiele erlebt hat. Gerade in den Münchner Amtsstuben sei die Atmosphäre oft deutlich kühler, hier in Ebersberg seien alle Mitarbeiter hingegen sehr freundlich und hilfsbereit. "Ein tolles Team - und das ist nicht selbstverständlich", lobt Benjamin Lenhart.

Der Behördenchef kommt entweder mit der Bahn oder mit dem Rad zur Arbeit

Nicht selbstverständlich ist auch, dass der Pasinger überhaupt im Landkreis gelandet ist. Lenhart hat bereits so ziemlich alle Stellen in der Juristenbranche ausprobiert, er war für kurze Zeit Wirtschaftsanwalt in einer Großkanzlei und hat später lange Jahre als Staatsanwalt und Richter in München gearbeitet. Zuletzt hatte er den Posten des stellvertretenden Behördenchefs am Amtsgericht in Garmisch-Partenkirchen inne, eine Direktorenstelle sei deshalb nun die logische Konsequenz gewesen. Dass diese aber ausgerechnet in Ebersberg ist, sei nicht unbedingt geplant gewesen. "Ich bin aber jemand, der den Dingen gerne eine Chance gibt", sagt Lenhart - und bisher ist er offenbar nicht enttäuscht worden von seiner Wahl. "Ich komme jeden Tag gerne her."

An den meisten Tagen benutzt der Behördenchef dafür die S-Bahn. Von den Querelen, die der eingleisige Verkehr ab Grafing-Bahnhof oft mit sich bringt, ist der 49-Jährige bisher aber weitgehend verschont geblieben. "Vielleicht hatte ich Anfängerglück", sagt er. An manchen Tagen radelt Lenhart aber auch die insgesamt 80 Kilometer von Pasing nach Ebersberg und zurück. Und wenn er sich den Arbeitsweg mal komplett sparen will, quartiert sich der neue Direktor in ein Ebersberger Hotel ein. Das habe er aus seiner Zeit in Garmisch übernommen: "Ich bin kein Skifahrer, und als ich dort angefangen hab, ist mir deshalb gar nicht bewusst gewesen, wie weit das weg ist." Kurzerhand habe er sich deshalb eine Unterkunft gesucht, in der er nach langen Tagen nächtigen konnte. Das will Lenhart auch in Ebersberg so handhaben. "Noch bin ich aber auf der Suche nach einem passenden Hotel."

Der Behördenchef will sich damit aber nicht nur die tägliche Anreise sparen, sondern auch seinen neuen Arbeitsort besser kennenlernen - da gehörte der Besuchs des Ebersberger Volksfestes im August natürlich auch dazu. Doch auch während der Arbeitszeit kommt Benjamin Lenhart viel im Landkreis herum. Zusammen mit seinem Stellvertreter Frank Gellhaus ist er als Betreuungsrichter tätig und begleitet in dieser Funktion Menschen, die nicht mehr selbst für sich sorgen können. Über mangelnde Arbeit können sich die beiden Juristen dabei nicht beklagen, etwa 1200 Betreuungsverfahren seien im Landkreis derzeit offen, wie Lenhart sagt.

"Wir spielen momentan in Unterzahl", sagt Lenhart über die fehlende Richterstelle

Und auch sonst wird einem Amtsgerichtsdirektor wohl eher nicht langweilig, denn Lenharts Aufgabe ist es, den Behördenbetrieb mit seinen 67 Mitarbeitenden am Laufen zu halten - das reicht von der Papierbestellung bis hin zur Planung größerer Umbaumaßnahmen. "Im Grunde arbeite ich wie ein mittelständischer Unternehmer - nur ohne unternehmerische Chance, aber auch ohne unternehmerisches Risiko", sagt der 49-Jährige.

Und wie ein Unternehmer in der freien Wirtschaft, hat auch Lenhart dieser Tage mit Personalmangel zu kämpfen, während die Arbeit nicht unbedingt weniger wird - im Gegenteil: Gerade im Grundbuchamt würden sich derzeit ganze Berge von Unterlagen auftürmen, die von Notaren wegen der Grundsteuerreform an die Behörde geschickt worden sind. Und auch in den Sitzungssälen gibt es wenig Zeit zum Durchschnaufen. "Wir spielen momentan in Unterzahl", sagt Lenhart. Derzeit fehle eine komplette Richterstelle, man habe jedoch die Aussicht, bald zumindest wieder eine Dreiviertelstelle zugewiesen zu bekommen. "Bis dahin muss jeder mit anpacken."

Das tut auch der neue Behördenchef Benjamin Lenhart, der aus der Situation das beste machen will. "Die Bürger sollen ihre Angelegenheiten hier gut erledigt bekommen und die Beschäftigten sollen Spaß an der Arbeit haben."

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