Kultur im Landkreis:Ein großes Ahoi zum Jubiläum

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"Das Boot - Schicksalsstunden der MS Old Cinema": Das Alte Kino in Ebersberg feiert mit einer maritimen Eigenproduktion seinen 30. Geburtstag. (Foto: Christian Endt)

Zum 30. Geburtstag sticht die "MS Old Cinema" in See: Ebersbergs Kleinkunstbühne feiert sich und ihr Publikum wie immer mit einer herrlich absurden Eigenproduktion.

Von Anja Blum, Ebersberg

Ja, was ist denn hier los? Auf der Bühne hopsen junge und jung wirkende Frauen mit großen Schwimmreifen herum, hinter der Bar steht der Chef mit Kapitänsmütze auf dem Kopf, und durchs Parkett humpelt einer, der sich mit Klebeband einen Stab ans rechte Bein gebunden hat. Sind die jetzt alle verrückt geworden im Alten Kino?

Nein, mitnichten. Ganz im Gegenteil: Die Ebersberger Kleinkunstbühne fiebert ihrem Jubiläum entgegen - und dafür muss intensiv geprobt werden. Wie immer ist es kurz vor knapp, von der Sommerpause bis zum Geburtstag im Oktober zählt man schließlich nur wenige Wochen. Außerdem haben alle, die an den Feierlichkeiten mitwirken, im echten Leben ja auch noch was anderes zu tun. Trotzdem sind die Lust am Spiel und die Vorfreude an diesem Probenabend jedem ins Gesicht geschrieben. "Noch eine Woche und 40 Minuten bis zur Premiere!", schallt es aufgeregt durch den Saal.

Hinter dem renommierten Kulturveranstalter "Altes Kino" steht eine Gruppe kreativer Geister

Das kleine Alte Kino, zu dem ja auch der große Alte Speicher gehört, ist einer der wichtigsten Kulturveranstalter in der Region. Doch nicht nur das. Denn hinter der ganzen mehr oder weniger bürokratischen Organisation von Kabarettabenden, Konzerten und anderen Vergnügungen steht eine ganze Gruppe kreativer Geister: Das Alte Kino wird getragen von einem Verein, der einst hervorgegangen ist aus der Kabarettgruppe Valtorta - die 1995 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet wurde, sich dem absurden Theater im dadaistischen Stil verschrieben hatte und nach der in Ebersberg die Gasse neben dem Rathaus benannt ist.

Deswegen ist es praktisch unausweichlich, dass das Alte Kino seine runden Geburtstage auf ganz besondere, persönliche Weise feiert: Alle fünf Jahre besinnt sich der Verein auf seine Wurzeln und präsentiert eine Eigenproduktion. Die bisherigen Titel konnten dabei durchaus wörtlich genommen werden: Das Team versteht sich als "Familie" und sogar als "Mittelpunkt der Welt". Fürs Publikum geboten ist stets ein bunter Reigen absurder Komik - so auch diesmal, wenn zum 30. Geburtstag die "MS Old Cinema" in See sticht. Zu erwarten sind turbulente Szenen und schicksalhafte Wendungen, aber auch viel Seemannsgarn und natürlich so manche Schlagseite.

"Es war gar nicht so einfach, wieder ein neues Thema zu finden", erzählt die Regisseurin, Gabi Rothmüller, während einer Probenpause. In mittelgroßer Runde habe man gebrainstormt, und die Idee "Schiff" sei auch ziemlich schnell auf dem Tisch gelegen - "doch das fanden einige erstmal ziemlich albern". Autor und Kabarettist Alexander Liegl indes war bereits entflammt, schrieb eine Rahmenhandlung - und überzeugt damit sogar die letzten Zweifler an Bord.

Leinen los! Regisseurin Gabi Rothmüller und Autor Alex Liegl steuern die MS Old Cinema sicher durch sämtliche Fahrwasser. (Foto: Christian Endt)

Kein Wunder, bietet das nun gewählte Motiv doch allerhand Vorteile. Zum einen ist der Vergleich einer Kleinkunstbühne mit einem Boot sehr symbolträchtig - gerade in diesen Zeiten. Wer denkt da nicht sofort an eine stürmische See, in der Kurs gehalten werden muss, damit niemand über Bord geht? Und da muss man sagen: Es ist dem Ebersberger Team gerade wegen seiner überbordenden Kreativität gelungen, die Jahre der Pandemie einigermaßen unbeschadet zu überstehen: Man konnte aus den Fähigkeiten der eigenen Reihen schöpfen. Schiffbruch? Fehlanzeige!

Außerdem gleicht eine Rahmenhandlung à la Kreuzfahrt dramaturgisch einem Freifahrtschein, schließlich lassen sich da alle möglichen Darbietungen einbauen. "Auf einem solchen Schiff kann einfach alles passieren", sagt Liegl und grinst. Also wird es viele Songs geben, eine Schlägerei, einen Reifenreigen, Aerobic mit Schwimmnudeln und sogar Zauberei. "Und das alles endlich wieder live!" Mit an Bord ist die gesamte Mannschaft der Ebersberger Kleinkunstbühne, etwa 30 Menschen, von den alten Valtorta-Mitstreitern bis hin zu jungen Servicekräften. Insofern ist die Eigenproduktion freilich immer auch teambildend, wie es heute so schön heißt, eine gemeinschaftliche Aktion, die das Alte Kino noch ein Stückchen mehr zum sicheren Heimathafen werden lässt.

Kabarettist Alexander Liegl gibt den berüchtigten Käpt`n Ahab, brüllend, aber leicht verwirrt

Während also auf der Bühne die Gardegirls trainieren - Klatschen, ohne dass der Reifen von der Hüfte rutscht, ist gar nicht so einfach - läuft im Büro eine Szenenprobe. Sebastian Winkler, ausgebildeter Schauspieler, gibt den Ersten Offizier, Basto di Angelo, und Margit Schwarz mimt Frau Else, den "Depp vom Dienst". Zwar sitzt der Text bei beiden noch nicht hundertprozentig, doch ihr darstellerisches Talent ist unübersehbar. Schimpfen, schleimen, stottern - alles haben sie sie drauf. Besonders brilliert aber Liegl, der als Autor des Stücks seine Rolle freilich schon gänzlich lebt. Er gibt den berüchtigten Käpt'n Ahab, brüllend, aber leicht verwirrt.

Das Skript ist, wie immer bei Liegl, sprachverliebt, der Autor hat maritime Fachbegriffe und Metaphern en masse dafür gefunden. Auch Zitate und Anspielungen gibt es wie Sand am Meer, ähem. Vom Käpt'n Blaubär bis zur Titanic. Da muss man als Passagier der MS Old Cinema schon gewaltig aufpassen, um ja nichts zu verpassen. Woher stammt nochmal der Ausruf "Oh Captain, mein Captain"? Die ganz zentrale Frage aber lautet: Heißt es Pömpel oder Pfripfel? Und was hat das unscheinbare Gummiding mit dem drohenden Untergang dieses bunten Narrenschiffs zu tun? Wer das wissen und nebenbei ganz glänzend unterhalten werden will, sollte der Ebersberger Jubiläumsbühne alsbald einen Besuch abstatten.

Altes Kino in Ebersberg: "Das Boot - Schicksalsstunden der MS Old Cinema" von Donnerstag bis Samstag, 6. bis 8. Oktober. Am Samstag, 8. Oktober, schließt sich an die Aufführung eine Geburtstagsfeier an, diese ist ab 22 Uhr bei freiem Eintritt für jeden offen. Tickets für die drei Geburtstagsvorstellungen sind unter www.kultur-in-ebersberg.de , telefonisch unter (08092) 255 92 05 oder persönlich in der Vorverkaufsstelle im Foyer des Alten Speichers erhältlich. Das Haus öffnet jeweils um 19.30 Uhr, Beginn ist um 20.30 Uhr.

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