Ebersberger Kulturherbst:Mit Abstand das beste Programm

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Altes Kino und Alter Speicher bieten wieder einen so abwechslungsreichen wie hochkarätigen Reigen aus Kabarett und Musik. Das Team setzt dabei auf maximale Sicherheit samt Wohlfühlatmosphäre, indem es auf eine Auslastung der Säle verzichtet.

Von Anja Blum

So langsam nimmt das kulturelle Leben im Landkreis ja wieder Fahrt auf - doch die Menschen scheinen sehr verunsichert zu sein. Das jedenfalls berichtet das Team des Alten Kinos in Ebersberg: In der Vorverkaufsstelle gebe es momentan nur ein Thema, nämlich die Rahmenbedingungen von Veranstaltungen. Darf man wieder Normalität genießen? Wie hoch ist das Risiko einzuschätzen? Welche Regeln werden angewandt?

Einlass finden ohnehin nur Geimpfte, Genesene oder Getestete, aber darüber hinaus können Veranstalter mittlerweile zwischen zwei Optionen wählen: Mit Maske, aber ohne Abstand. Oder ohne Maske, dafür mit Abstand. "Wir wollen, dass es für unsere Besucherinnen und Besucher so sicher und zugleich so schön wie möglich ist", sagt Markus Bachmeier, der Chef des Alten Kinos. Deswegen verzichte man darauf, die beiden Ebersberger Säle auszulasten, sondern platziere die Zuschauergruppen wie gehabt mit eineinhalb Metern Luft dazwischen. Konkret bedeutet dies: 60 statt 200 Menschen im Alten Kino, sowie 200 statt 500 im Alten Speicher. "Unseren Gästen zuliebe." Außerdem wird der ein oder andere Liveabend auch auf der neuen Plattform Altes-Kino-TV gestreamt.

Mit diesem Konzept startet das Ebersberger Kulturteam nun also in den Herbst. Es gilt für alle eigenen Veranstaltungen, also auch für jene, die zum Festival EBE-Jazz gehören. Insgesamt bietet das Programm im Alten Kino und im Alten Speicher wieder einen abwechslungsreichen, hochkarätigen Reigen aus Kabarett, Musik, Theater und allerhand Kleinkunstformen irgendwo dazwischen. Sogar eine neue Reihe hat das Team um Bachmeier erfunden: Haus- und Hofkabarettist Hans Klaffl teilt sich die Bühne mit einem Gast, das Motto lautet: "Gut, dass wir darüber gesprochen haben". Ob Bühnen- oder Lehrerkollege, interessante Menschen aus dem Landkreis oder Promis - der Ebersberger Kabarettist und frühere Musiklehrer lädt ein auf die Couch im Alten Kino zum Reden, Musikmachen und Raten. Zum Auftakt am Freitag, 5. November, begrüßt Klaffl Josef Brustmann, Musikkabarettist, Objekt- und Installationskünstler, Lyriker und Mitglied der Münchner Turmschreiber.

Los geht der kulturelle Herbst in Ebersberg am Donnerstag, 7. Oktober, mit dem Duo Notenlos - der "Nachholtermin vom 18. April 2020, 3. Oktober 2020 und 13. März 2021". Alleine diese Aufzählung zeigt, wie schwierig es Corona macht, kulturelle Veranstaltungen zu planen. Aber nun dürfen Bastian Pusch und Andreas Speckmann endlich ihr "Wunschkonzert der Extraklasse" im Alten Speicher präsentieren. Im Duett und im Duell improvisieren sich die beiden Ausnahmemusiker durch Klassik, Jazz, Musical und Pop. Das Publikum gestaltet den Abend interaktiv mit. Das nächste musikalische Duo kommt am Donnerstag, 11. November, ins Alte Kino, allerdings sind hier die Kräfteverhältnisse bereits geklärt: "Pigor singt, Benedikt muss begleiten." Ihr Genre: ein eigens erfundener Salon-Hip-Hop. Die beiden Herren präsentieren cool geswingte Tagespolitik, schmelzend gesungene Alltagsidiotie und brüllend gerappte Nachrichten - "feinsinnig, brachial und urkomisch zugleich". Ein bayerisches Unikat ist der Pianist Martin Schmitt, der sich am Samstag, 4. Dezember, die Ehre gibt. Das Improvisationsgenie spielt schnell und lässig - mit den Tasten, mit Grimassen und Worten. Die Gäste erwartet ein Mix aus kabarettistischer Moderation, anspruchsvollem Jazzpiano, Spaß an Blues und Pop sowie selbstironisch-nachdenkliche eigene Songs in bayerischer Sprache. "Jetzt ist Blues mit lustig!"

In die Kategorie Kabarett mit etwas Musik fällt Jess Jochimsen, der am Freitag, 26. November, in Ebersberg gastiert. Er will raus aus seinem Gedankenkarussell - und mal nachschauen, was die Pandemie übrig gelassen hat. Also macht der Freiburger Inventur im Kopf. So präsentiert Jochimsen mit beißendem Spott und leiser Nostalgie eine wundervolle Mixtur aus zwerchfellerschütternden Geschichten, schlimmen Dias und sterbensschönen Songs. Sein Kollege Martin Frank nennt sein drittes Solo "Einer für alle - alle für keinen". Am Donnerstag, 16. Dezember, sinniert der junge Niederbayer im Alten Kino frech, hintersinnig und bitterböse über unser teils absurdes Leben. Schreiend komische Arien setzen dabei sicher wieder Glanzlichter.

Ganz viel Gesang - das bietet der "Siegfried" am Freitag, 29. Oktober, im Alten Speicher - ein "Germanical", in dem unter anderem Alexander Liegl und Constanze Lindner tragende Rollen spielen. Da trifft Hochkultur auf Trash, Wagner auf Travestie, denn die spielfreudige Comedy-Truppe macht aus dem "Ring"-Gerangel eine Riesensause. In der Ankündigung heißt es: "Bunt und höchst musikalisch ist diese Lustspielhaus-Produktion, bei der wippende Füße und aufkochende Emotionen zum selbstverliebten Königsfetzen, Rachetango oder fröhlichen Sterbelied, höchst willkommen sind!"

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(Foto: Matthias Robl)

Gastspiele in Ebersberg geben außerdem Kabarettistin Christine Eixenberger, ...

... Kabarettist Andreas Rebers ...

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(Foto: Veranstalter)

... und Kabarettist Florian Schroeder.

Gleich zwei Mal auf dem Programm steht die Gankino Circus Show, und zwar am Dienstag, 23. November, sowie am Donnerstag, 30. Dezember. Das Format zeigt die vier virtuosen Musiker, begnadeten Geschichtenerzähler und kauzigen Charakterköpfe aus Dietenhofen von einer ganz neuen Seite. Als Gastgeber ihrer eigenen Show sind ihrer Experimentierfreude und Lust am Unfug keine Grenzen gesetzt. "Freuen Sie sich auf spannende Gäste, kuriose Mitbringsel von den Reisen der Musiker und unverhoffte Einblicke in den wunderlichen Gankino-Kosmos."

Freunde des Hip-Hop kommen am Freitag, 22. Oktober, auf ihre Kosten: Es spielen Black Dia bu Galsen, zwei Rapper aus Ebersberg mit senegalesischen Wurzeln. Maka Seck und Abdoulaye Gueye tauschen für diesen Abend im Alten Kino ihre selbstproduzierten Backgroundtracks gegen eine Liveband bestehend aus Benedikt Michael (Keyboards), Thomas Brand (Gitarre), Tobias Mückenberger (Bass) und Hannes Rothmoser (Schlagzeug). Mit ihrem Mix aus Hip-Hop, Dancehall und Soul beschreiben die Musiker das Leben und seine Probleme, sie singen über Liebe, Freude und die schwarze Diaspora. "Ob live auf der Bühne oder aus den Boxen - der Sound von Black Dia reißt mit und regt zum Nachdenken an."

"Näher kann man dem Mythos nicht sein" - das versprechen Wir 4, die am Freitag, 26. November, "das Beste von Austria 3" präsentieren. Dabei nämlich handele es sich nicht um eine klassische Coverband, sondern um vier Musiker, die selbst an unzähligen Austropop-Songs - auch von Ambros, Fendrich und Danzer - beteiligt waren. Sie zeigen Fotos und Filmmitschnitte, die nirgendwo sonst zu sehen sind, und verbinden sie mit Anekdoten. Insofern sei der Abend mehr als eine Verbeugung vor großen Musikern - nämlich eine Dokumentation über Popgeschichte. Über den großen Teich wandert der Blick am Donnerstag, 9. Dezember, mit Marc Ribot. Er ist eine der großen Figuren der amerikanischen Musik - und eine der unberechenbarsten. Sein Trio Ceramic Dog versteht Ribot als Rockband: "Musik mit punkiger Energie, überschäumender Originalität und viel Zynismus, vom Roadhouse Blues über verrockten Cumbia bis hin zum psychedelischen Trip."

Doch nicht nur Musik, sondern auch Kabarett ist wieder reichlich geboten. Am Samstag, 23. Oktober, kommt Tino Bomelino, ein Prototyp der neuen Comedy-Generation, die Tempo und Multistilistik der Poetry Slams adaptiert. Im Hauptberuf Provokateur ist hingegen Florian Schroeder, der am Sonntag, 31. Oktober, mit einer Mischung aus beeindruckenden Parodien, politischem Kabarett und intelligentem Nonsens begeistern will. Ihr neues Programm "Einbildungsfreiheit" hat Christine Eixenberger am Samstag, 13. November, im Gepäck. Der bayerische Kabarett-Export überzeugt mit pointiertem Witz, Schlagfertigkeit und selbstkomponiertem Liedgut. "Unterhaltung mit Haltung" gibt es bei Arnulf Rating am Freitag, 19. November: ein Parforceritt durch den "Zirkus Berlin" mit einer der dienstältesten scharfen Zungen des Landes. "Theater, Tiefgang, Trainingsjacke": So kann nur ein Best-of von Alfons heißen, der am Sonntag, 21. November, zu Gast ist. Der französische Kulturreporter seziert wie immer voller Genuss dieses Land der Dichter und Klempner, Kleingärtner und Hinterwäldler. Einen besonderen Blick auf unsere Gesellschaft hat auch Simon Pearce: Der "Eddy Murphy aus Puchheim" erzählt am Samstag, 27. November, pointiert und lebhaft aus seinem Leben. Um alles Toxische geht es am Freitag, 3. Dezember, bei Andreas Rebers: um Schuldgefühle, faule Kredite, ebensolche Ausreden, Nazismus und Narzissmus. "Und wenn am Ende der Teufelsaustreibung noch etwas auf der Bühne herumliegt, kommt in der Zugabe der Tatortreiniger und beseitigt die Spuren." Erinnerungskultur auf hohem Niveau, pointensatt und geistreich geschliffen schließlich bietet am Montag, 6. Dezember, der "Rückspiegel" von und mit Django Asül im Alten Speicher.

Eintrittskarten für Altes Kino und Alten Speicher sind erhältlich unter (08092) 255 92 05, persönlich in der Vorverkaufsstelle im Foyer des Alten Speichers oder online unter www.kultur-in-ebersberg.de.

© SZ vom 01.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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