Gendersprache:Antragsteller*in sieht Sternchen

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Für die Verwendung von Gendersprache gibt es viele Möglichkeiten, eine davon ist das Sternchen im Wort. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa-tmn)

Die Ebersberger AfD will dem Landratsamt das Gendern im gesamten Schriftverkehr verbieten. Sie befürchtet eine "Vergewaltigung der schönen Muttersprache". Mehrheitsfähig ist der Vorstoß nicht - wenn er überhaupt zulässig ist.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Plötzliche Schwankungen des Blutdrucks können die Ursache dafür sein, dass kurzzeitig wie Sterne wirkende Lichtblitze vor dem menschlichen Auge auftauchen. Dieses Phänomen der Netzhautreizung dürften wohl viele schon mal selbst erlebt haben, etwa nach einem starken Nieser oder wenn man zu schnell vom Sofa aufsteht. Bei der AfD im Landkreis Ebersberg funktioniert die Kausalitätskette aber offenbar umgekehrt: Dort sieht man zuerst die Sternchen, ehe im nächsten Augenblick der Blutdruck in die Höhe schießt. Das legt zumindest ein Antrag nahe, den die Fraktion nun in der jüngsten Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses eingebracht hat. Demnach solle das Ebersberger Landratsamt künftig in seinem gesamten Schriftverkehr auf Gendersprache verzichten.

Selbige erübrigt sich zumindest hinsichtlich des Vortragenden dieses Gesuchs: Der Vaterstettener Kreisrat Manfred Schmidt nämlich ist der einzige Vertreter der AfD-Fraktion in diesem Gremium. Und dort brachte der Antragsteller im Namen seiner Partei, der Antragstellerin, die Sorge um eine drohende Verrohung der deutschen Sprache zum Ausdruck. Konkret nannte Schmidt die Gender-Schreibweise eine "sprachliche Unsitte". Man müsse nicht alles, was der Zeitgeist vorgebe, ungesehen hinnehmen, so der AfD-Kreisrat, der sogar noch einen Schritt weiter ging: "Gendern ist eine Vergewaltigung unserer schönen deutschen Muttersprache."

Die AfD spricht bei Gendern von einem "sinnlos betrieben Kulturkampf"

Um diese zu schützen, soll der Landkreis in seinem gesamten Schriftverkehr sowie in seinen Verlautbarungen oder sonstigen Veröffentlichungen ab sofort auf die sogenannte Gendersprache verzichten, wie es in dem Antrag heißt. Auch "Gender-Sternchen" oder ähnliches sind nach Willen der AfD künftig zu unterlassen. Manfred Schmidt begründete diese Forderung in seinem Schreiben an Landrat Robert Niedergesäß (CSU) wie folgt: "Die deutsche Sprache als Amtssprache und zugleich auch als unsere Muttersprache genießt den uneingeschränkten Schutz vor allen denkbaren sprachlichen Verwerfungen, und zwar unabhängig davon, ob sie ideologisch begründet werden." Für die AfD im Kreistag stellt die Verwendung von Gendersprache deshalb nicht weniger als "einen schleichenden Prozess innerhalb eines sinnlos betriebenen Kulturkampfes ohne demokratische Legitimation dar".

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Große Worte also, die vom Rat für deutsche Rechtschreibung, auf den die Kreistagsverwaltung in ihrer Stellungnahme verweist, allerdings nur zum Teil gedeckt werden. Demnach gibt es tatsächlich geschlechtsneutrale Ausdrucksweisen, die für eine Behörde ungeeignet sind. Etwa die Verwendung von Unterstrichen, Doppelpunkten, des sogenannten Binnen-I oder eben des Gender-Sternchens, als Fachterminus auch Asterisk genannt. All diese Formen sollen die Inklusion sämtlicher Geschlechtsidentitäten darstellen. Expert_innen, Expert:innen, ExpertInnen oder Expert*innen stellen allerdings in Frage, ob diese typografischen Kniffe tatsächlich noch der Amtssprache Deutsch entsprechen. Auch der Rat für deutsche Rechtschreibung hat deshalb deren Aufnahme in das Amtliche Regelwerk nicht empfohlen.

Behörden können durchaus Gebrauch von der Gendersprache machen

Das bedeutet jedoch nicht, dass Behörden grundsätzlich auf das Gendern verzichten sollen. Für den dienstlichen Sprachgebrauch seitens der öffentlichen Verwaltungen würden sich stattdessen die Varianten der neutralen Umformung, die Bildung von Doppelungen oder Paaren sowie die Verwendung von Schrägstrichen und Trennstrichen empfehlen, wie es von der Verwaltung heißt. Damit würden sich die Mitarbeiter auch unabhängig von politischen Verhältnissen im absolut zulässigen rechtlichen Rahmen bewegen.

Dass Gendern dennoch keine rein typografische Frage ist, merkte Grünen-Kreisrat Reinhard Oellerer an: "Sprache ist immer auch ein Spiegel der Machtverhältnisse." Nicht ohne Grund würden sich vor allem Frauen für geschlechtsneutrale Formulierungen einsetzen, schließlich herrsche nach wie vor eine Geschlechter-Ungerechtigkeit in der Gesellschaft. Diese werde man zwar durch das Gendern nicht beseitigen können, so Oellerer, Sprache sei aber ein Mittel, um ein gewisses Bewusstsein dafür zu wecken. "Man sollte deshalb sensibel damit umgehen." Ähnliche Worte fand auch CSU-Kreisrat Martin Wagner, der offen einräumte, dass auch seine Partei so ihre Probleme mit der extremen Verwendung von Gendersprache habe. "Trotzdem kann man sich schon etwas anders artikulieren", so Wagner. Er selbst zum Beispiel benutze beim Sprechen inzwischen einfach beide Geschlechtsformen.

Dieser Diskussion zum Trotz beharrte Manfred Schmidt auf das von ihm geforderte Gender-Verbot für das Ebersberger Landratsamt. Alle anderen Kreisräte lehnten den Antrag jedoch ab, der laut Michael Ottl, dem Büroleiter des Landrats, ohnehin in gewisser Weise eine Themaverfehlung war. Der Kreistag nämlich greife in die innerbehördlichen Organisation nur dann ein, wenn evidente Rechtsverstöße vorlägen. Vorgaben zu den Abläufen im Landratsamt könne er dagegen keine machen.

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