VHS Ebersberg:Deutschlehrer gesucht

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Deutschkurs für Geflüchtete. (Foto: Catherina Hess)

Die Flüchtlinge von 2015 haben den Markt für freiberufliche Deutschlehrer verändert - Zugangsbedingungen wurden zunächst vereinfacht, dann hat Corona sie ausgebremst. Jetzt werden sie für BamF- und Volkshochschulkurse wieder dringend benötigt.

Von Viktoria Niggemann

"Neben Wohnung, Nahrung und Kleidung ist Sprache einer der wichtigsten Faktoren für die Integration", sagt Stefanie Horten, Leiterin des Fachbereichs Deutsch an der Volkshochschule (VHS) Ebersberg im Zweckverband Kommunale Bildung. Händeringend sucht sie derzeit nach Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache (DaF). Über die Website und den Newsletter der VHS, über die Netzwerke mit anderen Trägern, über DaF-Chat-Gruppen und entsprechende Listen der DaF-Verlage seien sie bereits sichtbar.

Im Moment sind es die sogenannten Selbstzahlerkurse für ukrainische Flüchtlinge, für die weiterer Bedarf besteht. Sie seien unbürokratischer als die Integrationskurse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), erklärt Horten.

"Wir möchten schnell und unkompliziert Kurse für möglichst viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine einrichten. Vor dem Hintergrund von Lehrkräfte- und Raummangel funktioniert das am Besten mit Kursformen, die nicht vom BAMF gefördert werden", erklärt Horten, da dies weniger Aufwand für die Verwaltung und weniger Stunden, die einen Raum blockieren, bedeute. "Hier möchten wir den Lehrkräften aber unbedingt ein Honorar zahlen", sagt sie, "um ihre Arbeit zu würdigen. Nach der Pandemie geht es jedoch auch unserer kommunal finanzierten Volkshochschule finanziell nicht besonders gut."

"Und ohne sie stünde die deutsche Wirtschaft schlecht da"

Nicht nur bei den Selbstzahlerkursen, auch für die vom BAMF finanzierten Integrationskurse fehle es der VHS derzeit an genügend Lehrkräften. Mit der Zuwanderungswelle 2015 gab es nicht nur einen Schub für solche Kurse, außerdem wurden die Zulassungsbedingungen des BAMF für DaF-Lehrkräfte erleichtert. Dies habe zunächst zu einem Zuwachs an Dozenten geführt. Wegen Corona seien dann jedoch viele wieder "verloren gegangen", erklärt Stefanie Horten. Die Kurse wurden kleiner, fanden nur noch online statt oder fielen ganz aus. Das BAMF verschärfte die Zulassungsbedingungen wieder, und nun fehle es an Lehrkräften für die zeitintensiven Integrationskurse.

In 600 Unterrichtseinheiten "Sprachvermittlung" und 100 Einheiten "Orientierungskurs" gehe es nicht nur um Sprachkenntnisse, sondern auch um Geschichte und Kultur, Rechte, Pflichten und Werte in Deutschland, wie Religionsfreiheit, Toleranz und Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

"Die Arbeit in diesen Kursen ist so wichtig, und es weiß kaum jemand darüber Bescheid", so Horten. Vor allem sei wenigen bewusst, dass die Integrationskurse in Deutschland quasi allen Zugewanderten offen stünden. Vor allem kämen in normalen Zeiten Arbeitsmigranten, "für die es eine echte Leistung ist, dass sie neben meist anstrengender und oft Schicht-Arbeit und vielfach Familie auch noch dreimal die Woche Deutsch lernen." Das seien zum Beispiel Kroatinnen oder Kroaten, die in der Pflege arbeiten, Menschen aus dem Kosovo, aus Albanien, Serbien oder Bosnien - häufig Männer - die im Baugewerbe oder Handwerk tätig sind, rumänische Staatsbürger, die in der Gastronomie oder in Reinigungsbetrieben arbeiten, Menschen aus dem asiatischen Raum, die in der Gastronomie tätig sind. Menschen aus der ganzen Welt, die ihrem Partner nach Deutschland folgen und Au-Pairs sowie Eingewanderte aus der EU, die an der Arbeitsstelle mit Englisch oder ihrer Muttersprache zurechtkämen, aber ihr Deutsch verbessern wollten, um sich integrieren zu können. Viele hätten in ihrem Heimatland eine gute Qualifikation erworben, aber es fehle ihnen an Deutschkenntnissen, um in Deutschland besser qualifizierte Jobs zu finden. "Und ohne sie stünde die deutsche Wirtschaft schlecht da", so Horten, das habe Corona gezeigt - denn überall fehle es an Fach- und Hilfskräften.

"Ungefähr 200 Teilnehmende pro Jahr absolvieren bei uns die B1-Prüfung 'Deutschtest für Zuwanderer'. Rund 80 Prozent bestehen beim ersten Versuch B1, die anderen 20Prozent bestehen A2", fasst Horten zusammen, "und wer B1 bestanden hat, kann im Rahmen der vom BAMF geförderten Berufssprachkurse bis C1 weiterlernen."

Christiane Vogel ist Dozentin und unterrichtet mit großer Begeisterung Deutsch für Ausländer an der VHS Ebersberg. (Foto: oh)

Christiane Vogel ist DaF-Lehrerin an der VHS Ebersberg und gibt Integrationskurse für Zugewanderte aus der ganzen Welt. Seit 21 Jahren lehrt sie Erwachsene die deutsche Sprache und wirbt für ihren Beruf. Schon immer habe sie gern mit Menschen zusammengearbeitet, und genau darin begründe sich auch ihre fortwährende Leidenschaft als DaF-Lehrerin. In der großen Unterstützung, die sie innerhalb der Kurse beobachte, in der geteilten Freude über Erfolge und den Freundschaften, die sich knüpften. "Es ist nach wie vor erfüllend und sinnstiftend", sagt sie, denn die Gruppen seien keinesfalls homogen: hinsichtlich Alter, Nationalitäten, Lernerfahrungen und -gewohnheiten sei jeder Kurs vielfältig und einzigartig. Besonders begeistere sie der beiderseitige Perspektivwechsel - einerseits die Lernfortschritte ihrer Teilnehmer zu beobachten, andererseits selbst interkulturelle Kompetenzen zu erlangen. Wenn ihre Teilnehmer ein erstes Gespräch mit dem Nachbarn oder den anderen Eltern im Kindergarten führen, Formulare selbst ausfüllen oder ein Bewerbungsgespräch auf Deutsch wahrnehmen können - seien das die Erfolge, die die Dozentin mit ihren Schülerinnen und Schüler feiern kann. Und es werde "nie langweilig", so Vogel, denn je nach politischer und wirtschaftlicher Situation in den Ländern, seien Nachfrage und Kurszusammensetzung unterschiedlich. Vor sieben Jahren besuchten Menschen aus Syrien, jetzt kämen eben ukrainische Kriegsgeflüchtete.

So wie Christiane Vogel bereits seit vielen Jahren, sind DaF-Dozenten an der VHS oftmals freiberuflich tätig. Festanstellungen sind rar, jedoch sieht sie darin einen entscheidenden Vorteil: Flexibilität - zeitlich wie inhaltlich. So habe sie selbst durch ihre Freiberuflichkeit Familie und Arbeit gut unter einen Hut bekommen, da die VHS Vormittags- und auch Abendkurse anbiete. Außerdem könne man für verschiedene Arbeitgeber tätig werden und so den eigenen Horizont erweitern. Im Laufe der Zeit hat sich Christiane Vogel mit einem "Relocation Service" für Firmen in München ein zweites Standbein aufgebaut, wie sie berichtet. Sie unterstütze Beschäftigte zum Beispiel bei Behördengängen oder bei der Suche nach einem Kindergartenplatz für ihre Kinder. Vogel möchte anderen mit ähnlicher Ausbildung Mut machen, denn die Freiberuflichkeit an der VHS sei für sie stets sicher gewesen, sagt Vogel: "Ich hatte immer Folgekurse."

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