Der Sport im Landkreis Ebersberg:Der Macher des Grafinger Volleyballs

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Johannes Oswald spielt nur noch selten, als Mann im Hintergrund ist der 26-Jährige aber unentbehrlich. (Foto: Marc Geisler (OH))

Eine schwere Verletzung vor acht Jahren zerstörte Johannes Oswalds Karriere als Volleyballer. Dem TSV Grafing ist er dennoch treu geblieben. Wie aus dem Spieler ein Zweitliga-Manager wurde.

Porträt von Korbinian Eisenberger, Grafing

Auf dem Tisch liegt nur das Vereinsheft der Grafinger Volleyballer. Der Tisch ist aufgeräumt, wie der Rest des Wohnzimmers. Die Kissen auf der Couch, die Bücher im Regal, alles ist an seinem Platz, da, wo es hingehört.

Wo gehöre ich hin? Diese Frage treibt ihn um, den Mann, der hier wohnt. Oder besser gesagt: noch hier wohnt. Auch wenn es nicht danach aussieht, es ist einiges durcheinander geraten im Leben von Johannes Oswald, dem Politiker, dem Studenten und Sportler, den in Grafing jeder Zweite grüßt, wenn er über den Marktplatz geht. Der 26-Jährige steht gerade an einem Scheideweg, womöglich beruflich und ziemlich sicher privat. Vor drei Wochen ging seine Beziehung auseinander, Auf dem Klingelschild stehen noch beide Namen, wahrscheinlich, sagt er, werden beide woanders hinziehen.

Johannes Oswald dürfte schnell was finden, er hat sich einen guten Namen im Ort gemacht. Der 26-Jährige ist so etwas wie die lokale Schnittstelle von Politik, Sport und Jugend. Oswald ist als Manager der Zweitliga-Volleyballmannschaft des TSV Grafing angestellt, hat vor kurzem seinen Bachelor in Sportmanagement abgeschlossen und sitzt seit 2014 für die Grünen im Stadtrat. Mittlerweile ist er stellvertretender Sprecher seiner Fraktion, offiziell ist er Jugendbeauftragter. Inoffiziell ist er auch noch der Sportbeauftragte.

Oswald, Jeans, Pullover, Kaffeetasse, sitzt am Wohnzimmertisch, das Vereinsheft aufgeschlagen, die Texte - 30 A4-Seiten - hat alle er geschrieben, einen Fehler im Heft eigenhändig tausendfach überklebt. Am Samstag in einer Woche geht es für den Tabellensiebten (von 13) in die Nähe von Bamberg, zu Tabellenführer Eltmann. Davor hat Grafing spielfrei, "das ist mein erstes freies Wochenende seit September", sagt Oswald. "Ja", sagt er, "in letzter Zeit kam einiges zusammen."

Der Ossi, wie sie ihn im Verein nennen, ist der gute Geist der ersten Mannschaft des TSV Grafing, der Mann im Hintergrund, Organisator, Ansprechpartner für die gesamte Abteilung. "Er ist ein unglaublicher Gewinn für uns", sagt Peter Hölzer, Chef der Volleyballabteilung. Oswald ist bei jedem Spiel dabei, auch auswärts. Wenn am Abend ein Heimspiel ansteht, beginnt der Tag für ihn um 9 Uhr früh. Getränke, Semmeln, Netz und Banden aufbauen, Einsatzpläne zeichnen.

Wenn die anderen in der Kneipe sind schreibt "Ossi" den Spielbericht

Nach dem Spiel, wenn die anderen im Bett oder in der Kneipe sind, schreibt Oswald noch den Spielbericht und stellt ihn auf die Vereins-Webseite. "Der Favorit FT 1844 Freiburg wurde geärgert, hatte aber das glücklichere Ende auf seiner Seite", war dort jüngst nach einem 1:3 im Breisgau zu lesen. Während die anderen trainieren, sucht Oswald nach neuen Sponsoren. Wenn sie spielen, denkt er schon ans Aufräumen.

Früher stand Oswald selbst auf dem Platz, er spielte mit vielen derer zusammen, über die er heute schreibt. Oswald war Teil der "goldenen Generation", wie sie in Grafing sagen, er gehörte zu jener Nachwuchsmannschaft, die heute einen Großteil des Zweitligateams stellt. Damals hatte Oswald lange Haare, jetzt sind sie kurz. Oswald spielt zwar ab und zu noch, in der zweiten Mannschaft, "aber vor allem aus Gaudi", sagt er. Oswald hat sein Bein ausgestreckt auf einem Stuhl gelagert. Er zuckt mit den Schultern, hebt die Augenbrauen. "Passiert ist passiert", sagt er. "Da war nichts mehr zu machen."

Zur Geschichte des Sportlers Oswald gehört eine Trainingseinheit aus dem Jahr 2009. Zum Aufwärmen spielten sie immer Fußball, so auch diesmal. Heute weiß Oswald, dass das keine gute Idee war. Er erinnert sich, wie er gegen die Bande gecheckt wurde. "Es hat eigentlich nur kurz am Rücken gezogen", sagt er. Der damals 17-Jährige fuhr noch mit dem Rad nach Hause, dann legte er sich vor Schmerz auf den Boden und rief vom Handy aus an. Er schaffe es nicht mehr allein ins Haus, Bandscheibenvorfall. "Das war das Ende meiner sportlichen Karriere", sagt er.

Vielleicht würde er heute selbst in der zweiten Bundesliga am Netz stehen, wer weiß das schon. Dafür hat Oswald einen anderen Weg gefunden. Seine Aufgabe ist es nicht mehr, Bälle zu blocken. Vielleicht ist seine Aufgabe sogar wichtiger. "Die Hallensituation in Grafing ist sehr schlecht", sagt er. Zu wenig Platz für zu viele Sportler, Fußball, Volleyball, Handball, die Grafinger Zweitligamannschaft muss zum Training zweimal die Woche in die Turnhalle des Gymnasiums ausweichen. "Ich glaube nicht, dass wir nur weil ich im Stadtrat bin, eine neue Halle bekommen", sagt Oswald. "Aber wenn eine gebaut wird, dann wird sie den Anforderungen der Vereine entsprechen."

Wie geht es weiter mit Grafings Volleyball-Manager? Für seinen Chef ist die Sache klar. "Freiwillig geben wir ihn auf keinen Fall her", sagt Peter Hölzer. Und: "Bei uns gibt es viele Aufgaben, die eigentlich hauptamtlich erledigt gehören, ich vermute, dass wir da in Zukunft aufstocken müssen." Von 20 Stunden auf eine Vollzeitstelle beim TSV? Oder doch was ganz anderes? Johannes Oswald ist gerade dabei sich zu sortieren. Damit es in seinem Kopf bald wieder so aufgeräumt zugeht wie in seinem Regal.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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