Bücher:Der Vorlesetag im Landkreis Ebersberg

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Hat ein Herz für Bücher und Kinder: Wolfram Staude engagiert sich schon lange als Vorleser in Grafing. (Foto: Christian Endt)

An diesem Freitag sind in Vaterstetten, Poing und Markt Schwaben Veranstaltungen. Vorleser Wolfram Staude aus Grafing erzählt, wie man den Nachwuchs für Bücher begeistert.

Von Anja Blum, Grafing

"Meine Frau sagt: Wenn ich von der CSU heimkomme, ziehe ich meistens eine Lätsch'n - wenn ich aber beim Vorlesen war, dann erzähle ich lauter lustige Storys." Diese Beobachtung bringt auf den Punkt, was sein Engagement rund um die Grafinger Bücherei für Wolfram Staude bedeutet.

Er ist einer von mehr als hundert Menschen im Landkreis, die ehrenamtlich jungen Menschen vorlesen, sei es in Büchereien, Kindergärten oder Schulen. Die den Nachwuchs für das Wort begeistern - und große Freude daran haben. "Wenn einen zur Begrüßung 20 Augenpaare anstrahlen, man gleich mit Fragen bombardiert wird, das ist eine wunderbare Sache", sagt der Grafing er. "Das ist Leben!"

Staude selbst hat immer schon gerne gelesen, sechs Sunden Karl May seien in seiner Kindheit keine Seltenheit gewesen, erzählt der 74-Jährige. Später kam dann jede Menge Fachliteratur hinzu, schließlich gab es noch kein Internet zum Nachschlagen.

"Deswegen habe ich viele Laufmeter Bücher daheim." Zum Vorlesen aber kam Staude über einen bildungspolitischen Gedanken: Bei einem Besuch des Familienministeriums, damals noch unter Ursula von der Leyen, habe er die Überzahl der Frauen in der Erziehung beklagt und dies auf einen griffigen Nenner gebracht: "Buben haben keine Lobby", sagt Staude, denn er als "alter Pfadfinder" ist überzeugt davon, dass Jungen andere Bedürfnisse haben als Mädchen und zudem dringend männliche Vorbilder brauchen.

"Einem Externen hört man einfach besser zu"

Was also lag näher, es der Vaterstettener Bücherei gleich zu tun und auch in Grafing eine Gruppe nur für Buben zu installieren? Vor sieben Jahren startete Staude also dort die "Lesekerle", bei denen es um alltagsnahe, spannende Themen geht.

Dass er mit diesem Angebot richtig lag, merkte Staude spätestens beim Vorlesen an der Schule, sein zweites Aufgabenfeld rund um die Bücherei. "Da habe ich Themenvorschläge eingesammelt - mit klarem Ergebnis: Die Mädchen wollten Pferde und Liebe mit Küssen, die Buben nur Abenteuer", erzählt der 74-Jährige und grinst. Also teilte man die Klasse, und alle waren glücklich.

Doch warum gehen überhaupt Ehrenamtliche zum Vorlesen in die Schule, könnten das nicht die Lehrer übernehmen? "Einem Externen hört man einfach besser zu", sagt Staude, außerdem mache der Besuch von außen deutlich, dass es explizit mal nicht um Leistung gehe. "Die Lehrer sind immer ganz begeistert, wie entspannt die Schüler danach sind."

Ist es eine Gabe, junge Menschen für Literatur zu gewinnen? Jein, sagt Staude. Freilich gebe es verschiedene Naturtalente - vom mitreißenden Abenteuertyp bis zur gemütlichen Märchenoma - und gewisse Voraussetzungen müsse man schon mitbringen, eine kräftige Stimme etwa und ein Quäntchen natürliche Autorität.

Das Buch darf keinesfalls zu dick sein

Doch das Vorlesen lasse sich auch trainieren, in Schulungen oder indem man einen erfahrenen Kollegen begleite. Wichtig ist laut Staude auch die Auswahl der Literatur: Das Buch müsse spannend sein und lehrreich, nicht zu langatmig - und keinesfalls zu dick. "Man sollte einer Geschichte nicht mehr als drei Stunden widmen müssen", sagt der Grafinger. Und: Je jünger die Kinder, desto mehr Bilder müsse es geben, denn über diese fänden sie schnell Zugang.

Besonders wichtig ist Staude, dass seine Lesestunden nicht zu buchlastig sind. "Ich möchte mit den Kindern ins Gespräch kommen", sagt er. In der Geschichte von der "Störenfrieda" zum Beispiel gehe es um ein Baumhaus - eine wunderbare Gelegenheit, um über den Bau eines solchen zu reden, bis hin zu einer absurd vollständigen Inneneinrichtung: "Geendet hat es mit einer Badewanne, die das ganze Baumhaus zum Absturz bringt", erzählt Staude und lacht.

Gerade bei den Lesekerlen setzt der 74-Jährige auf "begreifbare" Themen, bereitet nicht nur stapelweise Bücher zum Mitnehmen vor, sondern auch Anschauungsmaterial und Ausflüge. Ausgestopfte Tiere, Weltraumspielzeug, ein Besuch bei der Polizei oder beim Handwerker, ein Gang ins Museum - all dies wecke größtes Interesse.

Praktisches Wissen fürs Leben möchte Staude vermitteln, aus Natur, Geschichte oder Technik. Immer in der Hoffnung, prägende Impulse zu geben: "Vielleicht fängt einer dann sogar eine entsprechende Ausbildung an?" Außerdem legt der Major der Reserve Wert auf Disziplin, bei ihm herrschen klare Regeln. So lernten die Lesekerle auch respektvollen Umgang, Konzentration und das freie Reden in der Gruppe. "Das Selbstbewusstsein wächst", das habe er über die Jahre gut beobachten können, sagt Staude.

Er selbst wird sich nun aus der Grafinger Leseszene größtenteils zurückziehen, es brauche eine Verjüngung, sagt er. Außerdem habe er drei kleine Enkel, denen er als Opa auch ganz viel Zeit und Bücher schenken wolle.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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