Blick in die Zukunft:Ebersberg wird der Landkreis der Wolkenkratzer und Waschbären

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Waschbären, Emus, US-Drohnen, ein geschmeidiger Konzertsaal - und die SZ in Pillenform: Sieht so der Landkreis Ebersberg im Jahr 2057 aus? (Foto: Korbinian Eisenberger)

Seit Gründung der SZ-Landkreisausgaben 1977 hat sich in Ebersberg einiges verändert. Was wohl in den nächsten 40 Jahren passiert? Ein unverbindlicher Rückblick auf die bevorstehenden vier Jahrzehnte.

Von Wieland Bögel (Text) und Korbinian Eisenberger (Illustration)

Willkommen zur Jubiläumsedition im Jahr 2057. Neben den üblichen Neuesten Nachrichten aus aller Welt und den orbitalen Habitaten, präsentiert die SZ heute ein Special zum Erscheinen der ersten Landkreisausgabe vor 80 Jahren. Damals gelangte die Zeitung ausschließlich auf Papier, später dann auch per Bildschirmgeräten zu ihren Lesern.

Erst seit ihrem 100. Geburtstag ist die SZ auch per Neurotransmitter in Pillenform verfügbar, erhältlich in 256 attraktiven Geschmacksrichtungen. Bewundern Sie die naturgetreue Reproduktion der Jubiläumsausgabe zum 40. Geburtstag und das Wichtigste der folgenden vier Jahrzehnte aus dem Landkreis Ebersberg.

Dauerthema der vergangenen Jahre war und ist der anhaltende Protest von Naturschützern gegen den geplanten Abriss des Windparks im Forst. Nachdem mittlerweile fast jeder Haushalt per Fusionsgenerator seine Energie aus Hausmüll decken kann, waren die 25 Rotoren immer unwirtschaftlicher geworden. Bereits 2053 hatten die Betreiber den Abriss beantragt, und zunächst auch genehmigt bekommen.

Allerdings haben Naturschutzverbände bisher durch zahlreiche Klagen an den Verwaltungsgerichten die Umsetzung verhindert. Ihr Argument lautet, nur die Rotoren und die damit verbundenen Abstandsflächen zur Wohnbebauung könnten den Forst vor weiteren Begehrlichkeiten schützen. Bereits heute, so ergab etwa eine Untersuchung des Landesbundes für Vogelschutz, kämen seltene Tierarten, wie etwa der Emu, das Aguti oder der Waschbär nur noch in den weitgehend unbebauten Gebieten rund um die Windräder vor.

250 Meter hohe Türme bieten Platz für eine halbe Million Zuzügler im Ort Neuparsdorf

Wenig Verständnis hat man für die Umweltschützer dagegen in den drei zusammengelegten Forstgemeinden. In Hohenberg, Forstlinden und Eberinning sieht man sich durch das Festhalten an der Windkraft in der Entwicklung empfindlich eingeschränkt. Die drei Kommunen verweisen darauf, dass sie bereits vor Jahren, als sich der Abriss der Windräder abzeichnete, Pläne für eine Erweiterung gemacht hatten. Auch in Zorneding, Kirchseeon und Anzing ist man mehr als verärgert, dort verstauben seit Jahren die Pläne für die Gründung weiterer Teilgemeinden im Forst in der Schublade.

Auch in Poing versucht man, der Wohnungsnot im Landkreis etwas entgegenzusetzen, hier wird bereits eifrig am Wohngebiet W XXIII gebaut. In achtzehn Metern Tiefe werden Wohnungen für insgesamt 10 000 Neubürger entstehen, die Bevölkerung Poings könnte dadurch um rund drei Prozent wachsen. Im nächsten Schritt soll dann die zweite Wohnebene darunter bebaut werden. Damit hofft man in der Wachstumsgemeinde endlich den großen Nachbarn Vaterstetten auszustechen.

Was aber nicht ganz leicht wird. Denn seit durch die flächendeckende Verbreitung von 3D-Druckern kaum noch produzierendes Gewerbe oder Märkte und Geschäfte nötig sind, fand man in Vaterstetten eine neue Verwendung für das Parsdorfer Gewerbegebiet. Mehrere 250 Meter hohe Acro-Wohnhäuser bieten Platz und Wohnkomfort für über eine halbe Million Neuparsdorfer - wie die Gemeinde wegen der Bevölkerungsverteilung seit Mitte der 2030er Jahre heißt.

Per Bürgerentscheid wird der in München geplante Konzertsaal in das Dörfchen Moosach verleg

Doch nicht nur die Bevölkerungszahlen, auch das kulturelle Angebot im Landkreis erlebt einen Aufschwung. Nach dem Münchner Bürgerentscheid von 2034, wonach Abendveranstaltungen jeglicher Art aus Rücksicht auf ruhebedürftige Anwohner zu unterbleiben haben, weichen die Veranstalter vermehrt auf Landkreise im Umland aus. Glück etwa für Vaterstetten, die Gemeinde bekommt endlich ihr lange erwartetes Kino.

Zwar mit mehr als vier Jahrzehnten Verzögerung, aber das Warten hat sich gelohnt. Auf der Wiese neben dem Rathaus wird 2036 ein siebenstöckiges 4D-Holo-Kino eröffnet, das sich bald zum Anziehungspunkt für Cineasten aus der ganzen Region entwickelt und seit 2043 sogar die international renommierten Neuparsdorfer Filmfestspiele beherbergt. Die Gemeinde Moosach, seit jeher der Brennpunkt der Hochkultur im Landkreis, kann sich von 2035 an über noch mehr Kultur freuen. Denn der Münchner Bürgerentscheid bedeutet auch das Ende der ehrgeizigen Konzertsaal-Pläne.

Der seit kurzer Zeit im Bau befindliche Saal am Ostbahnhof wird noch während der Konstruktionsarbeiten in ein Bürogebäude mit Seniorenwohnungen umfunktioniert. Die Originalpläne werden daraufhin in Moosach in Rekordzeit umgesetzt. Von 2037 an ist die Gemeinde der Ort für Klassik von Rang - kleiner Wermutstropfen bleibt lediglich, dass die Staatsoper trotz intensiven Werbens der Moosacher letztlich nach Gröbenzell umgezogen ist.

Den Zuschlag für den Konzertsaal bekam die Gemeinde auch wegen ihrer hervorragenden Anbindung. Diese war möglich geworden durch den Austritt der Landkreise aus dem MVV im Jahr 2031. Ausgelöst wurde dieser Schritt zum einen, als sich nach Fertigstellung der dritten S-Bahn-Röhre immer noch keine nennenswerte Verbesserung einstellen wollte. Zudem kam der Ausbau des S-Bahn-Netzes nicht voran: Einen viergleisigen Ausbau Richtung Markt Schwaben oder das zweite Gleis ab Grafing-Bahnhof hält die Bahn einfach nicht für machbar.

In der Folge treten die Landkreise um München geschlossen der Münchner Verkehrsgesellschaft bei, in den kommenden Jahren wird die U-Bahn massiv erweitert. Von 2035 an erreicht man von Moosach aus den Marienplatz in München im Zehn-Minuten-Takt, den in Ebersberg sogar alle zwei Minuten.

Der US-Drohnenflughafen kommt nach Aßling

Der soll im übrigen bald in neuem Glanz erstrahlen. Die Stadt Ebersberg hat 2055 Pläne für eine Verschönerung des Areals zwischen Rathaus und Schloss vorgestellt. Doch die Umsetzung stockt. Zwar fahren nach Inbetriebnahme des Trans-Forst-Tunnels zwischen Gsprait und Neupullach endlich kaum noch Autos durch die Ebersberger Innenstadt, umgebaut darf diese trotzdem bis auf weiteres nicht werden. Denn das Denkmalamt hat Einspruch eingelegt gegen die Zerstörung eines "einzigartigen urbanen Verkehrsensembles". Ebenfalls noch ungeklärt bleibt, ob und wie die Mariensäule fachgerecht saniert werden kann, ohne zu sehr in die geschützte Bausubstanz einzugreifen.

Weitgehend abgeschlossen ist dagegen bereits Ende der 2040er Jahre der dreistöckige Ausbau der B 304 zwischen Haar und Wasserburg. Lediglich südlich der Kreisstadt gibt es noch Verzögerungen, da bereits die bestehende zweistöckige Südumgehung zu schwer für den nachgiebigen Boden im Laufinger Moos ist. Zunächst hatten die Planer eine Brücke zwischen Reitgesing und Langwied vorgesehen. Aus Rücksicht auf das Landschaftsschutzgebiet Egglburger See entschied man sich aber 2046 für einen Tunnel. Die etwas höheren Kosten seien verschmerzbar, so die einhellige Meinung des Stadtrates. Schließlich ziehe das Naherholungsgebiet Seenkette mit seinen charakteristischen Palmenhainen jedes Jahr Tausende Touristen an, und sei damit ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.

Wesentlich mehr Glück mit ihrem Innenstadtausbau haben dagegen die Nachbarn in Grafing. Wenige Jahre nach der Fertigstellung der Ostumfahrung bekommt das gesamte Zentrum der Stadt auf Anregung eines Bürgers eine zweite Etage. Der auf Stelzen ruhende Stadtteil namens Urtelberg gilt schon bald als Top-Adresse, die besonders mit phänomenalem Alpenblick aufwarten kann. Bei klarer Sicht kann man sogar bis zum US-Drohnenflughafen nach Aßling sehen. Für SZ-Abonnenten ein besonderes Vergnügen, schließlich wird von dort die gesamte Region mit den praktischen und wohlschmeckenden Zeitungspillen beliefert - die nur zum Jubiläum in der neuen und limitierten Geschmacksrichtung Champagner erhältlich sind. Ein Prosit auf 80 tolle Jahre.

Lesen Sie weitere Texte der Jubiläumsausgabe der Süddeutschen Zeitung "40 Jahre SZ Ebersberg" - in der digitalen oder gedruckten Ausgabe der SZ am Wochenende.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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