Bauprojekt:So wohnt man im Überschwemmungsgebiet

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Sie haben sich ihr Paradies mitten im Überschwemmungsgebiet gebaut. Doch dank ausgeklügelter Konstruktionen muss die Familie keine Angst vor Überflutungen haben.

Von Anja Blum, Glonn

Ein beeindruckendes Beispiel für eine hochwassersensible Bauweise kann man in der Gemeinde Glonn im Süden des Landkreises Ebersberg bewundern. Dort haben Jürgen Hollinger und Anette Schreiber ein Holzhaus auf niedrigen Stelzen gebaut - direkt neben einem Bach, im Überschwemmungsgebiet der Glonn. Nicht zuletzt wegen ihr stand bei einem heftigen Hochwasser 2002 das ganze Ortszentrum unter Wasser. Es floss so reißend durch die Gebäude, dass sogar massive Metalltüren gesprengt wurden. Hunderte Menschen mussten ihre Häuser verlassen, es wurde der Katastrophenfall ausgerufen.

Jürgen Hollinger aber hat keine Angst vor dem Wasser, auch wenn erst vor ein paar Tagen der Steg an seinem Teich wieder einmal überflutet war. Ganz im Gegenteil. Der 51-Jährige ist stolz auf das Domizil, das er und seine Lebensgefährtin Anette Schreiber geschaffen haben "Es ist einfach fantastisch hier", sagt der Bauherr, "wir leben mitten im Ort und doch in der freien Natur."

Von der Terrasse aus blickt man aufs glitzernde Wasser, auf Blumen, Schilf. Im Hintergrund riesige Eichen. Ein Bächlein plätschert durchs Gras, ein Steg lädt zum Sonnenbad ein. Lange schon hätten sie davon geträumt, hier ein Haus zu errichten. Doch Vieles sprach dagegen: Der Untergrund bestand aus Sumpf und Torf, noch heute steht das Gelände unter Wasser, wenn die Glonn über die Ufer tritt. Nur einen Stadl hatte man hier bislang gebaut. Doch irgendwann hörten Hollinger und Schreiber von der Möglichkeit, ein Haus auf Stelzen zu bauen - und packten es an.

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Seit zwei Jahren bewohnt das Paar nun ein Passivhaus aus Holz, dessen Erdgeschoss etwa 1,80 Meter über dem Boden liegt. "Das ist knapp über dem Pegel eines hundertjährlichen Hochwassers", erklärt Hollinger. Darunter befindet sich ein Fundament aus Betonstreifen, getragen von acht Säulen, die zehn Meter tief ins Erdreich ragen.

Dazwischen kann das Wasser, sollte es steigen, ungehindert über ein Kiesbett fließen. Ein Gitter verhindert lediglich, dass sich größere Tiere unterm Haus einnisten. Außerdem ging dem Bau ein breit angelegter Bodenaustausch voran: Um das Gelände nutzbar zu machen, wurden Tonnen von Torf weggeschafft und "etwa 300 Fuhren Kies" aufgeschüttet - ein großer Aufwand mit enormen Kosten.

Die zweite Besonderheit des Anwesens ist ein 200 Quadratmeter großer und bis zu zwei Meter tiefer Teich, der von allerlei Pflanzen be- und umwachsen ist. "Eine der Auflagen war, dass wir ein Auffangbecken für das Wasser schaffen - da lag es nahe, daraus gleich ein Biotop zu machen", sagt Hollinger. Nun tummeln sich hier Moderlieschen, Frösche, Fledermäuse, Libellen, Enten und allerlei andere Tiere.

"Sogar einen Eisvogel haben wir", freut sich der Hobbygärtner, der selbst gerne in dem Grundwasserteich schwimmt. Über ein Rohr ist dieser mit der Glonn verbunden, so dass beide Gewässer stets den gleichen Pegel haben. Schwillt der Bach an, tut es auch der Teich. Bei Hochwasser wird daraus eine einzige Fläche, über der das Haus zu schweben scheint. Hoffentlich.

Für das Bauvorhaben eine Genehmigung zu bekommen, war laut Hollinger kein Problem. "Die Behörden waren von unseren Plänen ganz begeistert" - sowohl was den Hochwasser- als auch den Naturschutz angehe. Das bestätigt Christine Huber, Leiterin des Sachgebiets Wasserrecht am Landratsamt: "Bei Häusern auf Stelzen gibt es kaum Verdrängungseffekte, aber solche Bauten sind bislang leider die absolute Ausnahme." Auch eine Elementarversicherung, die Hochwasserschäden mit abdeckt, habe er problemlos abschließen können, sagt Hollinger.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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