Amtsgericht Ebersberg:Unfall ohne Fahrer

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Ein Transporter kracht in ein geparktes Fahrzeug. Bleibt die Frage, wer eigentlich am Steuer saß

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Dass der rote Transporter mit ordentlicher Wucht in den weißen Transporter gekracht war, daran gab es wenig Zweifel. Allein der entstandene Schaden von knapp 10 000 Euro spricht für sich. Die Frage, die es nun am Dienstagvormittag in einem Prozess vor dem Ebersberger Amtsgericht zu klären galt, lautete daher: Wer saß am Steuer des Fahrzeugs, das Mitte November vergangenen Jahres im westlichen Landkreis mit dem anderen geparkten Wagen zusammengestoßen ist? Im Verdacht stand ein 69-jähriger Rentner aus dem Landkreis München, der vor Gericht jedoch seine Unschuld beteuerte.

Die Staatsanwältin unterstellte ihm in der Anklageschrift jedoch das glatte Gegenteil: Demnach sei der Mann, der im Nebenjob als Fahrer bei einem Beförderungsservice arbeitet, beim Ausparken in das andere Fahrzeug gekracht. Den Unfall habe er damals sehr wohl bemerkt, sich aber nicht weiter darum gekümmert und sei einfach weitergefahren. Dabei habe er einen "nicht völlig unbedeutenden Fremdschaden" verursacht, so die Juristin - was angesichts der Tatsache, dass das Auto auf der linken Seite komplett demoliert war, eine recht wohlwollende Umschreibung war. Die nötigen Reparaturkosten, um den Wagen wieder auf Vordermann zu bringen, bezifferte ein Gutachter später immerhin mit mehr als 11 000 Euro. Der 69-Jährige musste sich deshalb wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verantworten.

Einem Unfallort jedoch, an dem er nie gewesen ist, wie der Mann zunächst über seinen Verteidiger mitteilen ließ. "Mein Mandant bestreitet, dass er gefahren ist", sagte der Rechtsanwalt. Auch der Tourenplan spreche gegen seinen Mandanten als Täter, denn entsprechend der dort verzeichneten Route hätte der Angeklagte zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht an der Unfallstelle sein können. "Die Zeitangaben passen hinten und vorne nicht mit dem Tourenplan zusammen", argumentierte der Verteidiger.

Dem allerdings hielt Richterin Vera Hörauf entgegen, dass das demolierte und von der Polizei begutachtete Fahrzeug explizit dem Angeklagten zugeteilt war und hier "sehr krasse Schäden" vorlägen. Diese müssten ja schließlich irgendwo herkommen. Zumindest für sein Fahrzeug lieferte die Rentner dazu einen Erklärungsversuch: Den Kratzer, der auf den Polizeifotos zu sehen sei, hätten die Beamten selbst in das Auto geritzt, als sie eine Lackprobe entnommen haben. Ansonsten seien an dem Wagen keine Schäden feststellbar gewesen - eine Behauptung, die sich durch das Bildmaterial allerdings widerlegen ließ. Denn dort war zu erkennen, dass auch die hintere Stoßstange gebrochen war.

Für den Sachverständigen stand deshalb außer Frage, dass die Schäden an den beiden Autos zusammengehören. "Das passt optimal", sagte er vor Gericht. Wer jedoch tatsächlich gefahren ist, konnte auch das Gutachten nicht klären. Fest stehe nur, dass der Fahrer den Unfall hätte bemerken müssen. Der Aufprall sei für die Person am Steuer zu sehen, zu hören und auch zu spüren gewesen, so der Sachverständige, der jedoch nicht gänzlich ausschließen konnte, dass ein anderer roter Transporter der betreffenden Firma den Schaden verursacht habe. Dieser müsste dann entsprechend ähnliche Demolierungen aufweisen.

Was Richterin Hörauf sowie die Staatsanwältin für eher unwahrscheinlich hielten, nutzte hingegen der Verteidiger, um Zweifel an der Schuld seines Mandanten zu streuen. "Es kann viel sein, aber man muss letztlich den Tatnachweis führen", sagte er. "Und das werden wir nicht schaffen." Zumal keiner der geladenen Zeugen etwas zum Tathergang beitragen konnte. Der Geschädigte sagte zwar, er sei geschockt gewesen, als er den Schaden bemerkt habe, den Zusammenstoß habe er jedoch nicht beobachtet. Erst als er einige Tage später wieder zum Unfallort zurückgekehrt sei, habe er einen roten Transporter gesehen, der auf seiner üblichen Route unterwegs war. So war der Verdacht auf die Beförderungsfirma und schließlich auf den Angeklagten gefallen.

Dessen Schuld sich aber auch nach der Vernehmung von weiteren Zeugen - Mitarbeitern der Firma sowie eines Polizeibeamten - nicht beweisen ließ. Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger einigten sich deshalb darauf, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage vorerst einzustellen. So muss der Mann nun 1200 Euro an die Kreisverkehrswacht Ebersberg überweisen, bekommt dafür aber seinen Führerschein wieder, den er als Folge des Unfalls hatte abgeben müssen.

© SZ vom 08.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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