Amtsgericht Ebersberg:Aus Mangel an Beweisen

Lesezeit: 2 min

Prozess über Vergewaltigung bei Stadthallen-Party erneut vertagt

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Das Mädchen sitzt auf einem roten Sessel, neben ihr steht eine Packung mit Taschentüchern, im Hintergrund ist ein Stofftier zu erkennen. Mit brüchiger Stimme und zitternden Händen erzählt die Schülerin in einem Video, was in jener Nacht Anfang März 2019 geschehen sein soll. Als sie zu dem Teil mit der angeblichen Vergewaltigung kommt, bricht sie in Tränen aus. Die Aufzeichnung muss vorübergehend unterbrochen werden.

Ebenfalls rund zwei Wochen pausiert hat der gesamte Prozess vor dem Ebersberger Amtsgericht gegen einen heute 20-Jährigen, dem vorgeworfen wird, sich bei einer Faschingsfeier in der Grafinger Stadthalle mehrmals an dem damals 15-jährigen Mädchen sexuell vergangen zu haben. Der Angeklagte selbst bestritt am ersten Verhandlungstag Anfang März alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Laut Anklage soll der junge Mann aus dem östlichen Landkreis Ebersberg sein vermeintliches Opfer zunächst hinter die Stadthalle gezerrt und dort zum Oralverkehr gezwungen haben. Später am Abend soll er das Mädchen auf einen nahegelegen Platz verschleppt, auf einen Steinhaufen gestoßen und dort vergewaltigt haben. Direkte Zeugen für die mögliche Tat gibt es allerdings keine, es steht Aussage gegen Aussage. Auch deshalb endete der erste Verhandlungstag ohne Urteil.

Ein solches gibt es nun auch bei der Fortsetzung des Prozesses am Dienstagvormittag noch nicht, denn auch die per Video abgespielte Vernehmung der heute 17-Jährigen bringt keine wirklich neuen Erkenntnisse. In der rund 45 Minuten langen Aufzeichnung, die per Beamer auf eine Leinwand im Sitzungssaal übertragen wird, spricht das Mädchen über ihre Erinnerungen an die Faschingsfeier. Der Angeklagte, ein Bekannter ihrer älteren Schwester, habe sie an der Hand gepackt und hinter die Stadthalle gezogen. Dort habe er ein Foto von ihrem unbekleideten Oberkörper gemacht, ehe er sie sexuell missbraucht habe. Das Foto habe der Angeklagte als Drohmittel verwendet, falls sie jemanden von dem Vorfall erzähle. "Ich hab' total Angst gehabt", sagt die 17-Jährige. Später am Abend habe sie sich dann übergeben müssen, "nicht weil mir wirklich schlecht war, sondern weil ich das einfach eklig gefunden habe". Dennoch habe sie etwa eine Stunde nach dem Vorfall nochmals das Gespräch mit dem Mann gesucht, aus Angst, er würde sich nicht an die Abmachung halten. Dabei habe er sie immer wieder begrapscht und schließlich vergewaltigt. Sie habe versucht, ihn wegzudrücken, "aber irgendwann bin ich einfach nur noch dagelegen und hab' nichts mehr gemacht".

Ob das alles tatsächlich so passiert ist, steht allerdings nach wie vor nicht fest. Was er denn zu dem Video sage, will Richter Markus Nikol vom Angeklagten wissen. Dessen Antwort: "nichts." Er könne sich nicht erklären, wie die 17-Jährige auf diese Anschuldigungen komme. Nach einvernehmlichem Schmusen, wie es der 20-Jährige selbst am ersten Verhandlungstag behauptet hatte, höre sich die Einlassung des Mädchens jedenfalls nicht an, stellt dagegen Richter Nikol klar.

Ansonsten ist die Beweislage gegen den Angeklagten bisher aber eher dünn. An der Strumpfhose, die das Mädchen am dem Abend getragen hatte und die während der Verhandlung in Augenschein genommen wird, sind keine Beschädigungen oder größere Verschmutzungen zu erkennen. Die Mutter des 20-Jährigen kann ebenfalls wenig zur Aufklärung beitragen. Ihr Sohn sei an dem Abend stark betrunken gewesen und habe sich kaum mehr auf den Beinen halten können, als sie ihn in Grafing abgeholt habe. Von der angeblichen Vergewaltigung habe sie erst Wochen später erfahren, sie sei deshalb fix und fertig gewesen. "Ich denke aber, dass er nie was machen würde, was ein anderer nicht will", sagt die Frau am Dienstag im Zeugenstand.

Ob dem tatsächlich so ist, soll nun ein weiterer Verhandlungstag Mitte April klären. Dann wird die vermeintlich Geschädigte tatsächlich selbst vor Gericht aussagen müssen. Laut Verteidiger gebe es nämlich durchaus Diskrepanzen zwischen ihrer richterlichen Vernehmung und den Aussagen bei der Polizei. Auch diese beiden Vernehmungsprotokolle sollen dann im April verlesen werden.

© SZ vom 24.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: