Alter Speicher:"Ein Traum, Wahnsinn!"

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Bei der ersten Live-Veranstaltung seit Monaten sorgen "LaLeLu" im Ebersberger Alten Speicher für lautstarke Begeisterung und Emotionen

Von Michaela Pelz

Irgendwas ist anders an diesem Morgen. Liegt es etwa daran, dass ab sofort wieder testfreier Freibadbesuch möglich ist? Nein, was einen schon beim Aufstehen elektrisch werden lässt, ist die Aussicht auf den bevorstehenden Kulturgenuss im Alten Speicher, beim Programm "Die Schönen und das Biest" vom Acappella Comedy-Quartett LaLeLu. Dabei weiß man da noch gar nicht, dass man rund 14 Stunden später mit mehr als 150 wild tanzenden, begeistert klatschenden und völlig entfesselten Zuschauerinnen und Zuschauern aus vollem Hals "I'm still standing" brüllen und dabei eine Träne im Augenwinkel haben wird - sicher nicht als einzige Person im Saal.

Direkt nach dem Aufwachen dominiert zunächst also die Vorfreude auf vier Vollprofis, deren mittlerweile fast 100 Folgen umfassender Videopodcast "Kratzen im Hals" seit März 2020 nachdrücklich bezeugt, dass Tobias Hanf (Bass, Parodist), Jan Melzer (Tenor), Sanna Nyman (Mezzosopran) und Frank Valet (Bariton) während der Pandemie nichts verlernt haben. Auch die Band selbst, so Valet am Telefon, fiebert dem Moment entgegen, erneut dieses ganz besondere Tourgefühl zu erleben, vor allem aber endlich wieder persönlich die Fans zu treffen, von denen sie in der schwierigen Zeit mit Kommentaren, Mails und bei Online-Konzerten sogar teilweise Spenden unterstützt wurde. Zehn Mal haben die Mitglieder von LaLeLu nur für die Kameras gespielt - nun stehen sie endlich wieder vor "echten Menschen".

Auch für das Team des Alten Kinos ist das "ein Traum, Wahnsinn!", wie Chef Markus Bachmeier bei seiner Begrüßung sagt, der man anmerkt, welche Bedeutung die Wiederaufnahme des Publikumsbetriebs nach sieben langen Monaten für alle hat, die nun dabei sind; Akteure wie Gäste. Manche, wie Alex Nadler aus Antholing, der endlich seine drei Geschwister nebst Partner wiedersieht (natürlich an getrennten Tischen), erleben gar eine Familienzusammenführung.

Die Show des Acappella Comedy-Quartetts "LaLeLu" war für Zuschauer vor Ort möglich, wurde aber trotzdem auch als Livestream angeboten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch auch unter denen, die nicht miteinander verwandt sind, herrscht von Anfang an große Wiedersehensfreude und allerbeste Stimmung, die sich noch steigert, als die Hamburger Truppe mit ihrer Interpretation von "Uptown Funk", stilecht sonnenbebrillt, wie ein Naturereignis auf der Bühne auftaucht. Kaum zu glauben, dass Jan Melzer beim zwanglosen Interview mit Violetta Ditterich vor der Show noch von "richtigem Lampenfieber" gesprochen hat. Hörbar war der Mini-Talk allerdings nur im Livestream. Den soll es, so die Moderatorin, auch künftig geben; für all jene, die aus diversen Gründen gerade das Haus nicht verlassen können. Oder sich aktuell nicht im Landkreis befinden, so wie die diesmal von Lübeck bis zum Schwarzwald zugeschalteten LaLeLu-Aficionados.

Gut möglich, dass auch sie, wie die Menschen vor Ort, kurz vor dem Ausrasten stehen, als Melzer in Glitzerhemd und Schlaghose plus rot gefüttertem Superman-Cape gekonnt den Elvis gibt. Sein "Love me Tinder" ist exemplarisch für das übergreifende Thema "Liebe" in all seinen Facetten, vom förmlich die Raumtemperatur steigernden "Hot Stuff" bis "Es war Sommer", das, so scheint es, bei einigen Erinnerungen wach werden lässt. Zwar hat man hie und da tief in die Siebziger-Jahre-Altherrenwitzkiste gegriffen, was die Jüngeren im Publikum nicht ganz so goutieren und auch bei seinen Parodien sollte der begnadete Bass Tobi Hanf über eine Aktualisierung nachdenken (auch Jogi-Löw wird demnächst, ähnlich wie Stoiber, wohl nur noch Eingeweihte erheitern), doch wird das leicht wettgemacht durch die zahlreichen anderen Stücke, bei denen sich Wortwitz und Tagesaktualität so wunderbar ergänzen wie die Harmonien der kunstvollen Arrangements, ganz zu schweigen von den perfekt synchronen Tanzeinlagen. Für Klangerlebnisse der besonderen Art sorgen Stücke wie "Umbala", "Ondeia" (mit einer beeindruckenden Nyman) oder das von Hanf stammende "Isländisch Moos". Sie sind nicht nur gelungener Beweis für die Fähigkeiten der vier studierten Instrumentalisten, sondern laden auch dazu ein, sich ohne Ablenkung komplett in die Musik hineinfallen zu lassen.

Absolutes Kontrastprogramm, aber sicher einer der Höhepunkte der Veranstaltung ist die, von sämiger Sprecherstimme eingeleitete "Bierkönig-Oper", wo sich Melodien aus Werken wie Don Giovanni, Zauberflöte oder Carmina Burana kontrapunktisch vereinen mit Texten des Ballermann-Poeten Mickie Krause. Wenn Valet zum Sound von "La donna è mobile" schmettert: "Mallorca ist nur einmal im Jahr!", bebt der ganze Saal und hinter den Masken gluckst, kichert und lacht es laut.

Nach Monaten des Wartens war es endlich soweit: Bei der Show im Ebersberger Alten Speicher durften wieder Zuschauer vor Ort sein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ähnlichen Effekt ruft auch das "Kratzen im Hals"-Coronamedley hervor, eine Art Chronologie der Ereignisse von Pandemie-Beschäftigungen ("denn wenn er joggt, ist er woanders"), über "Quarantäne-Träume" (inspiriert von den Mamas & Papas) bis zu Verschwörungstheorien (angelehnt an "Da da da" von Trio) gekrönt von der eingangs erwähnten Gänsehaut-Durchhalteparole "I'm still standing", bei man den Eindruck hat, es seien sämtliche früher erlaubten 550 Besucher da statt der tatsächlichen etwa 160.

Als man einige Stunden später, noch immer mit Glücksgrinsen, in die Kissen sinkt, hat sich tatsächlich etwas verändert. Denn zusammen mit der Rückkehr zur Normalität in ihrer schönsten Form (wen kümmert da das FFP2-Ge- und das Getränke-Verbot?!) ist da auch ein neues Bewusstsein für das Geschenk, Live-Veranstaltung in Gemeinschaft genießen zu können.

© SZ vom 31.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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