Asyl im Landkreis Ebersberg:Grundsätzlich aufnahmebereit

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Geflüchtete im Landratsamt im Jahr 2016. Wie sich die Situation jetzt entwickelt, ist völlig unklar. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Welche Folgen die Entwicklungen in Afghanistan für den Landkreis haben, lässt sich schwer prognostizieren. Die Stadt Grafing, Mitglied im Bündnis "Seebrücke - sichere Häfen", sendet aber schon mal ein Signal

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Chaos, Gewalt, Hoffnungslosigkeit: Die Bilder aus Afghanistan bewegen momentan die ganze Welt. In besonderem Maße aber natürlich diejenigen, die um Familie oder Freunde dort bangen müssen. 350 Menschen aus Afghanistan leben momentan im Landkreis, drei von ihnen durften bis vor kurzem hoffen, dass ihre Familien bald zu ihnen und in Sicherheit kommen. Nach der Übernahme der Macht durch die Taliban allerdings ist die Lage für sie wieder völlig ungeklärt.

Ob Geflüchtete ihre Angehörigen nach Deutschland holen können, ist völlig unklar

Wie Landratsamts-Sprecherin Evelyn Schwaiger mitteilt, hatten drei Ehefrauen von bereits hier lebenden Afghanen einen Antrag auf Familiennachzug gestellt. Eine der Frauen hat drei Kinder. "Die Visaanträge wurden bei der deutschen Botschaft in Kabul gestellt. Diese Behörde wurde evakuiert. Derzeit liegen keine Informationen des Auswärtigen Amtes darüber vor, welche Auslandsvertretung nun für diese Fälle zuständig ist, um das Einreisevisum zu erteilen, sofern die Voraussetzungen für den Familiennachzug erfüllt sind", heißt es aus dem Landratsamt. Voraussetzung für einen Familiennachzug ist eine Aufenthaltserlaubnis des hier lebenden Familienangehörigen. Seit 1. Januar 2012 sind nach Angaben des Landratsamts 48 afghanische Staatsangehörige im Rahmen des Familiennachzugs eingereist.

Doch auch sonst lässt sich nur schwer prognostizieren, welche Folgen die Entwicklungen in Afghanistan für den Landkreis Ebersberg haben werden. Ob sich eine neue Fluchtbewegung entwickelt, ob die Menschen, die den Taliban entfliehen wollen, überhaupt jemals aus dem Land kommen - das alles ist unklar. Dementsprechend gibt es auch keine Prognosen aus der Kreisbehörde, ob auch der Landkreis wieder mehr Geflüchteten Schutz bieten soll, und wo das geschehen könnte.

Die Linke weist auf die guten Erfahrungen aus dem Jahr 2015 hin

Die Linke hat jedenfalls bereits gefordert, dass sich der Kreis aufnahmebereit zeigen soll. "Wir brauchen ein neues 2015", heißt es in einer Pressemitteilung des Kreisverbands in Anspielung auf eine gegenteilige Aussage von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. In der Pressemitteilung teilen die Linken auch gegen Vertreter anderer Parteien kräftig aus: "Der Tonfall der konservativen Parteien ist unerträglich. Überrollt von den Ereignissen in Afghanistan spielen sie auf den gleichen Instrumenten, die rechte Gruppierungen mit ihren unappetitlich menschenverachtenden und fremdenfeindlichen Parolen bereits beschmutzt haben."

Die Grafinger Linken-Stadträtin Lena Huppertz erinnert in der Pressemitteilung daran, dass 2015 "eine Welle großer Hilfsbereitschaft und Solidarität" durch das Land gegangen sei. Auch im Landkreis Ebersberg hätten sich viele Menschen zusammengefunden, die sich um die Geflüchteten gekümmert hätten, "die nun endlich einen Platz zum Leben in Freiheit, Demokratie und ohne Angst vor Verfolgung und Tod gefunden hatten". Vorstandsmitglied Thomas Schmidt-Behounek verweist darauf, dass mittlerweile aus den Zuwanderern Freundinnen und Freunde und Nachbarn geworden seien, "die regelmäßig zur Arbeit gehen, Steuern zahlen und unsere Gesellschaft bereichert haben".

Grafing will helfen - im Rahmen der Möglichkeiten

Die grundsätzliche Bereitschaft, erneut mitzuhelfen und gegebenenfalls Menschen aus Afghanistan aufzunehmen, signalisiert der Grafinger Bürgermeister Christian Bauer (CSU). Grafing ist die erste und bisher einzige Stadt oder Gemeinde im Landkreis, die sich dem Bündnis "Seebrücke - sichere Häfen" angeschlossen hat. "Wir haben uns dazu bekannt und stehen dazu - im Rahmen unserer Möglichkeiten", unterstreicht Bauer. Auch andere Städte in Bayern, die dem Bündnis angehören, etwa München, Nürnberg und Erlangen, haben bereits angekündigt, afghanische Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. In Grafing, sagt der Bürgermeister, wäre man im Fall der Fälle bei der Aufnahme und Betreuung aber auch auf die Mithilfe der Bürgerinnen und Bürger angewiesen, denn der Wohnraum sei knapp, "das ist unser Problem", so Bauer.

Ob nun aber tatsächlich Geflüchtete nach Grafing kommen, wird sich erst noch zeigen. Denn die Zuweisung erfolgt eigentlich nach einem klar definierten System anhand des Königsteiner Schlüssels an die Landkreise. Der allerdings zeigt, dass der Landkreis Ebersberg grundsätzlich noch in der Bringschuld ist: Zum Stand 30. Juli hat der Landkreis die Quote nur zu 63,08 Prozent erfüllt.

© SZ vom 25.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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