Verkehr in München:Die Tram ist nun durchdigitalisiert

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Statt langatmigen Erläuterungen gibt es nur noch Elektrogedudel mit knapper Ortsangabe. (Foto: Stephan Rumpf)

Digitale Durchsagen ersetzen die mal grantigen, mal lustigen Schaffner-Kommentare. Irgendetwas fehlt.

Kolumne von Thomas Anlauf

Jetzt ist es so weit, wir sind durchdigitalisiert. Auch in der Tram, dem münchnerischsten aller Vehikel. Seit einigen Tagen gibt es bei Tram, Bus und U-Bahn statt eines gut gelaunten Spruchs des Fahrers oder wenigstens den Spruch vom Band, dass es sich beim nächsten Stopp tatsächlich um eine Haltestelle und nicht um einen Stau im Tunnel oder auf der Straße handelt, nur noch ein digitales "Palim" und den Namen der Station. Das ist schade. Einst hat Weiß Ferdl das Leben in einer Münchner Tram mit dem Wagen von der Linie 8 - "in die Mitte gehen!" - besungen. Weiß-blau fuhr er ratternd durch die Stadt ("noch jemand ohne?"). Das ist jetzt alles endgültig vorbei, Schluss mit Nostalgie. Versteht ja auch kein Tourist, wenn beim Weiß Ferdl der Fahrer grantelt: "Leid, lasst's doch d' Leid naus!"

Die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG hat sich ehrlich Mühe gegeben, ihre Ansage hochmodern zu gestalten. Dabei ist nun Großes herausgekommen. Statt der langatmigen Erläuterung, dass demnächst der Max-Weber-Platz erreicht sein dürfte, wenn das schwindsüchtige Zigarettenbürscherl dort vorn mal die Gleise freimachen würde, zefix, gibt es nur noch das Elektrogedudel mit knapper Ortsangabe. Kurzer, knackiger Jingle, nennt man das bei der MVG. Die Erkenntnis der Tüftler: Der Münchner weiß eh wo er gerade ist, und der Tourist muss nur wissen, wo Marienplatz und Hauptbahnhof sind. Es entstehen so wertvolle Sekunden zwischen den Stationen, in denen nicht irgendwer von der "next station" und dem "exit" erzählt. Wer es bis nach München geschafft hat, ist Globetrotter genug, um auch eine Trambahnfahrt zu überstehen.

Trotzdem fehlt jetzt irgendwas. Ein Spruch wie "Leut, steigt's an allen Türen zu, die meisten gehen sogar auf" oder ein klares "Pack mas wieder" bringt einen zwar noch lang nicht weiter, aber immerhin besser gelaunt in den Tag. Wie aber aus den Katakomben der MVG-Ansage-Tüftler zu hören ist, soll das neue Wortkarg-Textprogramm nur ein Zwischenschritt zur perfekten Kommunikation mit dem Fahrgast sein. Schon bald könnte ein interaktives Programm namens Resi den Passagieren passgenaue Angaben zum Zielort geben. Das könnte dann klingen wie bei Weiß Ferdl: "Ach bitte schön, Herr Schaffner, Max-Weber-Platz?" - "Jetz is de no oiwei da, Mein Gott! I hab's eahna doch zwanzgmoi gsagt: Am Stachus, bei der letzten Station, do hättn's raus müssn!" - "Was? O Gott o Gott! Mich trifft der Schlag!" - "Gut, na bleibn's sitzn bis zum Nordfriedhof."

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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