Dokumentation:Mit dem Rollator zum Holzofen

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Verena Wagner hat gleich für ihren erstaunlich professionellen ersten Dokumentarfilm über ihre Großmutter, "Eine andere Zeit", einen Preis bekommen. (Foto: Ludwig Wagner)

Workshops und ein Wettbewerb für junge Filmemacher

Von Barbara Hordych, München

Die Geschichte der jungen Münchner Wirtschaftsstudentin Verena Wagner mag exemplarisch stehen für das, was passieren kann, wenn man sich zu einem genau beobachtenden Blick auf das echte Leben entschließt. Sie besuchte im vergangenen Jahr einen der eintägigen Workshops, die ergänzend zu dem neu ins Leben gerufenen bayernweiten Dokumentarfilmwettbewerb für Jugendliche und junge Erwachsene in München angeboten wurden. "Sie verfolgen das Ziel, jungen Menschen zu zeigen, wie man im Dokumentarfilm erzählen kann - nämlich nicht nur journalistisch wie in Dokumentationen, sondern künstlerisch und subjektiv", sagt Maya Reichert, die Leiterin von Dok.education, dem Kinder- und Jugendprogramm des Dok.fests München.

Verena Wagner war eine Workshop-Teilnehmerin der ersten Stunde. Inspiriert von dem, was sie in dem Kurs über dokumentarisches Erzählen erfuhr, drehte sie einen Film über ihre 95 Jahre alte Oma, den sie anschließend auch beim Dokumentarfilmwettbewerb einreichte. Sie gewann mit "Eine andere Zeit", so der Titel des Films, den ersten der drei Preise, den die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag ausgelobt hatte. "Sie hat alle Fehler vermieden, die Anfänger normalerweise gerne machen", begründet Maya Reichert die Entscheidung der Jury. Anstatt einen mit Informationen vollgepackten Film zu drehen, in dem sie die Großmutter an einen Tisch setze und anhand von Fotos Lebensstationen erzählen lasse, habe Wagner für ihren Film nur ein Detail herausgegriffen: Sie begleitet den morgendlichen Weg ihrer Oma mit dem Rollator zum alten Holzofen, den sie umständlich anzündet. "Damit zeigt sie, dass sie genau verstanden hat, worauf es in einem Dokumentarfilm ankommt", sagt Reichert. Und ohne es sprachlich ausdrücklich zu thematisieren, werde in dieser fein beobachteten Szenenfolge tatsächlich "eine andere Zeit" erfahrbar gemacht.

Für Verena Wagner gab der Preis jedenfalls den Anstoß, ein Gastjahr an der Hochschule für Fernsehen und Film im Bereich Dokumentarfilmregie zu belegen. "Vor einigen Tagen habe ich sie zufällig im Foyer der HFF getroffen und erfahren, dass sie sich jetzt für ein festes Studium dort bewirbt", sagt Reichert. Sicher wird nicht jeder gleich sein Studienfach wechseln, der an einem der kostenfreien Workshops teilnimmt, die Maya Reichert jetzt erneut im Kontext des Dokumentarfilmwettbewerbs (Einsendeschluss ist der 10. März) in drei bayerischen Städten anbietet. Aber sie dienen als Einführung in die Dramaturgie des dokumentarischen Erzählens für alle diejenigen, die sich filmisch mit einem Stoff aus dem echten Leben beschäftigen wollen.

Teilnehmen können junge Menschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren sowie Lehrkräfte medienpädagogischer Einrichtungen. Die Workshops finden in München (Samstag, 30. Januar, Hochschule für Film und Fernsehen), Nürnberg (Samstag, 6. Februar, Medienzentrum Parabol) und Würzburg (Samstag, 20. Februar, Medienzentrum) statt.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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