Grusel-Musical:Lachen, bis der Doktor kommt

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Das Clownige, die Basis des Humors, beherrschen sie alle: Das English Theatre Frankfurt zeigt "Young Frankenstein". (Foto: Martin Kaufhold)

Das kleine, feine English Theatre Frankfurt bringt Mel Brooks Broadway-Stück "Young Frankenstein" auf die große Bühne des Deutschen Theaters.

Von Michael Zirnstein

Richtig albern laufen lernt man nur bei den Engländern. Nicht umsonst gibt es dort das Ministry of Silly Walks; das Ministerium für blöde Gangarten haben zumindest die Komiker Monty Python mal erfunden. Daran erinnert sich unweigerlich, wer Shaun Chambers als buckligen Butler Igor (man sagt "Eigor"!) in der Grusel-Persiflage "Young Frankenstein" sieht. Das war zwar anfangs, 1974, ein Film eines Amerikaners, nämlich von Mel Brooks, der dann höchstselbst 2007 ein Broadway-Musical draus machte, aber im Humor ist das alles überaus britisch - schwarz wie Tee. Legendär ist dieser eine Satz. Igor bittet Frederick Frankenstein: "Walk this way." Dass die Band Aerosmith ihren berühmtesten Songs nach diesem Gag benannt hat, braucht nicht zu interessieren. Wohl aber die Doppeldeutigkeit. Es könnte heißen: "Gehen Sie diesen Weg." Aber Frankenstein, der Enkel des unseligen Wissenschaft-Promis, versteht: "Gehen Sie auf diese Weise." Igor humpelt also augenrollend und zungenschleckend los, und Frederick versucht auf sehr tollpatschige Art, ihm genau so hinterherzuhumpeln, hin und her über die Bühne. Zum Brüllen, das muss man gesehen haben, denn übersetzen lässt sich so ein Kalauer eh nur schwer.

Und auf die Idee würden die Macher des English Theatre Frankfurt auch nie kommen. Seit 43 Jahren spielen sie das englischsprachige Stück im Original, besetzt nur mit Muttersprachlern. Ein Erfolgsmodell: Jährlich kommen 70000 Besucher in das mit 300 Sitzen recht kuschelige Theater. Nur einmal im Jahr geht man seit The Who's "Tommy" 2012 auf Gastspielreise: nach München, ins Deutsche Theater. Man komme immer mit den Musicals, nicht mit den Theaterstücken, denn wenn es mit dem Übersetzen hapere, könne man sich immer noch an Musik und Tanz erfreuen. Jedenfalls waren Publikum und Crew immer gegenseitig von sich begeistert. Deswegen sprach sich Theatre-Intendant Daniel Nicolai auch Ende Januar heftig gegen die Abberufung seiner Münchner Kollegen, die die Kooperation eingefädelt hatten, aus; mit dem Nachfolger Thomas Linsmayer hat er aber inzwischen auch schon über ein Musical (noch geheim) für 2023 verhandelt.

Richtig albern laufen lernt man nur bei den Engländern. (Foto: Martin Kaufhold)

Jedenfalls: "Die Premiere in München war die beste Nacht meines Lebens", schwärmt Shaun Chambers vom Friseur-Stück "Sweeney Todd" 2019. Als er und die anderen Schauspieler hinter dem Vorhang hervorlurten hätten sie sich gefragt: "Wow, wie werden wir diesen riesigen Saal füllen?" Aber es habe perfekt gepasst, "München ist seitdem meine Lieblingsstadt", sagt Marc Hall, der bei "Young Frankenstein" die musikalische Leitung innehat und auch dabei war damals: "Gerade den Humor kann man auch in größere Dimensionen transportieren."

Marc Hall hat den Humor von Mel Brooks genau untersucht mit seiner sechsköpfigen Band, die das 20-köpfige Ensemble vom Broadway und das zwölf-köpfige von der Neufassung am Londoner Westend spielend ersetzt: wo man mit einer Basslinie das Tänzeln des Ensembles unterstützt oder auf den Kopf stellt, wie man mit opulentem Zwanzigerjahre-Revue-Jazz Glamour in ein modriges Gemäuer bringt, wie man mit Totenstille einen Lacher anfeuert. Alles dient dem Spaß, deswegen schrieb Mel Brooks die Musik wie auch zu seinem noch erfolgreicheren Spät-Musical "The Producers" ("Frühling für Hitler") selbst. Berüchtigt ist der heute 95-jährige New Yorker allerdings für seinen Wortwitz, der bisweilen zum Kopfschütteln platt erscheint. Oft steckt aber mehr dahinter, nämlich Mel Brooks Abrechnung mit einem harten Schicksal, sei es stellvertretend für seine jüdischen Vorfahren aus Kiew und Danzig in seiner Hitler-Parodie, sei es für seine körperlichen Gebrechen (Tuberkulose), den frühen Tod des Vaters oder das Mobbing in der Schule: "Ich habe gelernt, alles in Humor zu kleiden, um meine Probleme zu überspielen - jeder Gag ein Schlag ins Gesicht", sagte er einmal.

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Klar, Mel Brooks ist immer auch sexistisch, aber oft auch gegen die Männer gerichtet

Oder ein - sorry - Tritt in die Eier. Damit geht es ja los bei Frankenstein, der so im Hörsaal am leidenden Beispiel eines Studenten das Wunder der Reflexe und des Gehirns demonstriert. Wie fein dann Keith Ramsey den Wissenschaftler, der das Schloss seines Großvaters in Transsilvanien und dessen Doktorspielezimmer erbt, anlegt, changiert zwischen Charly Chaplin, John Cleese und Roberto Benigni. Das Clownige, die Basis des Humors, beherrschen sie alle, wie kaum ein deutscher Musical-Darsteller: ob der athletisch schlaksige Hüne Nic Cain als Monster; ob Leanna Pinder, die sich als greise Hauswirtschafterin Frau Blucher mit oder ohne Rollator durch die Handlung schleppt und steppt; oder Leah Barbara West, die als rumänische Assistentin Inga dem jungen Doc aus New York bereits bei der Karren-Fahrt zum Schloss verfällt, sich lustvoll jodelnd ("Roll In The Haye") und von billigsten Pferdeattrapen gezogen - hier hat sich Michael Bully Herbig bei seinem Film-Musical "Der Schuh des Manitu" herzhaft bedient. Klar, Mel Brooks ist immer auch sexistisch, aber oft auch gegen die Männer gerichtet, und die übelsten Macho-Gags habe man einfach gekippt, sagt Leanna Pinder: "Da ist vieles problematisch heutzutage. Wir haben geschaut, dass sich jeder wohlfühlt damit. Aber seinen Slapstick, seine Körperlichkeit - davon genieße ich jede Sekunde."

Wer über den Unsinn des Rufs nach politischer Korrektheit mehr erfahren möchte, dem sei das ausgezeichnete Programmheft empfohlen. Darin sind überdies amüsante Berichte über die ethischen Probleme mit der Unsterblichkeit, verrückte Wissenschaftler, die Ursprünge des Frankenstein-Kultes in der Schweiz und im Odenwald und berühmte untote Figuren ("Why can't say stay dead?") der Filmgeschichte zu lesen. Das liest sich etwas wie Englisch-Leistungskurs-Didaktik (tatsächlich gibt es Schulvorstellungen). Immerhin sind einige der wichtigsten Begriffe aus dem Stück in einem "Glossary" erklärt: Das pseudodeutsche Fantasiewort "Schwanzstucker" zum Beispiel verwendet Brooks für das enorm große Genital des Monsters. "Das Stück wendet sich nur an ein Publikum mit Sinn für Humor", wird gewarnt.

Young Frankenstein, Start verschoben wegen Krankheit auf Mi., 27. April, bis 30. April, Mi.-Sa. 19.30 Uhr, So. 14.30 Uhr, Deutsches Theater, Schwanthalerstr. 13, Tickets unter www.deutsches-theater.de

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