Premiere:Die Schönheit des Lebens auskosten

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Psychologische Nuancen herausarbeiten: Angela Brower als Fuchs und Elena Tsallagova als Füchslein Schlaukopf. (Foto: Wilfried Hösl)

Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert eine ihrer Lieblingsopern: Leoš Janàčeks "Das schlaue Füchslein".

Von Klaus Kalchschmid, München

Kaum hat das Gespräch mit Mirga Gražinytė-Tyla am Morgen vor der abendlichen Generalprobe von Leoš Janàčeks "Das schlaue Füchslein" begonnen, wird über Leben und Tod philosophiert: Die junge Dirigentin betont, dass der Förster am Ende der Oper seinen Frieden gefunden und die Vergänglichkeit akzeptiert hat. Zufrieden singt er von "Pilzen, gemalt wie Zinnsoldaten, Köpfchen kastanienbraun wie ein Mädchen" und schläft ein, möglicherweise für immer.

Bereits 2014 hat die heute 35-jährige Dirigentin, seit sechs Jahren Chefdirigentin des City of Birmingham Orchestra, eine Neuproduktion als erste Kapellmeisterin in Bern erarbeitet; allerdings auf Deutsch. Daher hatte sie sich mit dem Werk schon intensiv auseinandergesetzt und weiß: "Die Verklärung am Ende, das Erkennen der Schönheit des Lebens bei aller Traurigkeit ist doch etwas Einzigartiges und Berührendes."

Gražinytė-Tyla, als Kind einer Musikerfamilie in Vilnius (Litauen) aufgewachsen, betont, wie schön es ist, dass man sechs Wochen Zeit hat, von den Proben mit Klavier und den Sängern über die Arbeit mit dem Orchester, den szenischen Proben bis hin zum Zeitpunkt, wo alles auf der Bühne zusammenkommt. "Das 'Füchslein' hat eine eigenartige Struktur. Es gibt sehr wenige Wiederholungen, alles fließt in einer ungeheuren Dichte immer weiter, immer weiter. Unglaublich viel passiert, und zugleich findet man zahlreiche Übergänge." Das erscheine beim ersten Mal Lesen einer einzelnen Orchesterstimme in den seltensten Fällen logisch. "Aber wenn man das sehr genau erarbeitet und die Musiker das verinnerlicht haben, entsteht eine unglaubliche Natürlichkeit."

Regisseur Barrie Kosky und Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla bei der Arbeit. (Foto: Wilfried Hösl)

Das sei, wie wenn man Tschechisch lernt und habe bei den Proben mit Regisseur Barrie Kosky eine große Rolle gespielt. Gražinytė-Tyla ist froh, dass ihr Debüt an der Bayerischen Staatsoper kein "Nachdirigieren", sondern eine Neuproduktion ausgerechnet dieser, einer ihrer absoluten Lieblingsopern war: "Der Hunger auf Leben, egal was es bietet, Angst oder Ärger, Liebe oder Trauer, Glück oder Verzweiflung. Der Drang, das alles auszukosten, führt dazu, wie ich sagte, die Schönheit des Lebens zu erfahren. Der Förster wehrt sich am Ende nicht mehr. Er sieht, müde im Wald liegend, wie das Leben weitergeht, ob in der Nachfahrin 'seiner' Füchsin, die ja im Traum seine Geliebte wurde, oder als junger Frosch."

Die Dirigentin verrät: "In unserer Produktion werden sich die Menschen nicht wie Tiere bewegen. Das hat den Sängerinnen und Sängern eine große Freiheit gegeben und Räume geöffnet für psychologische Nuancen. Jeder Macho-Bursche ist ja wie ein Hahn; da muss er sich nicht wie einer bewegen und aufplustern."

Die erste Probe war der Dialog zwischen Dackel und Füchsin. Er ein einsamer junger Komponist, der melancholisch von sich und seinem Bedürfnis nach Liebe erzählt, sie das quirlige lebensbejahende Wesen: "Wenn sich beide jetzt nicht stereotyp als Tiere bewegen müssen, kann man ihr Verhältnis viel genauer erzählen." Gražinytė-Tyla schwärmt darüber, dass Janáček wie Mozart nicht über seine Figuren urteilt. Das Beglückende sei, "dass wir - und das hat viel mit dem Stück zu tun, in dem es keine Hauptpartien gibt - bei den szenischen Proben zu einem so harmonischen Team wurden, in dem alle auf Augenhöhe miteinander kommunizierten."

Das Tschechische stellt auch vor rhythmische Herausforderungen

Daher wurde "Das schlaue Füchslein" seit der letzten Produktion am Nationaltheater vor zwanzig Jahren in München mehrfach gespielt, 2012 sowohl als Aufführung des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper wie als Co-Produktion von Gärtnerplatztheater und Musikhochschule, zuletzt 2018 konzertant mit dem Symphonieorchester des BR - erstmals in München auf Tschechisch. Das ist auch jetzt die große Herausforderung, denn die Tatsache, dass im Tschechischen die erste Silbe stets betont ist und Vokale mit "čárka" (im Französischen der "accent aigu") nicht akzentuiert, aber extrem lang gesprochen und damit auch so gesungen werden, bedeutet, dass man den notierten Rhythmus anpassen und auch mal eine Synkope einbauen muss.

"Wir hatten am Haus zwei wunderbare Sprach-Coaches. Der eine, ein Mähre wie Janáček, und Susanne Thormann-Metzner ergänzten sich perfekt: Er hat aus dem Bauch heraus korrigiert und uns einfach richtig vorgesprochen; sie, Souffleuse am Haus, hat selbst Gesang und Slawistik studiert. Sie machte die Regeln plausibel und konnte erklären, warum was wie gesungen werden muss. Das war unglaublich wichtig, denn wir haben ja keinen einzigen Muttersprachler im Ensemble." Lachend setzt sie hinzu: "Aber jetzt können wir alle ein bisschen Tschechisch!"

"Příhody Lišky Bystroušky - Das schlaue Füchslein", Premiere, So., 30. Jan., 19 Uhr, Nationaltheater

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