Willkommen in Dachau:Internationales Weihnachtsfest

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Im Landkreis leben etwa 220 Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind. Einige verbringen in diesem Jahr ihr erstes Weihnachtsfest in Dachau. Ohne ihre Familie. Anschluss finden sie bei Helfern überall im Landkreis.

Von Viktoria Großmann

An Weihnachten rücken die Menschen enger zusammen, und beim gemeinsamen Feiern spielen Herkunft und Kultur oft gar keine große Rolle mehr, wie auch das fröhliche Miteinander beim Weihnachtsessen für Asylbewerber in der Indersdorfer Metzgerei Forche zeigt. (Foto: Toni Heigl)

Wie muss es sich anfühlen, dieses fremde Land? Draußen ist es kalt und meistens dunkel. Trotzdem bekommen die Menschen plötzlich glänzende Augen und gerötete Wangen. Die einen von der Hektik, die anderen aus Vorfreude. Und dann wird es plötzlich ganz still auf den Straßen und in den Häusern gehen überall die Lichter an: Es ist Weihnachten.

Manche fürchten das Fest, denn sie sind allein, während anscheinend alle anderen in großer Runde zusammensitzen. So ging es auch jenem Dachauer, der neulich bei Rose Kreis vom Arbeitskreis Asyl anrief. Der geschiedene Mann und Vater erwachsener Kinder wollte an den Feiertagen nicht allein zu Hause sein. Deshalb lädt er sich zwei Bewohner der Flüchtlingsbaracken in Dachau ein. Holt sie ab, kocht für alle, feiert mit ihnen und bringt sie anschließend zurück. Rose Kraus ist begeistert. "An Weihnachten ist alles ein bisschen besser", sagt sie. Zu dieser Jahreszeit fällt es ihr auch deutlich leichter, Sachspenden zu sammeln. Auf einen Aufruf in der SZ vom Freitag hin, hat sie bereits fünf Fahrräder bekommen. "An Weihnachten helfen auch die, die sonst weniger an andere denken."

Auch Martha Jilek ist aus dem Alter heraus, in dem kleine Kinder zu Hause um den Weihnachtsbaum toben. Eigentlich wollte die 59-Jährige ein ruhiges Weihnachten zusammen mit ihrem Mann verbringen. Nun wird sie stattdessen Besuch haben aus Kongo, dem Senegal und Sierra Leone. Unter dem Christbaum wird Englisch gesprochen werden. Martha Jilek engagiert sich im Helferkreis für die Flüchtlinge, die in Markt Indersdorf in einer Turnhalle untergebracht sind. Nur ein kleiner Teil von ihnen sind zwar Christen, doch diese wünschen sich ein Weihnachtsfest, wie viele andere Europäer auch. Jilek hat deshalb recht spontan und auf eigene Faust fünf der jungen Männer eingeladen. "Und wissen Sie, was mein Mann gesagt hat?", fragt sie freudig. "Dann müssen wir eben ein paar Würstchen mehr kaufen."

Martha Jilek erzählt gern von ihrer ehrenamtlichen Arbeit. "Ein Großteil der Bevölkerung nimmt die Flüchtlinge sehr gut an." Neulich, erzählt sie, habe ihr eine 74 Jahre alte Dame einen Gutschein für den Einkauf in einem Schuhladen vorbei gebracht. "Für die Buben", habe sie gesagt. Viele interessierten sich für das Schicksal der jungen Männer, die sich im Übrigen ganz gut integrierten. "Einige sprechen schon verhältnismäßig gut deutsch", sagt Jilek. An Heiligabend hat sie noch einiges zu tun, sie arbeitet bis mittags noch im Bioladen. Dann wird zu Hause der Weihnachtsbaum aufgestellt und angeputzt. Abends gehen sie zum Gottesdienst in die Kirche. Wenigstens "für einen kurzen Moment" will sie den Heimatlosen "das Gefühl von Familie" vermitteln. "Das ist für mich Weihnachten." Wohl umso mehr als ihr erwachsener Sohn Simon, der sich ebenfalls im Helferkreis engagiert, nun auch an Weihnachten bei den Eltern sein wird.

Bei Georg und Irmgard Weigl, die sich gemeinsam mit den Jileks ehrenamtlich engagiert, steht an Weihnachten wie an allen anderen Tagen die Tür für die Flüchtlinge offen. In ihrer Gartenlaube gibt es eine gute Internetverbindung, von hier aus halten viele der jungen Asylbewerber Kontakt zu ihren Familien in verschiedenen afrikanischen Ländern. "An den Weihnachtsfeiertagen werden wir sie natürlich umso häufiger hereinbitten auf einen Kaffee oder zum Kuchen", sagt Weigl. Zugleich, sagt er, wollte man mit dem Weihnachtenfeiern auch sensibel umgehen. "Etwa zwei Drittel der Männer sind Muslime. Wir wollen ja niemanden missionieren."

So sieht das auch Richard Reischl. Der CSU-Bürgermeisterkandidat für Hebertshausen engagiert sich für die Flüchtlinge, die im ehemaligen Altenheim in Deutenhofen untergebracht sind. Auch von ihnen sind die meisten junge Männer, nur zwei Familien sind darunter. Eine Weihnachtsfeier mit Zithermusik, altbairischem Gesang und Geschenken gab es schon in der Adventszeit. "Die Musik muss für die Flüchtlinge ein Kulturschock sein", sagt Reischl und lacht. Trotzdem sei es eine fröhliche Feier gewesen. Nun wollen die Helfer den Flüchtlingen noch einen Weihnachtsbaum bringen. Einige sind privat bei verschiedenen Familien eingeladen. Auch Reischl zieht wie Jilek, Weigl und Kraus eine positive Bilanz dieses Jahres, in dem ungewöhnlich viele Flüchtlinge in den Landkreis kamen. "Das äußerste, was ich an Kritik höre, ist jene darüber, dass die Asylbewerber manchmal ohne Licht Fahrrad fahren."

Dieses Problem lässt sich vermutlich mit einem kleinen Weihnachtsgeschenk einfach lösen: einem Dynamo und einer Fahrradlampe.

© SZ vom 24.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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