Volksfeste im Landkreis:"Wir werden überleben"

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Die Volksfeste im Landkreis Dachau fallen in diesem Jahr aus. Den beiden Festwirten Ewald Zechner und Peter Brandl brechen dadurch alle Umsätze weg - ans Aufgeben denken sie jedoch nicht

Von Christiane Bracht, Dachau/Karlsfeld

Es ist ein heftiger Schlag ins Kontor der Festwirte: Ewald Zechner aus Dachau und Peter Brandl aus Karlsfeld werden heuer kein Bier ausschenken und kein Hendl in ihren Festzelten verkaufen, denn alle großen Volksfeste im Landkreis Dachau sind abgesagt. 2020 wird ein ruhiges Jahr - zu ruhig, wenn es nach dem Geschmack der Großgastronomen geht. Doch die Corona-Pandemie zollt ihren Tribut. Großveranstaltungen mit 30 000 Besuchern täglich, wie es beim Dachauer Volksfest der Fall ist, sind angesichts der Ansteckungsgefahr mit Covid-19 heuer nicht denkbar.

"2020 werden wir keine Umsätze machen", sagt Brandl. Es klingt ernst, aber keineswegs verzweifelt. "Es ist nicht zielführend, wenn man nur jammert", sagt der Karlsfelder Festwirt. Dieses Jahr werde für ihn "ein Klimmzug", dennoch ist er zuversichtlich, dass die Bierzelttradition seiner Familie kein jähes Ende nehmen wird. "In fünf Jahren feiern wir unser 100. Jubiläum", sagt er mit großer Überzeugung und ganz so, als ob ihn nichts daran hindern könnte.

Seit 95 Jahren gibt es den Karlsfelder Betrieb bereits. Brandls Urgroßvater war schon Festwirt auf dem ersten Oktoberfest nach dem Krieg, er selbst betreibt das Geschäft nun in vierter Generation. Jahrelang hat er sich hauptsächlich um das Fürstenbergzelt auf dem Cannstatter Wasen, dem zweitgrößten Volksfest in Deutschland, gekümmert. Seit drei Jahren bringt er zudem Stimmung auf das Karlsfelder Siedlerfest und heuer wollte er zum ersten Mal die Besucher des Volksfests in Markt Indersdorf bewirten. In dreieinhalb Wochen wäre das Spektakel losgegangen, etwa 500 Reservierungen hatte er bereits für die "neuralgischen Tage", doch jetzt muss er allen ihr Geld wieder zurückzahlen. Das bedeutet einen Verlust von 15 000 bis 20 000 Euro und das ist wohl noch der kleinste Teil.

Auch wenn Brandl vor allem mit seiner Küche punkten wollte, so hatte er doch zwei namhafte Bands engagiert, darunter die Fetzentaler, die früher auf dem Oktoberfest im Hippodrom spielten. Seinen zweiten Topact will er lieber nicht verraten. Die Verträge musste der Karlsfelder stornieren. Mit anderen Kapellen habe er sich arrangiert und ihnen eine Zusage für 2021 gegeben.

Ähnlich ging es Brandl mit dem abgesagten Siedlerfest. Nach dem großen Erfolg von Micky Krause im vergangenen Jahr sollte heuer das Zelt wieder mit Mallorca-Feeling zum Beben gebracht werden. Als Highlight hatte der Festwirt Partykönigin Mia Julia engagiert. Sie war bis vor drei Monaten noch der angesagteste Star auf der spanischen Ferieninsel, erklärt der Festwirt einigermaßen stolz. Doch der Vertrag mit ihr könne nicht einfach verschoben werden, denn heute wisse man noch nicht, was nächstes Jahr im Trend sei. Brettl-Spitzen, Blechblosn, 089 und andere Bands haben indes schon Tradition auf dem Siedlerfest. Trotzdem müssen sie natürlich auch sie dieses Jahr pausieren. "Aus kaufmännischer Sicht ist es ein leichtes Erdbeben", sagt Brandl - auch wenn er nicht über Zahlen reden will und lieber optimistisch in die Zukunft schaut. Er sagt nur so viel: 45 Jahre sei er nun im Bierzelt tätig. "Ich habe dort ein gutes Leben gehabt und gutes Geld verdient." Aber jetzt geht alles strikt nach Finanzplan. "Man muss sich den Gegebenheiten anpassen", sagt er.

Sein Betrieb in Karlsfeld hat 24 feste Mitarbeiter, die normalerweise beim Aufbau des Zelts, in der Küche, am Schank oder als Bedienung anpacken. Sie zu behalten, koste ihn viel, dennoch werde er bis November ihren Lohn fortzahlen, dabei hofft Brandl, wie so viele, das Kurzarbeitergeld vom Staat bald zu bekommen. Der Cannstatter Wasen ist zwar noch nicht abgesagt, Brandl rechnet jedoch fest damit, heuer auch dort kein Geschäft machen zu können - trotz des Jubiläums von 175 Jahren. Vorsichtshalber arbeitet er aber noch an Sicherheitskonzepten. Außerdem kämen noch immer Reservierungen, denn der Cannstatter Wasen ist erst im September und Oktober. Mit den Veranstaltern sei er täglich im Gespräch, sagt Brandl.

Die einzige Hoffnung wenigstens ein bisschen zu verdienen, ruht auf der Knödelalm im Münchner Werksviertel. Auch sie ist seit März zu, viele Veranstaltungen, die dort stattfinden sollten, sind verschoben, andere abgesagt. Wann die Alm öffnen darf, steht in den Sternen. Brandl verfolgt die Politik genau. Für ihn ist es wichtig, zu wissen, wie sie klassifiziert wird? Davon hängt es ab, wann das Geschäft beginnen kann. Der Karlsfelder hofft jedenfalls ab August den Biergarten wieder auf machen zu können. Während seiner Zwangspause will er die Zeit nutzen, um neue Ideen zu entwickeln und um Essen an Bedürftige auszufahren. "Ich bin Mitglied bei ein Herz für Rentner", sagt er.

Optimistisch gibt sich auch der Dachauer Volksfestwirt Ewald Zechner: "Wir werden überleben", sagt er. Wenn auch mit einem "blauen Auge". In den zwei Wochen im August hätte er in seinem Zelt knapp eineinhalb Millionen Euro Umsatz gemacht, sagt er. Doch der fällt nun weg. Die Bier- und Hendlzeichen für die Reservierungen, die Mitte April begonnen hätten, hat er bereits drucken lassen. Die Verträge mit den Bands waren ebenfalls schon geschlossen. Jetzt hat er sie alle storniert "zum Glück kostenfrei". "Sonst wäre es eine Katastrophe geworden", sagt Zechner. Die Musik allein hätte 30 000 bis 40 000 Euro verschlungen. Trotzdem hat er nun ein Minus von etwa 10 000 bis 12 000 Euro gemacht. "Das ist immer noch ordentlich viel, aber verkraftbar", sagt der Dachauer.

Über Wasser hält er sich allein mit dem "Gasteiger" in der Dachauer Altstadt. Seine Wirtschaft in Pellheim musste schließen und das Cateringgeschäft liegt ebenfalls brach, denn es gibt keine Veranstaltungen mehr. Dass viele Leute nun in Home-Office arbeiten, schadet seinem Geschäft aber nicht. Seine Kunden haben lediglich gewechselt. Die, die normalerweise in München arbeiten, freuen sich jetzt über sein Essensangebot. Und was bis März eher unüblich war, floriert jetzt: der Lieferservice. "Die Bestellungen haben sich verdreifacht", sagt Zechner. Weit über 100 liefern seine Leute an Senioren, Firmen und Behörden. "Wir haben die Speisekarte sogar extra für die Fahrer optimiert."

Die Pellheimer will Zechner auch nicht im Regen stehen lassen. Selbst wenn er sein Gasthaus bis auf Weiteres nicht öffnen darf, will er demnächst jeden zweiten Sonntag Schnitzel und Schweinsbraten zum Abholen anbieten. Im Vergleich zu anderen Gastronomen gehe es ihm gut, beteuert er. Seine vier Mitarbeiter wird er dank Kurzarbeit bezahlen können. Die sechs Aushilfen jedoch müssen pausieren, auch wenn für manch einen ein schweres Schicksal dahinter stehe. Die alleinerziehende Mutter etwa, die auf das Geld, was sie bei Zechner verdient, dringend angewiesen ist. "Es sind keine rosigen Zeiten", sagt der Festwirt. Viele seiner Kollegen werden die Coronakrise nicht überstehen, fürchtet er.

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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