Das Thema "Vielfalt statt Einfalt" lässt sich wunderbar in alle möglichen Richtungen mit Leben erfüllen; politisch derzeit sowieso angesichts der immer übleren Auswüchse von Fremdenhass, Antisemitismus und rechtsradikalem Denken und Handeln. Aber auch künstlerisch, wenn man mit Musik, Lyrik und Bildern "Nachdenklichkeit und Lebensfreude" auslösen kann, so wie am vergangenen Donnerstag im Tafernsaal des Wirtshauses am Erdweg. "Die Idee war, einen kleinen, bescheidenen Kulturabend zu machen, damit andere sich das auch trauen", sagte Norbert Göttler am Ende eines beeindruckenden Abends.
Klein und bescheiden? Von wegen: Der Kulturverein Erdweg konnte die Zahl der Besucherinnen und Besucher kaum fassen, schleppte Stühle und verräumte Tische, damit (fast) jede und jeder einen Platz finden konnte. Sie alle wollten hören und sehen, wie der Autor und Regisseur Göttler, der Maler Horst Thürheimer, der "Lokalmatador" Franz Baur (wie Göttler ihn nennt) sowie die Musiker Amélie Haidt, Gudrun Huber, Alexandra Fischer, Florian Ewald und Zarko Mrdjanov ihr Thema in Worten, Farben und Tönen gestalteten.
Ein Abend voller Lebenslust und Zuversicht
Um es kurz zu machen: Es war ein politischer Abend jenseits von Sonntagsreden und Parteiengezänk - und ein Abend des "Nie wieder". Es war zugleich ein Abend, der mit Humor und Hinterlist (nicht nur) bayerische Befindlichkeiten aufs Korn nahm, der Lebenslust und Zuversicht von der Bühne ins Publikum und umgekehrt ausstrahlte.
Kaum sind die ersten spinnwebzarten Töne verklungen, erzählt Franz Baur in einer gleichnishaften Geschichte von einem Mann namens Joshua, der immer genau dann da war, wenn er gebraucht wurde - so wie all die, die "gegen Unvernunft und gegen Rassismus, aber für ein vielfältiges Leben" einstehen. Oder so wie die junge Widerstandskämpferin Sophie Scholl, der die Pianistin, Sängerin und Komponistin Alexandra Fischer mit "A Short and Shining Life" gemeinsam mit dem Klarinettisten und Saxofonisten Florian Ewald ein berührendes musikalisches Denkmal setzte.
Dazwischen kommen auch Trauer, Wut und Fatalismus auf
Das war zugleich eine Antwort auf Göttlers Frage an den Maler Horst Thürheimer: "Gibt es politische Kunst?" Thürheimer hat bedrückende und zugleich erhellende Illustrationen zu Göttlers "Dachauer Elegien" und zu Baurs "Zeitkristalle" geschaffen. Sein Leitmotiv: "Musik und Literatur waren für die Häftlinge im KZ Dachau existenziell." Diese hätten ihre Werke "unter Todesgefahr" geschaffen. Franz Baur hat "Ein verzweifeltes Gebet" geschrieben "wider den Geist des Nationalsozialismus, wider das Vergessen der tausende Toten ... wider jene, die glauben, dass um des Friedens willen Unrecht recht ist".
Angst und Bange kann einem bei Göttlers "brandln duats!" werden: "Ob's feia nach erdepfe riacht oder nach biachaseitn, wer woaß?" Eine undefinierbare Mischung aus Trauer, Wut und Fatalismus kommt auf, wenn er feststellt: "Das bayerische Herz ist zerbrochen, irgendwo zwischen Flossenbürg und Dachau ... Mia san mir, plärren's". Baur greift das klug auf: "Welches Machtgefühl, dabei zu sein, ich bin deutsch und du ein Schwein ... hassen, hassen, hassen ..."
In solchen emotional hochgeladenen Momenten ist es äußerst schade, dass Akustik und Technik im Tafernsaal einen Großteil der hervorragenden, von tiefer Empathie und gehörigem Zorn geprägten Texte schlicht verschlucken und somit unhörbar machen. Glücklicherweise brauchen die Musiker weder Mikro noch Verstärker, Amélie Haidt hat Songs zu Texten von Franz Baur kongenial vertont, Gudrun Huber bringt mit ihrer Geige feuriges Csárdás-Feeling ins ländliche Wirtshaus und setzt mit einem sinnlichen Tango noch eins drauf. Es wird - in wechselnder Besetzung - jazzig und fröhlich.
Norbert Göttler zeichnet in launigen Worten die Migrationsgeschichte der Bayern nach, die "vor einer Million Jahren mit afrikanischen Wirtschaftsflüchtlingen" ihren Anfang nahm. Franz Baur seziert und charakterisiert seine Landsleute: "Ein Bayer philosophiert ned, der strawanzt im Hirn umeinand, ohne dass er weiß, wo er hin will", also quasi "Achternbusch-Yoga". So klingt ein stimmiger Abend aus, der gezeigt hat: "Vielfalt ist viel schöner als glatt rasierte Einfalt."