Naturschutz:Verjüngungskur für den Wald

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Waldverjüngung frustriert oft die männlichen Waldbesitzer. Was hab ich schon von so kleinen Pflänzchen? (Foto: N.P.JØRGENSEN)

Bei einer Ferienaktion der Gemeinde Petershausen bringen die Teilnehmer an Baumtrieben Gitter an, um sie vor Wildverbiss zu schützen

Von Johannes Rockstuhl, Petershausen

Auf der Schnellstraße zwischen Petershausen und Kollbach geht ein unscheinbarer und steiniger Weg hinein in den Wald. "Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei" steht auf dem Schild vor Abbiegung zum Pfad, der aus der Zivilisation hinaus und in die Natur hinein führt. An einem sonnigen Morgen mitten in den Sommerferien sind ein paar Kinder mit ihren Eltern diesem Weg gefolgt, ausgerüstet mit festem Schuhwerk, Arbeitshandschuhen, Sonnen- und Insektenschutz und voller Tatendrang, junge Bäume im Wald zu schützen.

Die Gemeinde Petershausen hat dazu eingeladen, an der Ferienaktion zur Waldverjüngung teilzunehmen. Familien sowie allerlei forstbegeisterte Menschen sind eingeladen. Das Wetter ist perfekt: Keine Wolke am Himmel, und die hohen Bäume schützen vor der Hitze der Sonne. Etwa zehn motivierte Menschen befinden sich um neun Uhr morgens mitten im Gemeindewald von Petershausen und lauschen den Försterinnen Judith Clever und Lisa Schubert. "Dieser Wald gehört der Gemeinde, also auch euch", erklärt Schubert. Etwa 14 Prozent aller Wälder in Bayern sind Gemeindegut. Es liegt auch an der Bevölkerung, diese zu schützen.

Für die Waldverjüngung sucht man sich eine noch sehr junge und kleine Tanne, stellt ein Wuchsgitter um sie herum auf und tackert dieses an einen Holzstab fest, der senkrecht im Boden steckt. Das hilft, um die Jungbäume gegen Rehe zu schützen, die diese kleinen Tannen gerne fressen. Das Gitter verhindert, dass die Tiere an die Pflanzen herankommen. Dabei werden wiederum auch die Rehe geschützt, die sonst ihren eigenen Lebensraum auffressen. Besonders im August ist dieses Umpflanzen sinnvoll, weil die Bäume noch den restlichen Sommer Wurzeln schlagen können, um sich vor dem kommenden Winter zu wappnen.

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Die Einführung der Försterinnen ist jetzt zu Ende, jeder Teilnehmer schnappt sich ein paar Gitter, ein paar Holzstäbe und begibt sich auf die Suche nach kleinen Bäumchen, die gerade so aus der Erde herausragen.

Auch junge Fichten benötigen einen Schutz. Sie sind stark vom Klimawandel gefährdet und können in jungen Jahren schnell austrocknen. Die Teilnehmenden graben also kleine Fichten an einer sehr trockenen Stelle aus und pflanzen sie in die Nähe älterer und größerer Bäumen: "Die Älteren schützen die Jüngeren und geben ihnen Wasser und Nährstoffe ab", erklärt Lisa Schubert einem älteren Herren und seinen Enkeln. Dieser hat vor einiger Zeit schon einmal im Wald junge Bäume gepflanzt. Dass die Bäume Jahre später hoch gewachsen und den Wald verschönert haben, habe ihn sehr beeindruckt und glücklich gemacht, sagt er. Mit seinen Enkeln ist er heute also noch mal gekommen, um mit ihnen gemeinsam den Ferientag nützlich zu verbringen.

Die Försterinnen Judith Clever (vorne) und Lisa Schubert erklären, worauf es dabei ankommt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Hauptsächlich Familien beteiligen sich an der Aktion. So auch Julia Grosch mit ihren zwei Söhnen. Sie haben ihr Auto weit weg geparkt und einen langen Morgenspaziergang in den Wald gemacht. Von der Mitmachaktion hat Grosch im Internet erfahren. Weil sich ihre Kinder sowieso für den Wald sehr begeistern, war dies der perfekte Grund, den sonnigen Vormittag im Wald zu verbringen.

"Ist dann noch viel schöner, wenn man gleichzeitig etwas Gutes tut", sagt Julia Grosch, kurz bevor sie bemerkt, dass ihre Söhne schon ohne sie weitermarschiert sind, um den nächsten Baum zu schützen. "Ich suche noch eine Buche", sagt der ältere der beiden. Sein jüngerer Bruder läuft hinterher. Grosch tackert das Gitter noch am Holzstab fest und begibt sich zu ihren Söhnen, die eine Buche gefunden zu haben scheinen und schon an der Arbeit sind.

Einige Meter davon entfernt erklärt Judith Clever ein paar Jugendlichen, dass die Weißtanne sehr gut gegen den Klimawandel gewappnet sei. Durch ihre tiefen Wurzeln könne sie auch bei langer Trockenheit Wasser und Nährstoffe aus dem Boden ziehen. Aber auch Extremwetterereignissen wie die starken Gewitter der vergangenen Wochen halte die Weißtanne mit ihren tiefen Wurzeln gut aus. Daraus schöpfen die beiden Jugendlichen neue Motivation, auch die kleinsten Tannen zu suchen und zu schützen.

Wachstumshilfe: Teilnehmer der Ferienaktion, darunter einige Familien, schützen junge Bäume vor Wildverbiss. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Schon bald stolpert man alle paar Meter über grüne Gitter, die junge Bäume umschließen und vor Wildverbiss schützen. 200 solcher Gitter liegen bereit, also genug, um den ganzen Tag zur Naturverjüngung beizutragen. Die Familie Grosch wird bis etwa Mittag bleiben und danach, nach getaner Arbeit, einen Spaziergang aus dem Wald antreten. "Wir werden uns die Bäume merken und dann regelmäßig besuchen", meint ihr Sohn stolz, nachdem er einen weiteren Baum mit einem Gitter umschlossen hat. Das war dann das elfte oder zwölfte Baum, so genau hat er nicht mitgezählt. "Und in zehn Jahren gibt es dann die gleiche Aktion noch mal, nur werden dann die ganzen Gitter entfernt", sagt Försterin Judith Clever halb im Scherz und halb im Ernst. Die Bäume sind dann groß genug geworden, sodass die Gitter dann nur noch Müll sein werden. Und der hat im Wald ja auch nichts zu suchen.

© SZ vom 17.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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