Udldinger Hang:"Wir haben hier ein gesamtgesellschaftliches Dilemma"

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Noch blicken die Anwohner der Häuser am Anton-Bruckner-Weg auf grüne Wiese. Geht es allein nach ihnen, soll das auch so bleiben. (Foto: Toni Heigl)

Die Skepsis der Anlieger ist groß: Die Stadt will am Udldinger Hang 70 bezahlbare Miet- und Eigentumswohnungen sowie eine mehrgruppige Kindertageseinrichtung schaffen. Bei einer Infoveranstaltung muss Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) viel Kritik einstecken, verteidigt aber dennoch das Projekt.

Von Anna Schwarz, Dachau

Die Stimmung war aufgeheizt, die Wortmeldungen zum Teil emotional: Rund 190 Zuhörerinnen und Zuhörer drängten sich am Donnerstagabend in den Erchana-Saal im Thoma-Haus. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hatte dort zu einem Bürgerinformationsabend eingeladen, es sollte um das Bauprojekt am Udldinger Hang im Westen Dachaus gehen - gegen das sich eine Bürgerinitiative formiert hat. Denn zahlreiche Anwohner sind nicht damit einverstanden, dass die Stadt auf dem 15 761 Quadratmeter großen unbebauten Grundstück am Schumannweg 70 bezahlbare Miet- und Eigentumswohnungen sowie eine mehrgruppige Kindertageseinrichtung schaffen will. Hartmann versuchte die Zuhörer an diesem Abend von den Planungen zu überzeugen, doch viele Anlieger stellten kritische und verärgerte Nachfragen.

Schon zu Beginn versuchte er ein wenig Druck herauszunehmen und sagte: "Ich hoffe, Sie haben eine nicht allzu große Erwartungshaltung." Denn bei den Planungen am Udldinger Hang stehe man noch am Anfang, die meisten Gutachten würden erst noch in Auftrag gegeben und die Baupläne eventuell wieder überarbeitet. Erst vor wenigen Tagen hatte sich der Bau- und Planungsausschuss für eine Änderung entschieden, weil sich ein "markanter Grünzug mit erhaltenswertem Baumbestand" an der Stelle befindet, wo die Kita ursprünglich geplant war. Um die Bäume zu schützen, soll diese jetzt um wenige Meter nach Norden verlagert und um 120 Quadratmeter kleiner werden.

"Wir haben sieben Jahre lang eine Wohnung gesucht, wo Kinder erwünscht sind."

Zunächst versuchte die Stadtverwaltung zu erklären, warum es das Bauprojekt überhaupt braucht. Stadtplanerin Ariane Jungwirth sagte, dass auf dem Grundstück bereits seit 2001 Baurecht bestehe, damals plante die Stadt noch mit mehr Doppel- und Reihenhäusern - das sei mittlerweile aus der Zeit gefallen: "Wir wollen Gebäude, bei denen Fläche gespart wird", so Jungwirth, deshalb seien nun Häuser mit drei bis vier Stockwerken vorgesehen.

Warum es insgesamt mehr bezahlbaren Wohnraum in Dachau brauche, erklärte OB Hartmann: Auf einer Präsentationsfolie zeigte er, wie viele Menschen derzeit einen Wohnberechtigungsschein haben und damit auf eine Sozialwohnung in Dachau warten. Es sind 404 Haushalte. Außerdem möchte er auf dem Grundstück ein sogenanntes Einheimischenmodell anbieten. Daraufhin meldete sich Manuela Kraus aus dem Publikum, sie hat die Wohnungsnot in der Stadt selbst erlebt und erzählte: "Wir haben sieben Jahre lang eine Wohnung gesucht, wo Kinder erwünscht sind", später kritisierte sie das Bauprojekt am Udldinger Hang dennoch scharf und sorgte sich etwa wegen Verkehrsproblemen.

Großes Interesse an dem Bauprojekt: Die Bürgerinnen und Bürger im Thoma-Haus stellen kritische Nachfragen an Oberbürgermeister Florian Hartmann. (Foto: Toni Heigl)
Haben ein offenes Ohr für die Anwohner am Udldinger Hang: OB Hartmann, Stadtplanerin Ariane Jungwirth und Bauamtsleiter Moritz Reinhold. (Foto: Toni Heigl)

Auch gegen die geplante vier- bis sechsgruppige Kindertagesstätte hatte die Bürgerinitiative im Vorhinein aufbegehrt. Deren Initiator ist unter anderen Stadtrat Wolfgang Moll (Wir), der in der Nähe des Baugrundstücks im Mitterfeldweg wohnt. Statt eine neue Kita zu bauen, schlug er vor, die Kita "Udldinger Tausendfüßler" zu erweitern. OB Hartmann sagte dazu, dass er eine Aufstockung prüfen werde. Gleichwohl blieb er skeptisch: "Ich glaube nicht, dass das statisch geht."

Sein Kollege Max Haberl kümmert sich im Rathaus um die Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen und argumentierte für die Kindertagesstätte, denn: "Im vergangenen Jahr konnten wir 150 Eltern keinen Kitaplatz anbieten" - eigentlich ein Klagegrund, schließlich hätten Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, so Haberl. Außerdem erklärte er, dass die Besuchsquote von Kitas nach oben gehe: Nicht nur jedes Kind gehe mittlerweile in einen Kindergarten, sondern immer mehr Eltern würden ihre Kinder auch in der Krippe abgeben. 2019 waren es über 30 Prozent der Dachauer Eltern. Bis 2028 brauche es deshalb 58 neue Kita-Gruppen in der Stadt, mit den bisherigen Projekten schaffe man 31 Gruppen: "Es fehlen also noch über 20 Gruppen", so Haberl - die neue Kita am Udldinger Hang könnte die Lage entschärfen.

"Hier geht's nicht ums Verhindern, wir wollen einen Nenner finden, der für alle passt."

Doch das Publikum sorgte sich vor allem darum, dass der Verkehr im Quartier zunimmt, öffentliche Parkplätze für die Kita sind derzeit sowohl am Mitterfeldweg als auch am Breitenauer Weg geplant. Moll betonte: "Hier spricht sich niemand gegen Kinderbetreuungsplätze oder Wohnraum aus", vielmehr sorgten sich viele Anwohner wegen des künftigen Hol- und Bringverkehrs, weil es in dem Wohngebiet viele Spielstraßen und Sackgassen gebe. Moll sprach im Namen der Bürgerinitiative: "Hier geht's nicht ums Verhindern, wir wollen einen Nenner finden, der für alle passt." Auch eine Anwohnerin des Breitenauer Wegs erzählte, dass schon jetzt viele SUVs in ihrer Straße parkten - wenn die Kita-Eltern dazukämen, verschärfe das die Situation noch. Hartmann verwies darauf, dass ein Verkehrsgutachten die beste verkehrliche Erschließung noch analysieren werde.

Auch Anlieger Thomas Aust machte sich Sorgen, der Verkehr in seiner Wohngegend könne zunehmen. Schließlich gebe es viele "Helikoptereltern", die ihre Kindern direkt vor die Kita chauffieren. Vor 14 Jahren sei Aust in ein beschauliches Dachau gezogen: "Aber mittlerweile ist die Stadt zu einem Verkehrsmolloch geworden." Er forderte den OB auf, statt dem Udldinger Hang zuerst andere Baustellen anzugehen, etwa das MD-Gelände oder das neue Hallenbad. Doch Hartmann verwies darauf, dass er die Schaffung von Kitaplätzen nicht verschieben könne: "Sonst können wir von den Eltern verklagt werden und müssen ihren Verdienstausfall zahlen."

"Wir können niemanden dazu verpflichten, seine Wohnung nicht leer stehen zu lassen."

Peter Heller vom Bund Naturschutz meldete sich daraufhin ebenfalls zu Wort: "Wir haben hier ein gesamtgesellschaftliches Dilemma." Einerseits verstehe er die Anwohner, die in keinem smogbelasteten Siedlungsgebiet wohnen wollten. Anderseits gebe es einen rasanten Zuwachs in Dachau. Kinderbetreuungsplätze und bezahlbarer Wohnraum würden also unbedingt benötigt. Einige im Saal müssten ihre Ansicht á la "Ich bin für Kinderbetreuung, bin für Wohnraum, aber nicht bei mir" also überdenken.

Die beste Möglichkeit die Umwelt zu schützen, wäre natürlich gar nichts zu bauen und den leerstehenden Wohnraum zu nutzen - schlug ein Anwohner aus dem Publikum vor. Er berief sich auf eine Studie der TU München, nach der aktuell rund 1800 Häuser und Wohnungen im Landkreis leer stehen. Er forderte die Stadt dazu auf, schärfer durchzugreifen, wenn Dachauerinnen und Dachauer ihre Wohnungen nicht vermieten. Hartmann erklärte: "Wir können niemanden dazu verpflichten, seine Wohnung nicht leer stehen zu lassen."

2014 habe die SPD zwar einen Antrag im Dachauer Stadtrat gestellt, eine Zweckentfremdungssatzung zu erlassen, diese wurde aber von der Mehrheit abgelehnt. Mit so einer Satzung darf Wohnraum nur mit besonderer Genehmigung zweckentfremdet werden. Eine solche Zweckentfremdung liegt vor, wenn Wohnraum für überwiegend gewerbliche oder freiberufliche Zwecke umgenutzt wird oder wenn Wohnungen länger als drei Monate leerstehen. "Einige Stadträte haben das abgelehnt, weil sie keine Sheriffs in der Stadt wollten, die andere Leute denunzieren", sagte Hartmann.

Nach der rund dreistündigen Diskussion gab es höflichen Applaus. Einige Bürger hatten den Saal allerdings schon verlassen, als es um die Verkehrssituation in dem Quartier ging. In den kommenden Monaten werden die Gutachten für das Bauprojekt in Auftrag gegeben und der Stadtrat wird die Planungen anpassen - die Bürgeranliegen habe man notiert, versprach Hartmann.

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