Schlosskonzert Tandern:Beste Musik zur besten Zeit in der besten Gegend

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Das Blechbläserensemble des Bayerischen Staatsorchesters spielt im Innenhof von Schloss Tandern vor rund 300 Besucherinnen und Besuchern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

OperaBrass, das berühmte Blechbläserensemble des Bayerischen Staatsorchesters, gibt in Tandern ein Schlosskonzert. Über einen Abend, der wirklich nur mit Superlativen zu beschreiben ist.

Von Dorothea Friedrich, Hilgersthausen-Tandern

Opernfestspiele mal ganz ohne Adabei-Bussigesellschaft: Geht das? Das geht ganz wunderbar, wenn man die "Beste Zeit" entsprechend nutzt, so wie am Samstagabend im ansonsten nicht zugänglichen Innenhof von Schloss Tandern. Hatte doch der rührige Verein "Zukunft Tandern" heuer OperaBrass, das berühmte Blechbläserensemble des Bayerischen Staatsorchesters, für sein siebtes Schlosskonzert gewinnen können. Rund 300 Besucherinnen und Besucher kamen in die "Beste Gegend", etwas weniger als vor der zweijährigen Corona-Zwangspause, wie Vereinsvorsitzender Hans Glas der SZ Dachau sagte. Als Grund vermutet Glas, dass einerseits gerade sehr viele Veranstaltungen stattfinden, dass andererseits "die Leute immer noch zögern oder dass sie sparen müssen". Nur mal so am Rande bemerkt: Für 28 Euro bekommt man in der Staatsoper gerade mal einen Stehplatz, während man im Tanderner Schloss auf bequemen Stühlen einen Sommer-Konzertabend der Extraklasse erleben kann.

Das ist - auch das soll nicht unerwähnt bleiben - nur durch das Engagement vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer möglich. Sie haben die Sitzplätze akkurat auf Rasen-schonenden Holzbohlen ausgerichtet, stemmen den Bühnenauf- und abbau, sorgen für eine stimmige Lichtregie - und ordentlich Nachschub an Ess- und Trinkbarem unter den Schlosshofarkaden. "Beste Chance" also für einen fantastischen Abend im "Filmdorf Tandern", das die Titel der in ihrem Heimatort spielenden Film-Trilogie von Marcus H. Rosenmüller immer noch gerne für eigene Aktionen nutzt.

Erster Höhepunkt ist die Orfeo-Suite aus der Mutter aller Opern

Schon vor Beginn inspizieren einige Youngsters die bereits aufgebaute beeindruckende Instrumentenriege von OperaBrass, unter den Arkaden herrscht Hochbetrieb, Deftiges und Süßes sowie Brezen in Notenschlüssel-Form gehen weg wie die berühmten warmen Semmeln. Pünktlich mit dem Acht-Uhr-Glockenschlag der benachbarten Pfarrkirche St. Peter- und Paul geht es mit strahlenden Tönen und rassigem Sound los: OperaBrass hat den "Empty Stage Blues" von Ingo Luis für seinen ersten Auftritt in perfekter Choreografie vor der schmucken Schlosskulisse ausgesucht - und gewinnt mit dieser Ouvertüre sofort die Herzen des Publikums. Erster Höhepunkt ist die anschließende Orfeo-Suite aus der Mutter aller Opern, "L'Orfeo" von Claudio Monteverdi. 1607 wurde diese (fast) erste Oper im heutigen Sinn in Mantua uraufgeführt. Wer dieses exzellent - teils auf Originalinstrumenten gespielte Werk des elfköpfigen Ensembles so ausdrucksstark hört, tänzelt im Geist gemessenen Schritts durch den herzoglichen Palast von Mantua und entscheidet - zumindest am Samstagabend - den mit liebevoller Bosheit ausgetragenen Dauerstreit zwischen Streichern und Bläsern selbstredend zugunsten der Blechbläser. Auch Trompeter Frank Bloedhorn, der zusammen mit Andreas Öttl etliche Stücke für OperaBrass arrangiert hat, kann sich in seiner charmanten Moderation ein paar Seitenhiebe auf die Streicherkollegen nicht verkneifen.

"Liebe und Tod in den fast 250 Opernhäusern weltweit, davon 120 im deutschsprachigen Raum" ist nun sein Thema. Die Frage "Sind das Opernhäuser im ursprünglichen Sinne?", bleibt unbeantwortet. Ist womöglich auch besser so, angesichts der gerade mal wieder hochkochenden Diskussion um die Daseinsberechtigung von Opern und ihren Spielstätten. Als Einführung in diese ganz eigene musikalische Welt spielt OperaBrass "Das Opernhaus" von Dieter Wendel mit mächtiger Bayreuth-mäßiger Fanfare, Getrippel auf und hinter der Bühne, aufgeregten Sängerinnen, kritischem Publikum und vielen Anspielungen auf real existierende Arien. Das ist ein amüsantes Zwischenspiel, bevor sich die Musiker "echter Opernmusik" in Form von drei Hits des Genres widmen: Giacomo Puccinis "O mio babbino caro" aus "Gianni Schicchi", Pietro Mascagnis Intermezzo aus "Cavalleria Rusticana" und Puccinis "Nessun dorma" aus "Turandot". Das ist echtes Kopfkino mit elegisch-träumerischen oder kampfesmutig-verwegenen Szenerien. Und steht den Spitzentönen von Sängerinnen und Sängern in nichts nach.

Das Orchester ist auch in Bigband-Gefilden zuhause

Sehr persönlich und für Musikfreundinnen und Freude jeder Stilrichtung sehr nachvollziehbar wird es, als Frank Bloedhorn vom Beginn seiner Faszination für sein Instrument, die Trompete, erzählt. Alles fing mit einer Schallplatte an, der "Shakespearian Suite" von Michael Clothier. Von diesem Werk gibt es bis heute nicht einmal Noten zu kaufen. Doch OperaBrass hat sie - vom Komponisten höchstpersönlich. Und so marschiert der triumphsüchtige Julius Cäsar mit seinen imaginären Truppen durchs Schlossareal, Romeo und Julia knüpfen unterm Baum zarte Bande, die Hamlet-Hexen toben, kreischen, meckern und gackern, dass es zum Gruseln ist und König Fortinbras setzt dem wilden Geschehen die Krone auf. Schon um diese Rarität mit allen Sinnen zu erleben, hätte sich der Besuch dieses hochkarätigen Konzerts gelobt.

Doch das Ensemble hat noch mehr Oper der anderen Art zu bieten: Giuseppe Verdis "Nabucco" und George Bizet's "Carmen", letztere in einer achtminütigen Adaption, die das dreistündige Original aufs Wesentliche reduziert: Sex and Crime. Das ist so bravourös, dass man den eigentlich unverzichtbaren "Aida"-Triumphmarsch überhaupt nicht vermisst. Zur Erholung von all diesen Opern-Highlights wechselt OperaBrass ins Showbusiness. Und zeigt, dass dieses Kammerorchester nicht nur im Orchestergraben der Münchner Oper, sondern auch in Bigband-Gefilden zu Hause ist. Musikerin und Musik jazzen und swingen mit bekannten und unbekannteren Songs aus dem britischen Showbizz der Dreißigerjahre, dass es nur so eine Lust ist - und man dringend auf Tanzmutige vor der Bühne hofft. Schade, dass nach der Zugabe, dem Wiegenlied "Guten Abend, gut' Nacht" von Johannes Brahms, Schluss ist, denn dieses Schlosskonzert war einfach "Beste Musik" von allerbesten Blechbläsern für ein begeistertes Publikum.

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