Einsatz für die Gesellschaft:Schöne Last

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Ohne die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter würde der Betrieb in der Dachauer Stadtbücherei nicht funktionieren. Barbara Baier und Sigrid Krause sind seit Jahren mit Feuereifer dabei.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Die Kinder sind aus dem Haus oder die Rente naht. Für die einen eine schreckliche Situation. Für die anderen eine echte Chance, mal ganz was anderes zu machen. So wie für Barbara Baier und Sigrid Krause. Beide sind seit Jahren ehrenamtliche Mitarbeiterinnen in der Dachauer Stadtbücherei. So wie 50 bis 60 weitere Frauen und Männer im besten Lebensalter. Das sei ein "ziemlich einzigartiges Modell", sagt Stadtbücherei-Leiter Steffen Mollnow.

Warum? Dazu muss man ein wenig in der Geschichte dieser Institution graben. Eigentlich hatte die Große Kreisstadt gefühlte ewige Zeiten keine richtige Stadtbücherei. Es gab die Kooperation mit der Pfarrbücherei von St. Jakob, es gab die dunklen Räume in der hintersten Ecke des Rathauses. Dann wurde - man ahnt es schon - die ehemalige Kirchenschule, die heutige Schranne, als Standort diskutiert. Daraus wurde bekanntlich nichts. Für kurze Zeit zogen Menschen und Bücher in einen Neubau auf dem Kochwirt-Areal. Bis 2007 endlich die große Lösung kam: Auf dem ehemaligen Moorbad-Gelände fanden Bücherei und Artothek ein angemessenes Domizil. Immer dabei: die vielen Ehrenamtlichen, ohne die schon in der Pfarrbücherei nichts ging.

Die Regale in der Dachaucher Stadtbücherei sind vollgestopft mit Büchern aller Literaturgattungen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dass sich das Konstrukt bewährt, macht Steffen Mollnow mit einem Satz deutlich: "Gäbe es die ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht, gäbe es die Zweigstellen Dachau-Süd und Dachau-Ost nicht". Und es gäbe angesichts der Personalknappheit (13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilen sich sieben Vollzeitstellen) wahrscheinlich auch nicht die beeindruckende Zahl von 400 000 Ausleihen, 70 000 Medien im Bestand und 100 000 Besuchen im Jahr.

Doch warum engagiert sich jemand für ein Kulturgut, dem schon vor der Erfindung von Internet und Co. der baldige Tod vorhergesagt wurde? Barbara Baier hat eine Antwort. Und die fängt nicht mit "ich lese gerne" an - was sie natürlich auch tut, Politthriller und Bücher über starke Frauen. Als die Kinder größer wurden, habe sie sich gesagt: "Jetzt kommst du mal dran. Du musst dir was suchen, wenn der Tag X kommt". Gesagt, getan. Gefunden hat sie die Stadtbücherei. Im April 2000 fing sie an. Seit 2001 ist sie Teamleiterin. Eine Aufgabe, die zur strukturierten, energiegeladenen Barbara Baier gut passt. Sie verantwortet die Pläne für den Einsatz ihrer Kolleginnen - und wenigen Kollegen. Sie sorgt für den Interessenausgleich zwischen Ehrenamt, privaten Wünschen und Verpflichtungen, kümmert sich um Vertretungen.

Barbara Baier (li.) liebt den Kontakt zu den Lesern. Kollegin Sigrid Krause schätzt das Gefühl, eine sinnvolle Arbeit zu machen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Und sie achtet darauf, dass die Teams miteinander harmonieren. "Wenn das Klima nicht stimmt, ist man gleich wieder weg. Schließlich will ich mich in meiner Freizeit nicht ärgern", sagt sie. Ein Fulltime-Job, könnte man denken. Nein, sagt Barbara Baier: "Das bündelt alles, was mir Spaß macht. Ich mag es, wenn alles schön geordnet ist, und ich mag den Kontakt mit den Lesern". Dass sie außerdem viele Jahre in der Chorgemeinschaft aktiv war und zudem einen Folkloretanzkreis an St. Peter leitet, erwähnt sie nur nebenher.

Das "schön Geordnete" verlangt den Ehrenamtlichen ein gewisses Maß an Disziplin ab. "Wir sind hier nicht angestellt", betont die Teamleiterin. "Aber das ist kein Ehrenamt zur freien Disposition. Wir sind ehrenamtliche Teilzeitkräfte". Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, Spaß am Umgang mit Menschen und Medien sind für sie die Voraussetzungen. Es sei doch eine schreckliche Vorstellung, wenn die Büchereibesucher womöglich vor verschlossenen Türen stünden. Man sieht förmlich, wie ihr bei dem Gedanken graust. Da lacht auch Sigrid Krause. Die 75-Jährige ist eigentlich ziemlich ausgelastet: Sie spielt mit Begeisterung Bridge, ist zudem Klassenpatin in der Grundschule Augustenfeld. Doch das hat ihr nicht gereicht: "Ich mag nicht rumsitzen. Die Arbeit hier gibt mir das Gefühl, gebraucht zu werden. Sie strukturiert meine Woche. Wenn man den Anschluss nämlich einmal verpasst hat, ist es aus".

Aber wie ist sie auf die Stadtbücherei gekommen? Sie habe, erzählt sie, einen Zettel gesehen "Für Freitag jemand gesucht". Das war die Initialzündung. Vor sieben Jahren. Seither macht sie all das, was ihre Mitstreiterinnen auch tun: Sie betreut und berät die Kunden, wie die Büchereibesucher genannt werden - was schon einiges über den Servicegedanken aussagt, der hier Priorität hat. Sie steht an der Ausleihe und der Rückgabe. Was durchaus fordernd sein kann. Man merkt dem Herrn der Medien, Steffen Mollnow, einen gewissen Stolz an, wenn er berichtet, dass an durchschnittlichen Tagen 500 bis 600 Kunden in die Hauptstelle kommen. "An einem Spitzentag waren es mal 1100", sagt er. Er weiß, wie viel von dieser meistens schönen Last, die Ehrenamtlichen schultern: "Wir haben unsere Ressourcen nur, weil sie da sind", sagt er. Sonst könne man weder den Tagesbetrieb noch die vielen Zusatzveranstaltungen wie Lesenachmittage, Filmabende oder die Veranstaltungsreihe "Dachau liest" stemmen. Auch den Kinderbibliothekspreis hätte die Stadtbücherei nicht erhalten, wenn sie ausschließlich mit Hauptamtlichen besetzt wäre. Vielleicht wäre es dann auch in Dachau so wie in vielen Kommunen: Kürzere Öffnungszeiten, kein Online-Service (siehe Kasten), kaum neue Medien.

Und wie ist die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen? Mollnow macht eine klare Ansage: "Die Hauptamtlichen stehen immer sofort zur Verfügung, wenn die Ehrenamtlichen sie brauchen". Teamleiterin Baier sagt: "Es ist toll, dass man jederzeit von den Hauptamtlichen unterstützt wird". Auch diese Zusammenarbeit sei gewachsen, erzählt sie. Als der Umzug in die jetzige Hauptstelle anstand, hätten viele Ehrenamtliche befürchtet, dass sie "nur noch zum Putzen und Einsortieren" gebraucht würden. Werden sie nicht, sie sind vielmehr so notwendig wie die Druckerschwärze fürs Buch. Und freuen sich, dass sie eine Aufgabe haben, die ihren Neigungen entspricht und bei der "man sich jedes Mal auf die anderen freut". Auch das gehört zum Ehrenamt.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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