Einsatz für die Gesellschaft:Der Schutzpatron

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Heinz Gibowsky ist der Hüter des Palsweiser Mooses. Er wacht über den Lebensraum seltener Pflanzen, pflegt Biotope und kennt jeden Baum.

Von Anna-Sophia Lang, Bergkirchen

Eigentlich will Heinz Gibowsky gar nicht über sich selbst reden. Am liebsten erzählt er nur von seinen Projekten. Kaum drei Schritte hat er im Palsweiser Moos getan, da bleibt er schon wieder stehen, weil er etwas entdeckt hat, das seine Aufmerksamkeit erregt. Eine unscheinbare Pflanze am Wegrand. Einem Spaziergänger würde sie im Vorbeigehen gar nicht auffallen. Dabei sind die paar Quadratmeter, auf denen sie wächst, eine ganz eigene, zerbrechliche kleine Lebenswelt für Ameisen und Schmetterlinge.

Gibowsky ist Naturschützer. Er sieht, was andere nicht sehen. Wo ein Biber seinen Bau errichtet hat, bestimmt er anhand abgestorbener Bäume. Wie oft im Jahr eine Wiese gemäht wird, liest er an den Pflanzen ab, die auf ihr wachsen. 1990 trat er dem Bund Naturschutz bei, ein Jahr später zog er nach Dachau und wurde Mitglied in der Orts- und Kreisgruppe. "Schutzpatron des Palsweiser Mooses" nennt ihn der Vorsitzende, Roderich Zauscher.

Die Liste der Ämter und Projekte, an denen Heinz Gibowsky im Lauf der Jahre gearbeitet hat, ist lang. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Ortsgruppe, Vertreter in übergeordneten Gremien und bringt sich immer wieder politisch ein. 2014 hat er die Bürgermedaille der Stadt Dachau bekommen. Er koordiniert die Biotoppflege in den Amperauen, mäht alle Biotopflächen der Ortsgruppe und kümmert sich in Hunderten von Stunden jährlich um das, was sonst noch anfällt. "In den Amperauen kenne ich jeden Baum beim Vornamen", sagt er.

Indianerhütten aus Seegras

Gibowsky ist 61 Jahre alt. Mit jugendlicher Leichtigkeit klettert er über einen dicken Birkenstamm, der auf Hüfthöhe quer über dem engen Pfad liegt. Links und rechts wuchern Brombeersträucher, ihre dornigen Zweige wischt er mit der Hand weg. Er verbringt viel Zeit hier, im Palsweiser Moos, kennt jeden Weg und jeden Graben. Früher, als er noch voll arbeitete, musste er sich die Zeit durch Überstunden tageweise freischaufeln. Auch den ein oder anderen Urlaubstag nahm er, um sein Ehrenamt auszuüben.

Heute, in der passiven Phase der Altersteilzeit, ist es einfacher. Aus dem ehrenamtlichen Engagement ist inzwischen fast so etwas wie ein Vollzeitjob geworden. Gibowsky hat sich extra ein Auto mit Allradantrieb gekauft, für die holprigen Wege, auf denen er unterwegs ist. In der Natur sein zu können ist das, was er so schätzt an der Arbeit beim Bund Naturschutz. Er ist auf dem niederbayerischen Land aufgewachsen. "Wir waren immer in der Natur, im Wald, auf den Bauernhöfen", erzählt er. Mit seinen Freunden baute er Indianerhütten aus Seegras. Von seinen Eltern, sagt er, habe er von Anfang an ein grünes Bewusstsein mitbekommen. "Als Kind nimmt man so etwas in sich auf und irgendwann kommt es wieder raus." Beim Bund Naturschutz fand er Gleichgesinnte - und eine Heimat. "Das Engagement hat viel dazu beigetragen, dass ich mich hier zu Hause fühle", sagt er.

Arbeiten bei künstlichem Licht

Er hat sich nie gewünscht, die Arbeit beim Bund Naturschutz zu seinem Beruf zu machen. Gibowsky ist Elektroingenieur. In den vergangenen Jahren hat er ein Rechenzentrum geleitet. Seinen Arbeitsalltag verbrachte er in klimatisierten Räumen mit künstlichem Licht. "Da weiß man den Kontakt zur Natur zu schätzen", sagt er. Dass den Menschen zunehmend das Naturverständnis abhanden kommt, glaubt er nicht. Aber er beobachtet, dass das Plädoyer für den Naturschutz schnell endet, wenn er eigene Opfer erfordert.

Wütend wird Gibowsky aber erst, wenn achtlos mit der Umwelt umgegangen wird. Immer wieder fällt ihm durch seine Arbeit beim Bund Naturschutz auf, wie zerstörerisch mancher Eingriff von Menschen ist. Gibowsky ist sichtlich aufgewühlt, wenn er davon spricht, dass seltene Pflanzen einfach ausgegraben oder andere achtlos zertrampelt werden. "Zu sagen, 'Dann gibt es halt eine Pflanzenart weniger, wen interessiert es', ist eine fatalistische Einstellung. Das setzt sich fort."

Doch manchmal sind Eingriffe auch nötig. Denn Wälder und Wiesen einfach vor sich hin wuchern zu lassen, erklärt Gibowsky, ist nicht immer das Beste. "Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass man die Natur sich selbst überlassen soll." Die Amperauen zum Beispiel würden verbuschen, manche Art dabei auf der Strecke bleiben, weil ihr der Lebensraum von anderen Pflanzen weggenommen wird. So wie eine seltene Orchideenart, die ausschließlich im Ampertal wächst. Gibowsky ist fasziniert davon, zu beobachten, wie sich Flächen über Jahre hinweg verändern. Es reizt ihn, Landschaft aktiv gestalten zu können. Dann kommt seine ästhetische Ader zur Geltung.

Natur als Lehrmeister

Doch die Natur, in der er sich bewegt, empfindet er umgekehrt auch als Lehrer. Durch seine Arbeit beim Bund Naturschutz wurde ihm klar, dass Kategorien wie hundertprozentig richtig oder falsch nicht existieren. "Jeder Eingriff hat einen Verlierer", sagt er. Aber vor allem hat er eines gelernt: "An Dingen dranzubleiben." Stillstand, sagt er, gibt es in der Natur nicht. "Man sieht nicht immer gleich ein Ergebnis, aber man muss konsequent bleiben, um sein Ziel zu erreichen."

Im Palsweiser Moos ist Heinz Gibowsky noch lange nicht so weit. Demnächst will er anfangen, ein Laichgewässer für Amphibien anzulegen. Es gibt noch viel zu tun. Aber eines ist ganz klar: Wenn es Ehrenamtliche wie Heinz Gibowsky nicht gäbe, wären viele Arten schon längst aus dem Landkreis Dachau verschwunden.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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