SZ-Forum "Unsocial Network (?)":Gefährlich unverfänglich

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Der Verfassungsschutz in Bayern erklärt, wie rechtsextremistische Gruppen sich über soziale Netzwerke an junge Menschen, bevorzugt im Alter von 12 bis 15 Jahren, annähern. Und er klärt darüber auf, wie man sich gegen diese Manipulationsversuche schützen kann.

Von Sophie Burfeind

NPD IM INTERNET Nicht immer ist es so einfach zu erkennen wie hier, dass man auf einer rechtsextremen Seite gelandet ist. (Foto: DPA)

Sie geben sich jung, rebellisch und revolutionär. Sie posten Musik, reden über Mode und tragen auf ihren Facebook-Profilbildern Palästinensertücher. Dass es sich bei den Facebook-Usern um Rechtsextremisten handelt, ist für den ungeschulten Blick kaum auszumachen. Nur die Worte "national" oder "heimisch" in der Gruppenbeschreibung, eine schwarz-rot-weiße Flagge, oder ein sehr blonder Junge mit blauen Augen, könnten einen stutzig machen.

Die modernen Neonazis verfolgen eine perfide Strategie in sozialen Netzwerken, um Jugendliche für sich zu gewinnen: die Ideologie wird in den Hintergrund gestellt, auf explizite Symbolik wird ganz verzichtet. Stattdessen verwenden sie uneindeutige Symbole, die teilweise aus der linken Szene übernommen sind; Che Guevara gilt den Rechtsextremisten beispielsweise als Freiheitskämpfer. Mit unverfänglich wirkenden Themen wie dem Mangel an Ausbildungsplätzen, Drogenproblematik oder Umweltschutz - aber auch mit Musikangeboten - versuchen sie diese auf sich aufmerksam zu machen. Viele Jugendliche merken nicht, welche politische Gesinnung dabei im Hintergrund steht.

Beobachtet werden rechtsextremistische Aktivitäten in Bayern, auch die im Internet, vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz in München. "Facebook spielt eine wichtige Rolle im Auftreten rechtsextremistischer Gruppen im Netz und zur Nachwuchsgewinnung", erklärt Pressesprecher Markus Schäfert. Das weltweit größte soziale Netzwerk biete dafür geradezu ideale Voraussetzungen: "Es ist einfach, einen oder mehrere Accounts anzulegen, man muss sich nicht ausweisen, erreicht viele Leute und kann schnell Informationen austauschen."

Besonders häufig setzten rechtsextremistische Gruppen auf musikalische Angebote, um Kontakte zu Jugendlichen zu knüpfen. "Musik ist ein sehr starkes Medium, über das man Jugendliche gut erreicht", erklärt Christa Bründl von der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE), einer am Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelten Präventions- und Informationsstelle. Dabei gehe es in erster Linie darum, die Musik zu hören, scheinbar nebensächlich werden dann "Texte transportiert, die man nicht hinterfragt". An einer Musikrichtung kann man die rechtsextremistische Ausrichtung längst nicht mehr erkennen; sie bedienen mittlerweile alle Genres.

Bründl führt aus, dass dieser ersten virtuellen Kontaktaufnahme im Netz schnell Einladungen zu Aktivitäten im wirklichen Leben folgen wie etwa Konzertbesuche. Im Vordergrund steht hier zunächst das Gemeinschaftserlebnis. Erst nach und nach versuchten die Rechtsextremisten, die Jugendlichen von ihrer Ideologie zu überzeugen. Je nach Gruppierung - sei es Neonazi-Kameradschaften, Autonome Nationalisten oder rechtsextremen Parteien - kann diese stark variieren. Das Ziel ist es, die jungen Menschen von ihrem Umfeld zu entfremden und auf ihre Seite zu ziehen. Das gelingt ihnen, indem Angst und Hass gegen andere geschürt wird.

"Die Zielgruppe der rechtsextremistischen Vereinigungen sind vor allem Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren", erklärt Bründl. Dann sind die jungen Menschen in der Regel in der Pubertät, lösen sich von ihren Eltern und suchen nach Orientierung und neuen Vorbildern; ihre politische Meinung ist zumeist noch nicht gefestigt. Besonders Jugendliche mit schwachem Selbstwertgefühl sehnen sich nach einer autoritären Führungspersönlichkeit und sind empfänglich für rechtsextremistisches Gedankengut.

Was man nicht vermuten mag, ist, dass Facebook in Deutschland im Rahmen seiner Datenschutzrichtlinien gezwungenermaßen deutsches Recht umsetzen muss. Da die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts verfassungswidrig ist, überprüft das Unternehmen "länderspezifisch Symbolen in Bildern", erklärt Schäfert. Profile, deren rechtsextremistische Inhalte durch die Analyse auffliegen, werden umgehend gelöscht. "Personen, die ihren Namen zusätzlich mit Zahlen kennzeichnen, weil sie schon mehrfach gelöscht wurden, sind immer verdächtig", bemerkt Schäfert.

Für Jugendliche ist es sehr schwierig, rechtsextremistische Gruppen in Facebook zu erkennen. "Es gibt nichts, was es nicht gibt", bemerkt Schäfert - auch rechtsextremistische Vegetariergruppen. Daher sei Präventionsarbeit unerlässlich, wie Bründl betont. Seit der Gründung der BIGE im Jahr 2009 habe die Organisation bereits 230 Vorträge an Schulen gehalten. Dabei werden Schüler über Dresscodes, Symbole und das Vokabular der Rechtsextremisten aufgeklärt. "Wir appellieren daran, auch im Netz Zivilcourage zu zeigen und nicht wegzuschauen", sagt Bründl. Wem eine Seite oder ein Video auf Youtube verdächtig erscheine, sollte dies mit der "Meldefunktion" kundtun. Außerdem veranstalteten sie Vorträge für Lehrer und Eltern, die ebenso positiv aufgenommen würden. "Eltern sollten das Verhalten ihres Kindes im Auge behalten und klar Position gegen Rechtsextremismus beziehen." Zudem sollten sie ihren Kindern Kompetenz im Umgang mit dem Internet vermitteln.

Vom Verfassungsschutz sind bayernweit etwa 2200 Personen als rechtsextremistisch registriert. Dass Präventionsarbeit nötig ist, beweist die Tatsache, dass sich die rechtsextremistische Szene laut Bayerischem Innenministerium in den vergangenen 20 Jahren deutlich verjüngt hat. Noch scheinen die Strategien von Rechtsextremisten, Jugendliche anzuwerben, erfolgreich zu sein.

"Unsocial Networks (?) - was machen die Neuen Medien mit unseren Kindern?" Mit dieser Frage beschäftigt sich das SZ-Forum am Montag, 10. Juni, um 19.30 Uhr im Ludwig-Thoma-Haus, Augsburger Straße 23 in Dachau. Es diskutieren Sabrina Andersen, Fachlehrerin der Mittelschule Dachau Ost, Noemi Nedelcev und Johannes Richter, Schüler des Ignaz Taschner Gymnasiums Dachau, Ekkehard Sander, Jugendforscher am Deutschen Jugendinstitut München, und Björn Friedrich, Autor des "Facebook-Buchs für Eltern". Moderation der SZ-Veranstaltung: Helmut Zeller und Gregor Schiegl. Eintritt ist frei.

© SZ vom 07.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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