Knapper Raum zwingt zur Ordnung. Wer nur wenige Quadratmeter zum Leben hat, der weiß, dass Aufräumen eine Pflichtübung ist. Wer jedoch auch Kinder hat, weiß, wie mühsam das sein kann. Katharina Papanikola hat das Spielzeug ihrer Kinder deshalb in einer durchsichtigen Kiste hoch über der Eingangstür verstaut. Da kommt zwar niemand ran, aber sonst ist nirgends Platz dafür. Die vierköpfige Familie lebt auf 39 Quadratmetern, in einer kleinen 1,5-Zimmerwohnung in Markt Indersdorf. Und sie hofft auf eine Zukunft mit mehr Raum zum Atmen.
Dabei ist es hier so gemütlich, wie es angesichts der Umstände nur geht. Drei Leuchtsterne hängen im Fenster, ein kleiner Plastik-Weihnachtsbaum duckt sich in die Ecke des Wohnzimmers, in dem Katharina Papanikola jede Nacht mit ihrer zweijährigen Tochter auf dem Ausklappsofa schläft. Vater Vasili Papanikola verbringt die Nacht neben seinem Sohn Christiano, neun Jahre alt, in der Schlafnische neben dem Wohnzimmer.
Die frei begehbare Fläche darin reicht gerade aus, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Zwei Kleiderschränke stehen sich so nah gegenüber, dass man schon durch das Öffnen der Schranktür den Durchgang versperrt. Die kleine Tochter hat sich schon ein paar Mal unfreiwillig hinter der Schranktür verbarrikadiert - dann müssen alle in der Wohnung warten, bis die Zweijährige die Schranktür wieder schließt.
Die Familie klagt nicht über den Platzmangel
Familie Papanikola, die in Wirklichkeit anders heißt, klagt nicht über den Platzmangel. Die vier machen das Beste daraus und sind froh, überhaupt eine Bleibe zu haben. Davor lebten sie in Dachau in einer Ein-Zimmerwohnung ohne Küche, ohne Bad. Heute trennt ein geraffter Fadenvorhang die fensterlose Kochnische vom Rest des Raumes ab. Eine mit Blumenmuster bedruckte Plastikdecke liegt auf dem Couchtisch. Wenn der neunjährige Christiano Hausaufgaben zu erledigen hat, wird es jedoch schwierig. Meist macht er sie auf dem Teppichboden. Seine Lehrkräfte beklagen, dass der Junge sich daheim nicht gut konzentrieren könne.
Christiano, dunkle Haare, wacher Blick, der gerade in eine Decke gekuschelt auf dem Sofa liegt, sagt: "Ich wünsche mir, dass ich meine Hausis alleine machen kann. Meine kleine Schwester nimmt mir sonst immer alles weg." Er besucht die dritte Klasse, Mathe fällt ihm leicht, Deutsch fordert ihn heraus. An der Wand hängen Sportabzeichen und Medaillen, Christiano liebt Fußball. Stolz sagt er: "Ich bin besser geworden in der Schule."
Um 3 Uhr morgens muss der Vater raus
Bislang zahlt die Familie rund 750 Euro Miete für den ebenerdigen Wohnraum. Vasili Papanikola verlässt meist um 3 Uhr morgens das Heim, um zu seiner Arbeit am Münchner Flughafen zu pendeln. Er fährt Lastwagen und liefert Essen zu den Flugzeugen auf der Landebahn.
Wenn er nach dem Schichtdienst nach Hause kommt, fehlt ihm ein Ort, um sich zu erholen. Er sagt: "Ich habe mit 13 Jahren angefangen, auf Baustellen zu arbeiten. Wenn etwas gemacht werden muss, bin ich da." Seine Frau Katharina arbeitet als Haushaltshilfe in der Nähe. Von ihrem gemeinsamen Einkommen zahlen die Eltern auch noch Schulden ab.
Die Sozialwohnung ist die Rettung
Vasili Papanikola, geboren in Albanien, erzählt, wie es dazu kam: Er hatte gerade seine Frau in Griechenland kennengelernt, wo er 14 Jahre lang gearbeitet hatte, als er wegen der Euro-Krise in sein Herkunftsland zurückkehren musste. Er wollte eine Werkstatt eröffnen. Sein Haus stand nah an der geplanten Route einer Autobahn und seine Reifenwerkstatt sollte dort in Zukunft gut laufen, so stellte er sich das vor.
Vasili Papanikola nahm einen Kredit von 80 000 Euro auf - doch als die Autobahn gebaut wurde, trennten die Werkstatt plötzlich nur noch 33 Meter statt der vorgeschriebenen 50 Meter von der Trasse. Eines Tages kamen die Bulldozer. "Die albanische Regierung hat meine Werkstatt zerstört", sagt der Familienvater.
Überprüfen lässt sich diese Erzählung nicht, für Vasili Papanikola jedoch war klar, dass er nun an einem anderen Ort versuchen muss, Geld zu verdienen. 2017 kam die Familie nach Deutschland. Beide Eltern arbeiten, zahlen Steuern und erhalten keine Sozialhilfe - zum Leben reicht es trotzdem nicht.
Vier Zimmer, aber keine Küche
Nun tut sich für Familie Papanikola eine Hoffnung auf: Sie haben sich mit der Unterstützung einer Betreuerin von Amper e.V., den "ambulanten pädagogischen Erziehungshilfen", erfolgreich für eine der neuen Sozialbauwohnungen in der Indersdorfer Undeostraße beworben. Die Gemeinde will der Familie dort bis März eine Vierzimmerwohnung bereitstellen. Allein es fehlt eine Einbauküche in dem Neubau.
Der SZ-Adventskalender unterstützt die Familie jetzt mit einer neuen Küchenzeile. Christiano und seine kleine Schwester werden dann zum ersten Mal in ihrem Leben ein eigenes Kinderzimmer haben. Bisher konnte der Junge noch nie Klassenkameraden zu sich nach Hause einladen, in neun Lebensjahren hat er auch noch nie Gäste zu einer Kindergeburtstagsparty einladen können. Das soll sich nun ändern.