Sportverein:Die marode Sporthalle des ASV Dachau

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Die Georg-Scherer-Halle ist in einem elenden Zustand. Wann der Neubau kommt, weiß keiner. Ein Mängelprotokoll

Von Julia Putzger, Dachau

Auch wichtige Projekte wie der Neubau einer Turnhalle für die marode Georg-Scherer-Halle beim ASV Dachau bleiben vorerst liegen zum Ärger von ASV-Chef Andreas Wilhelm. (Foto: Toni Heigl)

Egal wo in der Georg-Scherer-Halle der ASV-Vorsitzende Andreas Wilhelm steht - ob im Geräte- oder im Technikraum, in der Umkleide oder auf dem Spielfeld - es gibt einfach keinen Fleck, an dem nicht irgendetwas repariert werden müsste. Einer der Duschräume ist zum Beispiel mit einer Sperrholzplatte verschlossen, weil es dort einen Wasserrohrbruch gab. 2012 war das. "Es hieß ja immer, bald wird die neue Scherer-Halle gebaut", sagt Wilhelm. Doch diese Hoffnung scheint in den vergangenen acht Jahren kein bisschen näher gerückt zu sein.

Um den elenden Zustand zu erkennen, in dem sich der einstige Stolz des größten Dachauer Sportvereins, die nach Georg Scherer benannte Dreifachturnhalle, befindet, muss man die Halle eigentlich noch nicht einmal betreten. Aber man muss sehr aufmerksam sein. Sonst könnte man den Schriftzug "Georg-Scherer-Halle", der früher einmal in satter blauer Farbe über dem Besuchereingang prangte, glatt übersehen. Die Buchstaben sind fast vollständig verblasst, auf der grau verputzen Fassade sind sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ein Blick ins Innere des Gebäudes lohnt sich dennoch - um des Entsetzens Willen.

Keine zehn Schritte weit ist Wilhelm vom Besuchereingang in Richtung Hallenmitte gegangen, da bleibt er auch schon am Tor des Geräteraums stehen. Er zeigt nach rechts auf eine Säule, die das Hallendach trägt und sein Blick wandert nach oben. "Wenn es stärker regnet, dann läuft hier an der Säule das Wasser runter", erklärt er beinahe so, als ob das nichts Ungewöhnliches wäre. Mitten im Geräteraum bilde sich dann eine Pfütze und wenn die zu groß werde, dann fließe das Wasser durch einen Spalt zwischen Geräteraum und Turnhalle ab - was damit dann unter dem Hallenboden passiert, das weiß niemand so genau. Eine Vermutung samt Beweisführung ist jedoch nicht schwierig. Wilhelm geht vom Geräteraum aus zielstrebig auf die andere Hallenseite. Dort wo er stehen bleibt, fühlt sich der Boden unter den Füßen ungewöhnlich weich an, ein bisschen schräg scheint er auch zu sein. "Ich vermute, dass hier - und an ein paar anderen Stellen auch - der Boden von unten angefault ist", sagt der Vereinsvorsitzende.

Wilhelm deutet auf die Fenster über der Zuschauertribüne. Damit es in der Halle weniger blendet und weil eine professionelle Verdunkelung zu teuer war, brachte ein Maler 2012 dort dunkelblaue Farbstreifen an der Innenseite der Fenster an. "Zwei bis drei Jahre würde das schon halten, meinte der. Und bis dahin sollte es ja sowieso eine neue Halle geben", erinnert sich Wilhelm. Mittlerweile haben sich die Streifen allesamt an den Rändern gelöst, die neue Halle steht noch nicht einmal als Plan am Papier.

Ein Wasserschaden an der Decke ist nur Teil des Problems. (Foto: Toni Heigl)

Das grundlegende Problem der Scherer-Halle sind nicht ihre Dutzenden Mängel, sondern die Planungen rund um ihren Neubau. Schon seit 2012 steht fest, dass eine Sanierung zwecklos ist. Doch damit die Halle während der Bauzeit nicht komplett ausfällt, soll die neue Scherer-Halle an anderer Stelle auf dem ASV-Gelände errichtet werden - nämlich dort, wo sich derzeit die ebenfalls sanierungsbedürftige Eislauffläche befindet. Der Plan, der im Stadtrat lang diskutiert und 2017 beschlossen wurde, doch der seitdem kaum vorangekommen ist, sieht deshalb vor, dass zuerst eine neue Eisarena im Süden des ASV-Geländes errichtet wird, dann die alte Eisfläche abgerissen wird, damit dort die neue Scherer-Halle entstehen kann. Eine Koppelung also, die die Fertigstellung der dringend notwendigen neuen Turnhalle wieder in weite Ferne rückt. "Ich verstehe das einfach nicht", sagt Wilhelm verzweifelt, "das ist für viele Besucher auch das Gesicht der Stadt. Wenn die Halle der Stadt selbst gehören würde, dann würde der Neubau vermutlich schon lange stehen."

Zur fatalen Projektkopplung hinzu kommt, dass aufgrund der Corona-Krise auch das Geld im städtischen Haushalt mehr als knapp ist und nur noch Pflichtaufgaben erledigt werden dürfen. Den Neubau der Scherer-Halle sieht Andreas Wilhelm jedoch als eine solche an, denn immerhin wird diese von etwa 700 Schülern der Grund- und Mittelschule Dachau Süd als Schulturnhalle genutzt. "Aus meiner Sicht sind die Prioritäten deshalb klar. Wenn schon kein Geld für beides da ist, dann kann man auch gleich beginnen, statt weiter Zeit mit der Diskussion zu vertrödeln", sagt er und rechnet gleich noch vor: Bei den angenommenen 20 Millionen Euro, die der Neubau der Scherer-Halle kosten wird, und einer jährlichen Baukostenerhöhung von vier Prozent, wird das Projekt allein im nächsten Jahr 800 000 Euro teurer. "Davon kann man sich in der Zwischenzeit auch eine ganz tolle mobile Eisbahn leisten", schlägt er als Lösung vor. Denn selbst wenn man jetzt mit den Planungen für die neue Scherer-Halle beginne, dauere es noch rund dreieinhalb Jahre, bis diese steht. Ob bis dahin noch alles durchhält, das kann Wilhelm beim besten Willen nicht versichern.

Er führt jetzt in die Umkleiden. An deren Türen hat jemand Nutella-Etiketten geklebt - sehr lange muss das schon her sein, denn das Nutella-Design ist heute längst ein anderes. Mehr als irgendwo anders im Gebäude fühlt man sich in den kahlen Umkleideräumen zurück in die Siebziger versetzt. Bis auf die Sanitäranlagen, die laut Wilhelm wohl um 1985 saniert wurden, und die Sperrholzplatte vor dem Eingang der kaputten Dusche, handelt es sich bei allem anderen scheinbar um die Originalausstattung von 1972, als die Halle errichtet wurde. "Duschen will hier schon lange niemand mehr", stellt der Vorsitzende deprimiert fest. Auch das gemütliche Beisammensein nach dem Training, das eigentlich zum Sport gehöre, falle weg: "Hier fühlt man sich nicht wohl. Alle wollen nur schnell nach Hause."

Fast im Minutentakt wird die Mängelliste während des Rundgangs mit Andreas Wilhelm durch die Scherer-Halle länger. Sämtliche Details an dieser Stelle aufzulisten, das würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Unter anderem berichtet Wilhelm davon, dass aus sicherheitstechnischen Gründen eigentlich sämtliche Verschleißteile der beiden Trennvorhänge ausgetauscht werden müssten. Und nicht nur an den tragenden Säulen dringe Wasser von oben in die Halle ein, auch an anderen Stellen sei das Dach undicht, weshalb sich an der Decke hässliche braune Wasserflecken bilden. Ändern könne man daran aber nichts - das lasse die Statik nicht mehr zu.

Der marode Zustand der Halle bereitet dem ASV-Vorsitzenden Andreas Wilhelm schlaflose Nächte. (Foto: Toni Heigl)

Auch die Türen des Gebäudes, innen wie außen, haben Probleme: Sie sind undicht, verbogen und verzogen - als Wilhelm nach der dreimonatigen Corona-Pause erstmals wieder durch eine Umkleide hindurch in die Halle wollte, klemmte die Tür so sehr, dass er dachte, sie sei abgeschlossen. Derweil war sie einfach nur zu lang nicht mehr geöffnet worden.

Am Ende des langen Flurs hinter den Umkleiden befindet sich schließlich der Technikraum, dessen Inhalt mit moderner Technik jedoch schon seit einiger Zeit nichts mehr zu tun hat. Fast den gesamten Platz darin nimmt eine alte Ölheizung ein, an der Wand hängt ein Schaltkasten, der auch aus einem schlechtgemachten Science-Fiction-Film der Achtziger stammen könnte. Wilhelm legt drei Schalter an einem grauen Kasten um. Während die Lüftung in der Halle nun in etwa so laut dröhnt wie der Verkehrslärm an einem durchschnittlichen Vormittag auf der Schleißheimer Straße, erzählt der Vereinsvorsitzende, dass er eigentlich gern eine Zeitschaltuhr einbauen lassen wollte. Doch der Elektriker habe abgewinkt: Jede kleinste Änderung in der Hallentechnik - abgesehen vielleicht von einem neuen Lichtschalter - würde die komplette Erneuerung aller Komponenten erfordern.

Am meisten Sorgen macht sich der Vereinsvorsitzende deshalb um eben jene Lüftung: Denn obwohl sie aus ökologischer und betriebstechnischer Sicht eine Katastrophe ist - sie saugt kalte Luft von außen an, wärmt sie und bläst sie in die Halle, während an anderer Stelle alte Luft aus dem Inneren nach außen geblasen wird - ist sie vor allem in Zeiten von Corona unerlässlich. "Wenn da was kaputtgeht, dann müssen wir von einem Tag auf den anderen dichtmachen. Das repariert mir ja niemand mehr, die Teile gibt es doch gar nicht mehr. Wir haben ja nicht mal eine Plakette gefunden, von wann genau die Anlage ist."

Wären da nicht das Verantwortungsgefühl und die Erinnerungen an die gute alte Zeit - mit 17 Jahren kam Andreas Wilhelm zum ASV nach Dachau und spielte in der ersten Liga Volleyball - der viele Schweiß und die Tränen, die in der Scherer-Halle stecken, dann hätte der Vereinsvorsitzende wohl schon aufgegeben. Der Zustand der Turnhalle habe ihm nicht nur eine schlaflose Nacht beschert. "Irgendwo ist das vielleicht noch regelkonform, aber mein Magen sagt mir etwas anderes. Ich kann hier nur noch so durchlaufen", sagt er und hält sich dabei die Hände vor die Augen.

© SZ vom 27.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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