Schrannenslam:Introspektion

Lesezeit: 2 min

Es geht um Ruhm und Ehre und eine Flasche Whiskey: Die neue Saison des Poetry Slams in der Kulturschranne hat begonnen.

Ariane Attrodt

Ein voller Erfolg war der Start in die neue Saison des Poetry Slams in der Kulturschranne. Am Ende standen acht Künstler auf der Bühne, die das Publikum mit völlig unterschiedlichen Darbietungen begeisterten. Über den ersten Platz konnten sich gleich zwei der modernen Poeten freuen, denn das Publikum hatte im Finale entschieden: Ben Bögelein und Pierre Jarawan durften sich die gewonnene Whiskeyflasche teilen.

Den Anfang an diesem Abend machte Eva Stepkes aus Mainz, die nach eigener Aussage "kleine Mädchenlyrik" vortrug. In ihrem Selbstporträt stellte sie sich die Frage, ob es möglich sei, sich selbst zu reflektieren, was in die Frage mündete: "Wer wäre ich, wenn du ganz anders wärst?" Der Landsberger Dominik Erhard erzählte, wie ihn ein kritischer Kommentar seines Deutschlehrers zu Höchstleistungen antrieb, so dass er sogar ein Lernkonzept für seine Mitschüler entwickeln sollte. Ben Bögelein aus Nürnberg beschäftigte sich schließlich mit dem Thema Emanzipation und stellte fest, dass Frauen mehr Privilegien hätten als Männer: "Als Mann muss man Hosen tragen, obwohl Kleidchen viel süßer sind und man darf nicht Kleidchen und süß sagen, weil sonst ist man schwul". Am Ende fragte er sich und das Publikum: "Wo ist da die Gleichberechtigung?" Sieglinde Holzknecht aus Erlangen nahm das Publikum bei ihrer "Blaupausenbetrachtung" mit auf eine Reise des Erwachsenwerdens und beendete so die erste Runde.

Durch den Abend führte Ko Bylanzky, der es wieder einmal geschafft hatte, talentierte junge Poeten nach Dachau zu locken. Dass beim Schrannenslam mehr Männer als Frauen auftreten, sei normal. "Männer trauen sich wohl einfach mehr und machen einfach", sagte er. So wie der Münchner Kaleb Erdmann, der die zweite Runde eröffnete und seinem Ärger in dem Beitrag "Wutbürger und andere Geschlechtskrankheiten" gehörig Luft machte: "Ihr denkt, wenn ihr am Telefon eine Stunde lang einen Servicemitarbeiter anschreit, wird die Welt besser!" Markus Berg, ebenfalls aus München, bot danach anlässlich des Oktoberfestes "Das Lied der Besoffenen" dar, in dem "der Säufer zur Münchner Plage" wird.

Pierre Jarawan aus München fragte sich in seinem Beitrag, wo nur die ganzen guten Ideen herkämen und fand am Ende sogar eine Antwort: "Die meisten liegen auf der Straße, das Schwierige ist es, sie zu erkennen." Er selbst verriet bei einem kleinen Interview, dass er eine Stunde Schaffenszeit für einen Slam brauche, "wenn es gut läuft". Ansonsten könne es bis zu drei Wochen dauern. Im Finale erzählte der 27-jährige schließlich "von Zauberern und Metzgern - wie ich die Poesie zu den Menschen bringen wollte". Bögelein widmete sich in der Endrunde dem Fernsehprogramm und analysierte auf ironisch-zynische Weise Formate wie "Familien im Brennpunkt", "Extrem schön" oder "Die Wollnys". Am Ende kürte das Publikum beide zum Sieger. Der 24-Jährige Bögelein kann sich vorstellen, noch lange bei Poetry Slams mitzumachen, aber "wenn es mir irgendwann keinen Spaß mehr macht, höre ich auf", stellte er klar. Jarawan dagegen will später "im Idealfall" als Werbetexter arbeiten. Heute in Dachau, nächste Woche nach Marburg und danach nach Bremen - ein Leben lang wäre ihm das zu anstrengend. Schade eigentlich.

© SZ vom 22.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: