Ausstellung:Street-Art für drinnen

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Frederic Sontag und Julia Heinisch stellen im Alten Metzgerhof aus. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Dachauer Kulturverein Schere Stein Papier zeigt die verspielte Ausstellung "Tagediebe & Landstreicher". Gestaltet hat sie das Künstlerduo "Video.Sckre", das international für seine haushohen Graffiti-Bilder bekannt ist.

Von Andreas Förster, Dachau

Große Kunst in der Kleinen Altstadtgalerie. Große Kunst, das bedeutet bei Julia Heinisch (Künstlername Video) und Frederic Sontag (Künstlername Sckre) die Produktion von Murals: großflächig besprühte Häuserwände und Fabrikfassaden. Mit ihrer Graffiti-Streetart ist das österreichisch-deutsche Künstlerduo Video.Sckre international erfolgreich. In der Galerie in Dachau hängen noch bis zum 10. März kleinformatige "Kopien", nicht minder eindrucksvolle Mini-Graffiti, die sich motivisch eng an den Murals orientieren: Fauna und Flora fließen hier organisch ineinander, Eisvögel im Flug, Gimpel oder Rotkehlchen beim Naschen von Vogelbeeren, sie sind die titelgebenden "Tagediebe und Landstreicher". Das sei nicht abwertend gemeint, versichert Julia Heinisch, im Gegenteil. Es gehe nicht darum, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, sondern "wie wir sind", betont sie. Also bunt, verspielt, romantisch, vielleicht sogar verliebt, verliebt in die Schöpfung.

Da das Kollektiv Video.Sckre im Winter nicht an Häuserfassaden arbeitet, haben Heinisch und Sontag die vergangenen sechs Wochen ihre neuesten Werke im Atelier in Linz produziert. Auf einem der Bilder taucht eine Ente unter Wasser. Der Betrachter taucht mit, sieht die Szene wie ein Kameramann in einer Doku. "Wir bekommen unsere Inspiration tatsächlich aus Dokumentationen oder aus unseren Reisen und eigener Naturbeobachtung", erzählt Julia Heinisch.

"Wir verstehen die Natur als Sanatorium"

Die Linzerin hat in ihrer Heimatstadt Bildhauerei sowie in Wien Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Bei einem Graffiti-Festival in Stuttgart traf sie in den 2010er-Jahren Frederic Sonntag. Obwohl Heinisch ihr Studium noch nicht beendet hatte, machte sie sich mit Sontag selbständig. 2016 stellten die beiden ihr erstes großes Wandbild fertig, erinnert sich Heinisch. Mit Sontag teilt sie die Liebe zur Kunst im öffentlichen Raum, zu Pflanzen und Tieren, und die künstlerische Vision: "In ihrer künstlerischen Suche dem Spieltrieb folgend verstehen wir die Natur als Sanatorium", also als Heilanstalt, heißt es auf der Homepage von Video.Sckre. Die Zuständigkeit, also wer welchen Part an einem Bild übernimmt, sei im Herstellungsprozess nicht unbedingt in Stein gemeißelt. Meistens kümmere sich Sontag um die Pflanzen, Julia um die Tiere, und der Hintergrund ist "Gemeinschaftswerk", erklären die beiden.

Dennoch ist nirgendwo ein Bruch in der Farbgebung erkennbar, alles fließt und gleitet harmonisch ineinander. Vergleichbar mit einem Cartoon, an dem mehrere Künstler an Figuren und Bewegungen gezeichnet haben und die sich am Ende zu einem flüssigen ablaufenden Film vereinen - die perfekte Illusion. Das geschieht bei "Tagediebe & Landstreicher" nicht auf Zelluloid, sondern auf Holz, sogar Original-Theaterholz aus den Münchner Kammerspielen. Von der Bühnenschreinerei aussortiert und von Frederic Sontag zurechtgeschnitten und -gefeilt.

Noch so ein sympathischer Tagedieb und Landstreicher: Hahn auf Holz. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Ein Puzzle aus eigenständigen Bildern unterschiedlichster Größen und Formate setzt sich zusammen zu einer großen farbenfrohen Kulisse. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der gebürtige Ludwigsburger, Jahrgang 1988, ist gelernter Theatermaler. Von den Münchner Kammerspielen bekommt er regelmäßig Aufträge für Bühnenbilder. Erste künstlerische Erfahrungen sammelte er als Jugendlicher in der süddeutschen Graffiti-Szene. Als Sprayer kam Sontag vor zwölf Jahren nach München und später nach Dachau, um mit den Graffitikünstlern um Johannes Wirthmüller die Fassade der ehemaligen Papierfabrik zu besprayen. Auf Wirthmüllers Empfehlung ist Sontag nun im Rahmen der Ausstellung wieder in Dachau gelandet.

Die in satten Grün- und Blauschattierungen gehaltenen Bilder kombinieren Heinisch und Sontag geschickt mit Grünpflanzen und verleihen so der Kleinen Altstadtgalerie ein wenig die Anmutung eines Großstadt-Dschungels. Jedes Kunstwerk ist in verschieden große, puzzleartige Einzelstücke aufgeteilt, die allein für sich stehen und käuflich erworben werden können.

Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag von 18 bis 20 Uhr, Sonntag von 14 bis 16 Uhr im Alten Metzgerhof, Burgfriedenstraße 3 (ehemaliger Innenhof des Café Gramsci).

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