Röhrmoos:Macher gesucht

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Die vier Kandidaten für die Nachfolge von Bürgermeister Hans Lingl müssen komplexe Probleme wie den Bau einer völlig neuen Ortsmitte für Röhrmoos bewältigen. Außerdem spielt die Kreispolitik in und für die Gemeinde eine große Rolle.

Von Wolfgang Eitler

Die vier Bürgermeisterkandidaten verstehen sich als Konkurrenten, nicht aber als politische Gegner. Sie besuchen sich auf Wahlveranstaltungen so gar gegenseitig. Sie nehmen an jedem runden Tisch Platz. Vielleicht schon bald in Sportheim, dessen Zukunft ungewiss ist, nachdem kein Wirt mehr zu finden ist. (Foto: Toni Heigl)

Als Hans Lingl Bürgermeister von Röhrmoos wurde, hätte niemand gedacht, dass sich der ehemalige Polizeibeamte mit hohem Integrationsbedürfnis zur Galionsfigur in der politischen Auseinandersetzung um eine dritte Startbahn auf dem Flughafen München entwickeln könnte. Er ist der personifizierte Gegenpol zur CSU im Landkreis Dachau, die ihre Abneigung nicht mehr zu verhehlen vermag. Die Röhrmooser hatten sich vor zwölf Jahren für ihn entschieden, weil sie die damaligen, persönlich motivierten Streitigkeiten im Gemeinderat leid waren. Beim zweiten Mal schätzten die Wähler an ihrem Bürgermeister bereits weniger dessen Credo einer harmonischen Zusammenarbeit als seine zupackende Art. Daran müssen sich die Kandidaten um seine Nachfolge messen lassen. Lingl hört aus Altersgründen auf.

Die Gespräche in den Geschäften oder auf der Straße über die Wahlchancen beginnen meist mit einer vorsorglichen Beteuerung: Dann heißt es, dass alle vier Kandidaten "sympathisch" seien. Jeder von ihnen wird als "anständiger Kerl" gelobt. Alle vier gelten als kompromiss- und gesprächsbereit. Also bereit zum "Miteinander", dem Röhrmooser Dauerslogan der Politik. Danach folgt allerdings eine Frage, in der sich eine gewisse Skepsis ausdrückt: "Aber können sie eine Gemeinde führen?" Oder: Sind sie von ihren Fraktionen und politischen Gruppierungen "unabhängig genug", eigene Wege zu gehen? Auch auf die Gefahr hin, grandios zu scheitern, wie Hans Lingl zum Beispiel mit der Idee, an das Dorf Schönbrunn, neben dem historischen Kern, ein großes Gewerbegebiet zu kleben.

Die meisten Bürger sehen die Probleme vor allem als Chancen: Auf eine Ortsmitte, somit auf eine Erweiterung der Gemeinde durch einen innerörtliche Entwicklung und nicht durch die sonst übliche Zersiedlung an den Rändern der Dörfer. Denn Röhrmoos ist ein Ort des Zuzugs. Der Trend wird sich noch verstärken, weil der Siedlungsdruck aus der teuren und für viele Menschen nicht mehr erschwinglichen Landeshauptstadt ständig zunimmt.

Allerdings prägten die Vorbehalte zwischen Alt-Röhrmoosern ("brauch mer net"), die sehr deutlich ihr Missfallen gegenüber einem neuen Ortszentrum äußerten, und den Befürwortern, viele von ihnen Zugezogene, die Diskussion. So wusste die CSU im Gemeinderat lange Zeit nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie war nur schwer zu überzeugen, Röhrmoos eine völlig neue Struktur zu geben, indem ein Kreisverkehr entsteht und die alte Kreisstraße Richtung Riedenzhofen geschlossen wird. Mittlerweile ist der Status der juristischen Verhandlung erreicht, weshalb keiner der Mandatsträger sich öffentlich äußern will. Vorsichtig nebulös formulieren Gemeinderäte und Bürgermeister, dass man die Eigentümer mitnehmen müsse. Mehr ist von den beiden Kandidaten und Gemeinderäten Dieter Kugler (CSU) und Volker Nist (Freie Wähler), nicht zu erfahren. Auch Arthur Stein (Grüne Unabhängige Liste) und Wolfgang Götz bekennen sich zu einer Ortsmitte. "Der Teufel steckt", wie ein Gemeinderat sagt, "im Detail".

Nun würde man annehmen, dass gerade in einem Wahlkampf um dieses Zukunftsthema für die gesamte Gemeinde öffentlich und gemeinsam mit dem Bürger gerungen werden müsste. Aber sämtliche Mandatsträger halten sich an die Vorgaben einer nicht öffentlichen Beratung - und nähren die Gerüchteküche. Dem Vernehmen nach soll sich der Gemeinderat kürzlich nur knapp für den von der Eigentümerfamilie vorgelegten Rahmenplan entschieden. Dabei soll er darauf verzichtet haben, Grundstücke für ein Einheimischenmodell vorzuhalten. Außerdem soll der Wunsch auf zusätzlichen Grund für eine Erweiterung des katholischen Kindergarten von den Eigentümern abgelehnt worden sein. Solche Anliegen gelten in Gemeinden heutzutage als eine Selbstverständlichkeit, da neue Baugebiete hohe Kosten für die Infrastruktur nach sich ziehen.

In den Wahlprogrammen unterscheiden sich die vier Kandidaten kaum. Dazu sind die sonstigen Herausforderungen zu klar. Röhrmoos muss die Kinder- und Jugendbetreuung weiter ausbauen, obwohl der gesamte Gemeinderat überzeugt ist, Herausragendes geleistet zu haben. Die Seniorenpolitik wird vor allem für die vielen Zugezogenen wichtig, damit sie im Alter in der Gemeinde bleiben können. Dabei wird das Franziskuswerk in Schönbrunn eine wichtige Rolle einnehmen müssen, da das gemeinnützige Unternehmen durch die Betreuung von geistig Behinderten über die dafür nötige Infrastruktur verfügt.

Das Dorf Schönbrunn begründet auch die Ausnahmestellung von Röhrmoos in der Kreispolitik. Denn es kann die Ideen einer Inklusion von behinderten und nichtbehinderten Menschen nur gestalten, wenn Röhrmoos, Franziskuswerk und Landkreis sich einig sind. Ohne die kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft ist beispielsweise ein neues integratives Wohnen in Schönbrunn nicht zu finanzieren.

Röhrmoos ist überhaupt eine der Gemeinden des Landkreises, deren Zukunft eng mit der Kreispolitik verknüpft ist. Das trifft auf den Bau eines Zentrums entlang zweier Kreisstraßen genau so zu wie auf die Frage, wie künftig der Verkehrslärm vor allem in den Ortschaften wie Großinzemoos vermindert werden kann. Ohne eine Gesamtplanung ändert sich nichts an dem Durchgangsverkehr Richtung Dachau, Flughafen und Autobahn 99. Auch beim wichtigen Thema Startbahn hängt Röhrmoos davon ab, wie glaubwürdig und energisch die Kreispolitik sich besonders für ein verbrieftes Nachtflugverbot am Flughafen München einsetzen wird. Deshalb sollten die Wähler darauf achten, dass sämtliche Röhrmooser Kandidaten auf den Kreistagslisten ihre Stimmen bekommen. Denn die Gemeinde wird eine starke Fraktion im Kreistag dringend brauchen.

© SZ vom 11.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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