Rechtsstreit um Hundebiss:Begegnung im Wald

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Der Streit um Schmerzensgeld für einen angeblichen Hundebiss beschäftigt das Amtsgericht Dachau. Nun wird sogar extra ein Gutachten erstellt.

Von Walter Gierlich

Der Hund ist angeblich der beste Freund des Menschen - aber nicht jedes Menschen. (Foto: dpa)

"Leichte Kratzspuren, keine Rötung, keine Schwellung, kein Erguss." Es hört sich nun wirklich nicht allzu gravierend an, was ein Arzt einem promovierten Forstwirt und Naturschützer an Verletzungen zum Preis von 31,44 Euro attestiert. Und doch will dieser vor dem Amtsgericht Dachau von einem Karlsfelder Hundehalter 1813,66 Euro wegen eines angeblichen Bisses erstreiten: Für Arztrechnungen, Schmerzensgeld, Verdienstausfall. Weitere 1500 Euro müssten nach seiner Einlassung vor Richter Clemens Albert noch für eine Psychotherapie hinzukommen. Denn durch das Schockerlebnis habe er nun eine Hundephobie, die er mit psychologischer Hilfe überwinden will. Für alle diese Kosten gibt es bisher keine Nachweise. Richter Albert verlangt vom Kläger, diese nachzureichen. Doch der Beklagte denkt ohnehin nicht daran zu zahlen: Denn es habe keinen Hundebiss gegeben, versichert er. Die Frage des Richters, ob sie sich eventuell einen Vergleich vorstellen könnten, wird von beiden Seiten vehement und ohne lange zu überlegen verneint.

Das Geschehen, über das jetzt im Zivilprozess am Amtsgericht verhandelt wird, hat sich im April dieses Jahres am Rand des Allacher Walds ereignet. Dort, in dem Naturschutzgebiet an der Münchner Stadtgrenze zu Karlsfeld, hatte an jenem Tag ein Kräuterseminar stattgefunden. Die Teilnehmer waren auf dem Rückweg zum S-Bahnhof Karlsfeld, vorneweg die Seminarleiterin und der Kläger, die einen Leiterwagen zogen, der Rest der Gruppe etwa 20 bis 50 Meter dahinter. Der Beklagte ging mit seinem nicht angeleinten Tier, einem ausgebildeten Jagdhund, auf dem Weg am Waldrand spazieren. Er hatte, wie er vor Gericht sagt, die Gruppe schon vorher beobachtet.

Nun kommt der Hund ins Spiel: Unstrittig ist, dass er auf den Leiterwagen zulief. "Weil darin Gläser und Blechbüchsen klapperten", sagt der Beklagte. Doch plötzlich habe ihn der Hund "ohne jede Vorwarnung, völlig aus heiterem Himmel ins Knie gebissen", schildert der Forstwirt den weiteren Ablauf. Glücklicherweise habe er eine dicke Outdoor-Hose getragen. "Deswegen habe ich keine körperlichen Schäden erlitten, nur seelische", sagt er. Die Seminarleiterin bestätigt die Schilderung im Wesentlichen, bis auf das eigentliche Delikt, über das verhandelt wird: "Ich habe nur gesehen, dass der Hund am Bein hochgesprungen ist, das Knie im Maul habe ich nicht gesehen", räumt sie auf Nachfrage der Anwältin ein. Anders hat das der Hundebesitzer in Erinnerung. Er habe sein Tier die ganze Zeit im Blick gehabt, der Hund sei 20 bis 30 Zentimeter von dem Mann entfernt gewesen: Einen Biss habe es nicht gegeben. "Plötzlich schreit der wie ein Jochgeier: Der Hund hat mich gebissen."

Die Betrachtung der "Bisswunden" am Tatort erbrachte nicht viel. Die Kräuterexpertin sagt, das weder die Hose zerrissen war, noch dass der Mann geblutet hat. Es habe "nur punktuelle Abdrücke der Reißzähne" gegeben. Doch sei der Forstwirt schockiert gewesen, "fassungslos", sagt sie weiter. Am Richtertisch betrachtet man Fotos, die am Tag nach der Tat in der Arztpraxis aufgenommen wurden. Zu sehen ist auf den Bildern offensichtlich nicht viel. Rote Stellen am Bein sollen die Bisspunkte sein.

Eine Dreiviertelstunde ist mittlerweile vergangen. Richter Albert gibt eine Einschätzung: "Ich glaube, dass er gebissen hat." Die Anwältin erwidert, dass der Hund den Kläger allenfalls leicht touchiert haben könne: "Was ich auf den Fotos gesehen habe, ist keinesfalls schmerzensgeldfähig." Und an die Hundephobie glaubt sie schon gar nicht. Die möchte sie durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen haben. Das wird der Richter nun in Auftrag geben. Dann sieht man sich wieder. Und die Kosten steigen unaufhörlich an.

© SZ vom 06.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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