Prozess:Dachauer entführt Facebook-Freundin

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Eine junge Frau lernt einen 31-jährigen Mann im Internet kennen. Er soll die 22-Jährige entführt und mit dem Tod bedroht haben.

Von Andreas Salch, Dachau

Es war noch nicht ganz dunkel, als Yusuf L. am frühen Abend des 2. September vorigen Jahres die Türe eines in der Münchner Straße geparkten Pkw aufriss. Sofort setzte er sich auf den Beifahrersitz, packte Claudia S. ( Namen von der Redaktion geändert) an den Haaren und riss ihr den Kopf in den Nacken. Die 22-Jährige hatte gerade losfahren wollen. Seit Montag muss sich Yusuf L., 31, ein breitschultriger, kahlköpfiger Maschinist aus Dachau, vor dem Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Geiselnahme erhoben.

Nachdem er Claudia S. in seine Gewalt gebracht hatte, soll L. gedroht haben, ihr "die Nase zu brechen" und "die Kehle durchzuschlitzen", falls sie nicht macht, was er will. Yusuf L. wollte nach Salzburg. Warum gerade dorthin, ist unklar. In Salzburg soll Claudia S. den Maschinisten angefleht haben, sie gehen zu lassen. Der Anklage zufolge habe Yusuf L. daraufhin geantwortet, er könne sie nicht gehen lassen. Er werde ihr den Kopf zertrümmern und sie in den Fluss werfen. Yusuf L. schüttelte den Kopf, als die Vertreterin der Staatsanwaltschaft diese und andere Passagen aus der Anklage verliest, in denen ihm vorgeworfen wird, er habe Claudia S. malträtiert und mit dem Tode bedroht. Um Yusuf L. zu besänftigen, soll die 22-Jährige mit ihm in einem Hotel Sex gehabt haben. Erst als Claudia S. Yusuf L. versprochen habe, eine Beziehung mit ihm einzugehen, sei er bereit gewesen, mit ihr zurück nach München zu fahren. In Pasing stieg der Maschinist aus und ließ Claudia S. nach Hause fahren.

Verteidigerin strebt Freispruch an

Nachdem zwei Wachtmeister Yusuf L. an diesem Montagmorgen an einer Handfessel in den Sitzungssaal B 166 des Landgerichts München II geführt hatten, posierte der muskulöse Maschinist vor der Anklagebank stehend vor Pressefotografen. Der 31-Jährige trug eine schwarze Hose und ein eng anliegendes, schwarzes T-Shirt. Seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Julia Weinmann, teilte dem Vorsitzenden Richter Oliver Ottmann kurz und bündig mit, ihr Mandant werde weder zur Sache noch zu seiner Person etwas sagen. Der Angeklagte werde sich auch nicht psychiatrisch begutachten lassen, so die Verteidigerin. Das sei nicht notwendig, "weil das Ziel ein Freispruch ist".

Yusuf L. und Claudia S. lernten sich im Juli vorigen Jahres über Facebook kennen. Anfangs habe sich der 31-Jährige nicht zu erkennen gegeben, sagte die 22-Jährige bei ihrer Vernehmung. "Harmlose Nachrichten von einem Unbekannten", habe sie sich gedacht, so S. Doch dem war nicht so. Yusuf L. soll S. dazu gedrängt haben, alleine zu einem Treffpunkt im Osten Dachaus zu kommen. Sie nahm aber eine Freundin mit. Da sei der Angeklagte bereits "leicht aggressiv" geworden, so Claudia S. Über WhatsApp habe er mit geteilt, er fühle sich von ihr "verarscht". Auf die Frage von Richter Ottmann, warum sie den Kontakt nicht abgebrochen habe, antwortete Claudia S.: "Weil er auch nett war in der Zeit. Er hat sich um mich gekümmert, er wollte viel von mir wissen - alles, was eine Frau sich so vorstellt." Yusuf L. habe sie gedrängt, eine Beziehung mit ihm einzugehen. Doch das habe sie nicht gewollt.

"Er hat mir irgendwie leidgetan"

Daraufhin soll L. Claudia S. über WhatsApp unter anderem gedroht haben, "ihren Kopf am Dachauer Bahnhof aufzuhängen". Sie habe die Drohungen ernst genommen, sagte S. Doch es kam zu weiteren Treffen. Warum, fragte Richter Ottmann. "Er war ja auch zwischendurch nett", erwiderte die Zeugin. Als Yusuf L. Fotos mit einer Pistole mailte, ging Claudia S. doch zur Polizei. Ein Sondereinsatzkommando durchsuchte L.s Wohnung. Es fand nur eine Spielzeugpistole. Der 31-Jährige kam ins Isar-Amper-Klinikum nach München. Nach seiner Entlassung traf sich Claudia S. trotzdem wieder mit L. "Er hat mir irgendwie leidgetan", so S. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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