Organspende in Dachau:Gegen das Sterben auf der Warteliste

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Der Dachauer Helmut Thaler erhielt selbst eine Lebertransplantation. Nun setzt er sich für andere ein und startet eine Aufklärungskampagne für die Organspende.

Helmut Zeller

Als der SPD-Politiker Frank- Walter Steinmeier im August 2010 seiner todkranken Frau eine Niere spendete, war ganz Deutschland gerührt. Aber das prominente Beispiel änderte entgegen der Hoffnung von Patientenverbänden nichts an der bitteren Realität: Täglich sterben vier Menschen auf der Warteliste für eine Organtransplantation, sagt Horst-Günter Rau, Chefarzt am Amperklinikum Dachau. Der Mediziner unterstützt deshalb eine landkreisweite Aufklärungkampagne, die der Dachauer Helmut Thaler, Koordinator des Vereins "Lebertransplantierte" für Südbayern, jetzt gestartet hat. Seinen Kampf gegen das Sterben auf der Warteliste unterstützt auch der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU) aus Haimhausen.

Täglich sterben vier Menschen auf der Warteliste für eine Organtransplantation, sagt Horst-Günter Rau, Chefarzt am Amperklinikum Dachau. (Foto: dapd)

Die Kampagne fällt in die aktuelle politische Diskussion über eine Änderung des Transplantationsgesetzes. Eine Reform ist längst überfällig: Gegenwärtig warten in Deutschland mehr als 12 000, in Bayern 1700 Menschen auf ein lebensrettendes Organ. Aber nur jeder vierte habe eine wirkliche Chance, sagt Helmut Thaler. Doch es ist noch schlimmer: Viele Schwerstkranke werden auf der Warteliste gar nicht geführt, weil für sie eine Transplantation zu spät kommen würde. Die Lebendspende wie im Fall des SPD-Politikers Steinmeier, die gesetzlich auf eine enge persönliche Verbundenheit beschränkt ist, ist nicht das Problem.

Die Bereitschaft, nach dem Tod Organe zu spenden, ist gering ausgeprägt, seit einigen Jahren sogar rückläufig. Bei bundesweiten Umfragen, so Thaler, stimmten zwar 67 Prozent einer Organspende zu, aber nur 14 Prozent haben einen Organspenderausweis. Der Patientenverband führt das unter anderem auf massive Mängel in der Aufklärung zurück. Hier setzt Helmut Thaler an: "Nichts ersetzt das direkte Gespräch", sagt er. Dabei folgt er dem Grundsatz: "Ich informiere und argumentiere sachlich, auf keinen Fall will ich überreden; jeder muss für sich selbst die Entscheidung treffen."

Die bisherige Zustimmungsregelung soll auf Druck der EU weichen: Der potentielle Spender oder nach seinem Tod die Angehörigen entscheiden über eine Organentnahme. Eine Widerspruchslösung wie in Österreich, bei der grundsätzlich Organe entnommen werden können, sofern kein Widerspruch vorliegt, ist politisch nicht durchsetzbar. Die Bayern, die dieses Modell favorisierten, ruderten zurück. Jetzt läuft es auf die sogenannte Entscheidungslösung hinaus: Die Bürger müssten dann im Pass, im Führerschein oder in der Krankenversicherungskarte ihre Entscheidung dokumentieren lassen.

Dafür brauchen sie aber eine umfassende Information, wie Thaler sagt. Er besuchte bereits die Haupt- und Realschule in Indersdorf und die Hauptschule in Odelzhausen. Er habe dort nur gute Erfahrungen gemacht. Die Aufgeschlossenheit der Schüler der neunten Klassen habe sogar die Lehrer überrascht, berichtet Thaler. In den Schulen, fordert er, sollte das Thema Organspende Pflichtstoff sein. Eine wichtige Rolle spielt in der Aufklärungsoffensive das Amperklinikum. "Das unterstützen wir auf jeden Fall", sagt Chefarzt Rau.

Thaler plant eine Kooperation auch mit dem Landkreis und den Gemeinden. "Es kostet sie ja nichts", sagt er. Am 3. September wird er auf dem von mehreren Tausend Menschen besuchten Fantag der BR-Fernsehserie "Dahoam is dahoam", die in Dachau gedreht wird, für die Organspende werben. Das Thema weckt viele Fragen und Konflikte. Thaler weiß, wovon er spricht: Am 15. August 2008 hat er - gerade noch rechtzeitig - eine Leber bekommen.

© SZ vom 27.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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