Nachruf:Trauer um Manfred Deiler

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Schon lange vor der Gründung der Europäischen Holocaustgedenkstätte Stiftung kämpfte Manfred Deiler gegen die um sich greifende Geschichtsvergessenheit. (Foto: Wolfgang Hauck/Stiftung Bayerische Gedenkstätten)

Der Präsident der Europäischen Holocaustgedenkstätte Stiftung ist im Alter von 71 Jahren gestorben. Er hat die letzten baulichen Überreste des KZ-Außenlagers Kaufering VII erhalten und für einen Gedenkort gekämpft.

Von Helmut Zeller, Dachau

Im Juli dieses Jahres ist Manfred Deiler, Präsident der Europäischen Holocaustgedenkstätte Stiftung, noch mit der Bezirksmedaille ausgezeichnet worden. Der damalige Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) aus dem Landkreis Dachau sagte in seiner Laudatio, Deiler trage in "herausragender Weise" zur Erinnerungskultur in der Stadt und dem Landkreis Landsberg bei und habe diese auch international weitergetragen.

Jetzt ist Deiler im Alter von 71 Jahren gestorben. Die Landtagsabgeordnete Gabi Triebel (Grüne) trauert, wie sie sagt, um einen Freund und Weggefährten im Kampf um die Erhaltung des ehemaligen Dachauer Außenlagers Kaufering VII als Gedenkstätte. Auch der Verein Holocaust Stiftung, den Deiler seit 2009 leitete, trauert und spricht von einem großen Verlust.

Heute gibt es kaum noch Spuren der einstigen Lager

Die Historikerin Edith Raim hat die Geschichte der elf Außenlager des Konzentrationslagers Dachau bei Kaufering und Landsberg, die Juni 1944 entstanden, erforscht. In den Lagern mussten bis Ende April 1945 etwa 30 000 jüdische Häftlinge, unter ihnen 4200 Frauen und 850 Kinder, Zwangsarbeit für die NS-Rüstungsindustrie leisten.

Die Menschen schliefen in primitiven Erdhütten, die keinen Schutz vor Kälte und Regen boten. Mindestens 14 500 Häftlinge sind durch Hunger, Seuchen, Erschöpfung gestorben, wurden von der SS erschossen oder nach Auschwitz-Birkenau deportiert und vergast. Heute gibt es kaum mehr Spuren davon, anstelle der Lager stehen dort heute Industriegebäude, Wohnhäuser oder Kleingartensiedlungen.

Ein Erinnerungsort von nationaler und internationaler Bedeutung

Einige Lagerareale wurden als Kiesgrube genutzt, dann als Baggersee für Badegäste. Der KZ-Außenlagerkomplex wird in Holocaustgedenkstätten in Mittelosteuropa in eine Reihe mit Vernichtungsstätten wie Maly Trostinez und Treblinka gestellt. Erhalten blieb lediglich ein Teil des Lagers Kaufering VII - und das hat vor allem mit Manfred Deiler zu tun. Das Außenlager und seine baulichen Überreste haben als letzter noch vorhandener Ort der Shoah auf deutschem Boden sowohl national wie international große Bedeutung.

Edith Raim ist auch Vizepräsidentin des Vereins, zusammen mit dem zweiten Vize Wolfgang Bechtel würdigt sie Deilers Verdienste: "Er war der Hauptakteur der Erinnerungsarbeit in Landsberg und Umgebung. Ihm verdanken wir die Rettung und Konservierung der letzten originalen Häftlingsunterkünfte auf dem Gelände des ehemaligen Dachauer KZ-Außenlagers Kaufering VII. Über mehrere Jahrzehnte war er der Motor für die Erforschung und Wissensvermittlung über den KZ-Außenlagerkomplex Kaufering und die Landsberger Zeitgeschichte."

Stararchitekt Libeskind zeigt Interesse

Das Gelände von Kaufering VII ist heute Eigentum der Holocaust Stiftung. Deiler schuf ein internationales Netzwerk aus Überlebenden, Nachkommen und Forschenden. Zuletzt standen er und Triebel in Kontakt mit dem amerikanischen Stararchitekten Daniel Libeskind, der das Jüdische Museum Berlin gestaltet hat. Libeskind zeigte sich interessiert, auf dem Gelände von Kaufering VII ein NS-Dokumentationszentrum zu gestalten - das Angebot stieß aber im Kultusministerium und in der Stiftung Bayerische Gedenkstätten auf wenig Freude.

Überhaupt eckte Deiler bei Behörden und Politik im Freistaat nicht selten an. Bezirkstagspräsident Josef Mederer charakterisierte ihn jedoch wohlwollend so: "Er gibt nicht auf, wenn eines seiner Vorhaben auf Widerstände stößt. Im Gegenteil, für sein Anliegen wird er zum Kämpfer." Und das war Deiler seit mehr als 30 Jahren, lange schon vor der Gründung der Holocaust Stiftung kämpfte er gegen die um sich greifende Geschichtsvergessenheit, nicht zuletzt auch in Landsberg. "Die letzten Jahre", schreibt Triebel, "durfte ich mit ihm zusammenarbeiten. Wir kämpften um jeden Zentimeter Fortschritt, dass der Freistaat endlich seiner Verantwortung gerecht wird und dieses wichtige Gelände zu einem würdigen Gedenk- und Informationsort weiterentwickelt".

In der Nacht auf den 12. November erlag Manfred Deiler im Landsberger Klinikum einem Krebsleiden.

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