Literaturfestival:Im Pfauengang

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Ewald Arenz (rechts) eröffnet mit seiner Lesung von "Die Liebe an miesen Tagen" das Festival "Dachau liest". Bernhard Blöchl moderiert das Gespräch. (Foto: Stadtbücherei Dachau)

Seit zehn Jahren holt "Dachau liest" große Schreibende in die Stadt. Den Jubiläumsauftakt macht Bestsellerfabrikant Ewald Arenz - und nutzt die Bühne für einen Abend der Eitelkeiten.

Von Jessica Schober, Dachau

Unterm Shakespeare-Selbstvergleich macht er es nicht. Denn Ewald Arenz ist nicht nach Dachau gekommen, um Bescheidenheit zu pflegen. Sein aktueller Roman "Die Liebe an miesen Tagen" hat sich schließlich hartnäckig wie eine Dornwarze in den Bestseller-Listen eingenistet, ebenso seine Titel "Der große Sommer" (2021) und "Alte Sorten" (2019).

Dass Arenz nun das alljährliche Literaturfestival "Dachau liest" eröffnen darf, ist in seiner Selbstwahrnehmung wohl nur folgerichtig. Dass er aber nach München schon länger nicht mehr zum Lesen eingeladen wurde, scheint in maßgeblich zu kränken. Und wie das immer so ist, egal ob bei Shakespeare oder bei Arenz, sind leicht zu kränkende Männer auf großer Bühne oft ziemlich schnell eines: öde.

Die Leiterin der Stadtbücherei Slávka Rude-Porubská, die nun zum dritten Mal das Lesefestival kuratiert, hat eine eigene Art, den Verkaufsschlager vorzustellen: "Seine Bücher sind beliebt, auch in Bibliotheken", sagt sie. Und mit allem, was sie ungesagt lässt, sagt sie eben doch so einiges. Arenz gelinge es, die Muster von Beziehungsgeschichten zu wenden und "gegen den Strich zu bürsten". Was an diesem Abend tatsächlich gestriegelt wird, ist wohl vor allem das Ego des Autors.

200 Menschen kommen, um Ewald Arenz zuzuhören

Der Moderator und SZ-Kulturjournalist Bernhard Blöchl staunt anfangs noch, dass "trotz Wiesnfinale und Champions League" so viele Zuhörende gekommen seien. Auch Kulturamtsleiter Tobias Schneider freut sich, dass fast 200 Menschen den Saal füllen. Blöchl betont, dass Ewald Arenz schon mehr veröffentlicht habe als die Rolling Stones - was der Stargast des Abends mit einem Satz kommentiert, der ihm zur Grundhaltung geworden zu sein scheint: "Ich weiß."

Ewald Arenz springt vom Stuhl auf zum Lesen, nachdem er erklärt hat, dass er ja bereits in Nizza, Bratislava und mehreren "hässlichen niedersächsischen Städten" aus seinen Büchern gelesen habe. Sofortige Fremdscham überfällt einen, als Arenz, ganz der Nürnberger Gymnasiallehrer in Teilzeit, erst ins Publikum fragt, wer denn sein Buch gelesen habe und sodann die Menschen, die sich melden, beklatscht.

"Ich war mir damals absolut sicher, dass ich ein Genie bin"

Auf der Bühne sitzen dann also mit Autor und Moderator zwei mittelalte Männer und stimmen sich gegenseitig darin zu, dass es eine wahnsinnig "erfrischende Konstellation" sei, dass sich in Arenz' Werk doch tatsächlich mal eine Frau Ende 40 in einen jüngeren Mann verliebe. Donnerwetter. Arenz will für diesen irren Plot-Twist sogar eine Bekannte aus seinem Umfeld befragt und herausgefunden haben: Frauen ab einem gewissen Alter, mit grauen Haaren, die würden einfach unsichtbar.

Arenz fragt in den Saal: "Und was wenn es einen in der Mitte des Lebens erwischt? Und dann kommt plötzlich dieses große Romeo-und-Julia-Gefühl!" Womit man wieder bei Shakespeare wäre.

Im Übrigen gibt sich der fränkische Oberlehrer gern markig: Leseveranstaltungen? "Die sind ja oft so etwas wie Tupperparties." Kitsch? "Funktioniert ja manchmal auch bei gebildetem Publikum." Sprache? Sei ein Gefährt "wie ein Rolls-Royce", zitiert der Autor sich selbst. Er erzählt, wie er nachts die Amazon-Bewertungen seiner Bücher studiert. Er erzählt von den Gedichten, die er mit 14 geschrieben hat. "Ich war mir damals absolut sicher, dass ich ein Genie bin."

Seine Bilder und Beschreibungen bleiben blass

Nichts an diesem Arenz auf der Bühne zaudert, da ist kein Wanken in seinem Wesen - nur blendend grelle Selbstbegeisterung. "Wenn plötzlich das eigene Buch verfilmt wird, denkt man: Boargh, wie geil ist das denn", ruft Arenz in den Raum. Doch dann würden ihn bald die Zweifel plagen, ob eine Verfilmung seiner Werke überhaupt gelingen könne. "Nur Literatur kann ja in jedem Kopf einen anderen Film entstehen lassen."

Die Figuren seines Romans stellt er dem Publikum vor wie entfernte Cousins. Sein literarisches Personal - die frisch gekündigte Zeitungsfotografin Clara, der emotional unverfügbare Schauspieler Elias - scheint ihm nicht einmal beim Schreiben wirklich nahe gekommen zu sein. Seine Bilder und Beschreibungen bleiben blass. Dass es eines Morgens in einem Theater "ganz leicht nach Schminke riecht" ist weder spezifisch noch originell.

Dabei ist Arenz sich sicher: "Die Eitelkeit nimmt ab mit den Jahren. Man wird bescheidener", sagt er vollkommen ironiefrei. Koketterie will ihm nicht gelingen. Seine Pointen werden zu Kalauern, wenn er meint: "Sag niemals einer Frau, dass sie noch gut aussieht" - dass das größtenteils weibliche Publikum im gesetzten Alter darüber lacht, kommt eher einer Übersprungshandlung gleich. Arenz meint vielleicht, er flirte mit dem Publikum. Aber er hat da was verwechselt. Er flirtet mit sich selbst. Hätte man lieber einfach nur das Buch gelesen.

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