Dachauer Schriftstellerin:Merlins Magie und Manns Zauber

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Die Dachauer Autorin Tabatha Portejoie stellt ihr neues Buch "Der Dieb und der Prinz" vor. (Foto: Toni Heigl)

In ihrer neuen Erzählung will die Dachauer Autorin Tabatha Portejoie mit den Grenzen des Fantasy-Genres brechen - und mit seinem Sexismus.

Von Lisa Nguyen, Dachau

Es gibt viele Autoren, die man mit Fantasyromanen in Verbindung bringt. J.K. Rowling, George R. R. Martin, Cornelia Funke. Als Tabatha Portejoie sich an das Genre herantraute, dachte sie jedoch vor allem an einen Schriftsteller, der weder Fabelwesen noch eine neue Sprache erfand: Thomas Mann. "Der Zauberberg ist meine Bibel", sagt Portejoie heute. Das Werk kennt sie aufs Genaueste, ein Zitat von Manns Charakter Settembrini, "placet experiri" (Es gefällt, den Versuch anzustellen), hat sie sich auf ihren linken Oberarm tätowieren lassen.

Ihre Liebe zu Mann, aber auch zu der Philosophie wollte die Dachauer Autorin in einem Buch verarbeiten. Nach ihrem Essayband hat die 30-Jährige "Der Dieb und der Prinz" im Dezember veröffentlicht, als Teil der Buchreihe "Die Alchemie der Magie". Es ist eine Neuinterpretation der Artussage. Ihre Heldenfigur, der Dieb Merlin, gerät auf ein Luftschiff des Prinzen Arthur Pendragon von Camelot. Merlin möchte Druide werden und muss dafür seine Vergangenheit ablegen. Dafür muss er sich mit dem arroganten Prinzen verstehen, was gar nicht so einfach ist.

Parallelen zu Thomas Mann

Inspiriert wurde Portejoie von einer britischen Serie über König Arthur, doch in ihrem Buch sind die Parallelen zum Mann'schen Werk unverkennbar. Wie Hans Castorp begibt sich die Hauptfigur Merlin in die Höhe. Doch anstatt eines Berges reist Portejoies Figur mit einem Steampunk-Luftschiff, das auch eindrucksvoll auf dem Buchcover zu sehen ist. Merlin begegnen auf seiner Odyssee zwei Mentoren, angelegt an Manns Settembrini und Naphta. Beide verkörpern zwei komplett unterschiedliche Geisteshaltungen, das Rationale und die Mystik, und zwingen Merlin dazu, über seine eigenen gewohnten Strukturen nachzudenken.

Doch da hören die Ähnlichkeiten mit dem hundert Jahre alten Werk schon auf. Portejoie möchte mit ihrer Neuerzählung mit den Grenzen der Genres brechen. Das Buch ist zwar ein Fantasyroman, zugleich bedient es sich an Elementen aus der Science-Fiction und den typischen Mantel- und Degen-Abenteuern. Auch die philosophischen Abhandlungen, die Portejoie früher in ihrem Blog behandelte, fehlen nicht. Für manche Leser mag das überladen wirken, doch die vielen Gegensätze findet Portejoie reizvoll: "Ich bediene mich an dem, was ich spannend finde."

"Die Bookfluencer haben ein großes Herz für Selbstverleger"

Mit ihrer Neuerzählung möchte sie vor allem dem entgegenwirken, was sie an einigen Fantasywerken stört: dem Sexismus. Egal, ob Tolkiens "Herr der Ringe" oder Martins "Das Lied von Eis und Feuer": Es sind überwiegend Männer, die eine Rolle spielen. Für Portejoie wird diese begrenzte Darstellung dem Genre nicht gerecht, das ohnehin als seichte Belletristik verpönt ist. Stattdessen ist ihr Buch feministisch geprägt, queere Charaktere gibt es natürlich auch.

Portejoie hat ihr über 400-seitiges Buch auf "Books on Demand", einer Plattform für Selbstverleger, veröffentlicht. Dort sind die Bücher nur in digitaler Form veröffentlicht, gedruckt werden sie erst nach dem Kauf. Seit der Erscheinung hat sich das Buch bislang 77 Mal verkauft. Eine Zahl, die sie komplett überrascht habe, sagt die Philosophie-Studentin. Ihr Bekanntenkreis habe zwar Exemplare gekauft, dieser macht aber nur ein Bruchteil aus. Der Rest sei wohl über Instagram auf das Buch aufmerksam geworden, so ihre Vermutung.

Ohnehin spielt das soziale Netzwerk eine wichtige Rolle für die heutige Literaturszene. Sogenannte "Bookfluencer" besprechen die neuesten Erscheinungen auf dem Buchmarkt - und können mit ihren Rezensionen sogar die unbekanntesten Schriftsteller in die Bestsellerlisten hieven. Für Selbstverleger wie Portejoie sind die neuen Buchkritikerinnen (es sind hauptsächlich Frauen) wichtig, für die Reichweite. Und die Zusammenarbeit läuft gut: "Bookfluencer haben ein großes Herz für Selbstverleger", sagt die Autorin. Nach der Veröffentlichung hat Portejoie mehrere Kanäle angeschrieben und eine Rezension angefragt. Aber auch Influencerinnen sind auf sie zugekommen. Die ersten Rezensionen sollen schon bald folgen.

Illustration, Marketing, Lektorat: Das muss Portejoie selbst in die Hand nehmen

Helfen tut auch ihr Instagram-Account, wo sie in den vergangenen Wochen für ihr Buch geworben hat. Mit ihren über 1500 Followern teilt sie sonst ihre Reisen oder Lieblingszitate von Roland Barthes, Umberto Eco und, natürlich, Thomas Mann. Portejoie selbst will aber keine Bookfluencerin sein. Dafür lese sie zu wenig im Vergleich zu anderen aus der Szene - und ohnehin will sie viel lieber schreiben.

Sich allein aufs Schreiben zu konzentrieren, das ist als Selbstverlegerin allerdings schwierig. Mehr als ein Jahr hat sie am Manuskript geschrieben, während sie in Teilzeit bei einer Marketingagentur arbeitete. Weil sie sich kein professionelles Lektorat leisten konnte, haben sie und ihre Mutter ein Jahr lang das Manuskript selbst überarbeitet. Einige Grammatik- und Rechtschreibfehler sind daher unentdeckt geblieben. Das ist auch ein Grund, warum Portejoie nach der Veröffentlichung nicht zur Ruhe kommt: "Ich fühle noch keinen Stolz", sagt sie.

Portejoies To-do-Liste ist lang: Im nächsten Schritt will sie die restlichen Fehler verbessern und eine neue Version veröffentlichen. Im März ist sie dann auf der Leipziger Buchmesse, wo Books on Demand ihr Buch ausstellen wird. Und an einem zweiten Teil der Buchreihe samt Hörspiel wird auch schon getüftelt.

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