Lehrermangel im Landkreis:Überstunden im Klassenzimmer

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Kein Lehrer in Sicht: Die Plastik des Mädchens mit Schultüte steht vor der Grundschule Bergkirchen und stammt vom Bildhauer Bernd Schmidt-Pfeil. (Foto: Toni Heigl)

Um den Unterricht aufrechtzuerhalten, sollen die Lehrer an Grund-, Mittel- und Förderschulen mehr Wochenstunden übernehmen. Im Landkreis betreffen die Pläne mehr als 1000 Pädagogen. Die Gewerkschaft spricht von "Zynismus"

Von Jacqueline Lang, Dachau

Dass es allerorts an Lehrern mangelt, ist nicht neu. Nun hat Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) Strategien vorgestellt, die an den bayerischen Grund, Mittel- und Förderschulen auch im kommenden Schuljahr 2020/2021 die Unterrichtsversorgung sicherstellen sollen. Dazu gehört auch, dass die Lehrer sich auf mehr Arbeit einstellen müssen. Im Landkreis Dachau sind davon an den 33 Grund- und Mittelschulen etwa 950 Lehrer betroffen, hinzu kommen die drei Förderschulen mit nochmals mehr als 100 Lehrkräften.

"Unsere Prognosen zeigen, dass in den nächsten Jahren große Herausforderungen vor uns liegen", schreibt Piazolo in einer Pressemitteilung. "Deshalb sind wir auf die Mitwirkung unserer Lehrerinnen und Lehrer angewiesen." Konkret müssen sich diese von nun an auf eine Anhebung des Mindeststundenmaßes auf 24 Wochenstunden einstellen, bei Lehrkräften für Sonderpädagogik werden es 23 Wochenstunden. Lediglich bei Teilzeit in Elternzeit und familienpolitischer Teilzeit ändert sich nichts. Zudem werden Anträge auf einen Beginn des Antragsruhestands vor Vollendung des 65. Lebensjahres künftig in der Regel nicht mehr genehmigt.

Für Grundschullehrer wird die Unterrichtspflichtzeit vorübergehend um eine Stunde pro Woche erhöht, Freistellungsmodelle wie das sogenannte Sabbatjahr unabhängig von der Dauer - nicht mehr genehmigt. Über die Dauer der Maßnahmen macht Piazolo keine Angaben. "Wir werden sie zurücknehmen, sobald es die Bedarfssituation zulässt", so der Kultusminister. Bis dies der Fall sei, werde man aber natürlich versuchen, die Zusatzbelastung für alle Lehrkräfte so "verträglich wie möglich" zu gestalten.

Lautstarke Kritik kommt vom bayerischen Landesverband Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. "Der Personalmangel an Grund-, Mittel-, und Förderschulen ist hausgemacht und Folge einer verfehlten Planung", heißt es in seiner Pressemitteilung. Der Appell an Lehrer, auf freiwilliger Basis einen Beitrag zu leisten, sei "reiner Zynismus", so gehe man mit Beschäftigten nicht um.

"Das Problem begleitet uns seit Jahren", bestätigt Albert Sikora. Als Dachauer Schulamtsleiter ist er für die Grund- und Mittelschulen im gesamten Landkreis zuständig ist. Vor jedem Schuljahr gebe es auch bei ihm jedes Mal aufs Neue die Sorge, nicht ausreichend Lehrer zu finden. Aber er sagt auch: "Bislang können wir nicht klagen." Das sei auch einer bislang stets guten Planung der Regierung zu verdanken. Unvorhersehbare längere Ausfälle, etwa durch Schwangerschaften oder Langzeiterkrankungen, seien natürlich trotzdem nicht planbar, aber bei knapp Tausend Lehrern eben unvermeidbar. Schon jetzt greift Schulamtsleiter Sikora auf Lehramtsstudenten zurück, die zwar ihr Studium schon abgeschlossen, das Referendariat aber noch nicht durchlaufen haben. Im Januar und Februar etwa fangen drei Lehrkräfte im Landkreis Dachau an, die jeweils mit 15 Stunden die jeweiligen Kollegien bis zum Schuljahresende unterstützen. Auch Aufrufe, die Elternzeit in Teilzeit zu nehmen, startet Sikora immer wieder, um den Bedarf an Lehrern zu decken.

Sikora befürworte die Strategie des Kultusministers, der sich für Bayern anders als andere Bundesländer weiter auf ausgebildetes Fachpersonal konzentriert und nicht auf Quereinsteiger. Was aber im Freistaat und damit auch im Landkreis Dachau längst gängige Praxis sei, sei die sogenannte Zweitqualifizierung für ausgebildete Realschul- und Gymnasiallehrkräfte, die bayernweit seit 2016 bereits 1400 Lehrer durchlaufen haben. Im Landkreis sind davon etwa 30 ausgebildet worden. Hinzu kämen sicherlich noch einige Lehrkräfte, die erst nach der Qualifizierung herversetzt worden seien, so Sikora, der diese Zweitqualifizierung kritisch sieht - auch wenn sie durchaus einen Sinn habe und er froh über die zusätzlichen Lehrer sei, wie er betont. Man merke einfach die Unterschiede in den einzelnen Schularten. "Das ist eine große Umstellung für die Lehrkräfte", weiß er aus Erfahrung. Auch deshalb ist er skeptisch, ob die Einstellung von Lehrern, die beispielsweise vormals Handwerker waren, wirklich eine gute Idee ist.

Die bayerische Staatsregierung hat aber noch eine Idee, wie sie dem Lehrermangel vor allem an Grundschulen entgegenwirken kann: 300 neue Studienplätze sollen geschaffen werden. "Damit kann dann der Numerus Clausus wegfallen. Wir wollen keine Unterrichtsausfälle oder zu große Klassen", twitterte Ministerpräsident Markus Söder. Sikora hält das zwar grundsätzlich für keine schlechte Idee. Aber was bringen ihm in der jetzigen Situation Lehrer, die frühestens in fünf, sechs Jahren einsatzbereit sind? Zudem sei es ein Problem, dass die Maßnahmen des Kultusministeriums wohl nicht dazu beitragen würden, den Beruf des Grundschul- oder Realschullehrers attraktiver zu machen. Diese verdienen außerdem immer noch deutlich weniger als Lehrer an weiterführenden Schulen. Piazolo sprach sich zwar für ein höheres Einstiegsgehalt aus, die CSU sieht dafür aber keinen Bedarf. Unabhängig vom Gehalt sei aber eines kaum mehr zu leugnen, sagt Sikora: "Viele Lehrer sind schon jetzt an der Belastungsgrenze."

© SZ vom 17.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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