Dachau:Der Kampf dauert an

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Ernst Grube von der Lagergemeinschaft Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung bekommt 2022 keine Steuergelder. Die Lagergemeinschaft Dachau und der Runde Tisch gegen Rassismus fordern aber ganz grundsätzlich ein Gesetz zur Finanzierung politischer Stiftungen.

Von Helmut Zeller, Dachau

Die Lagergemeinschaft Dachau hat erfreuliche Post aus Berlin erhalten: Die rechtslastige Desiderius-Erasmus-Stiftung erhält kein Geld aus Steuermitteln. Das ist zwar seit Ende März bekannt, aber nun hat auch das Bundesfinanzministerium die Entscheidung der Lagergemeinschaft im Internationalen Dachau-Komitee (CID) mitgeteilt.

Der Zusammenschluss ehemaliger KZ-Häftlinge und ihrer Nachkommen hatte eindringlich gefordert, der AfD-nahen Stiftung auf keinen Fall finanzielle Unterstützung zu gewähren. Finanz-Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) schrieb: "Als Demokratin und Teil der Bundesregierung ist es unsere Pflicht, die Demokratie in Deutschland zu schützen. Aus diesem Grund kann keine Stiftung finanziert werden, die verschwörungstheoretische und demokratiefeindliche Einstellungen befeuert."

Im Haushalt 2022 seien deshalb keine Fördermittel für diese Stiftung vorgesehen, heißt es in dem Schreiben der FDP-Politikerin Hessel. Inzwischen hat das Kölner Verwaltungsgericht geurteilt, dass der Verfassungsschutz die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen und beobachten darf - vom Abhören von Telefonen bis zum Einsatz von V-Leuten.

"Die Stiftung hat sich selbst disqualifiziert"

Mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag nach der Wahl im September 2021 wäre der Stiftung unter der Leitung der ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach der bisherigen Praxis zufolge jährlich ein Millionenbetrag zugestanden. Der 2017 gegründeten politischen Stiftung stünden nach einer einmaligen Anschubfinanzierung mittelfristig etwa zehn Prozent von den 660 Millionen Euro zu, die im Bundeshaushalt für die Verteilung an politische Stiftungen vorgesehen sind.

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In den Genuss des Steuergelds kommen bisher die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken. Das Geld wurde bisher ohne gesetzliche Grundlage nach dem Gewohnheitsrecht verteilt, um die Stiftungen, die für Demokratie und politische Bildung wirken, zu finanzieren.

"Die Desiderius-Erasmus-Stiftung disqualifiziert sich mit ihrem Programm selbst", schreibt Staatssekretärin Hessel. "Persönlich stehe ich voll und ganz hinter dieser Entscheidung. Die Bundesregierung wird sich weiterhin gegen demokratiefeindliche, rassistische und antisemitische Strukturen positionieren."

Eine mögliche finanzielle Unterstützung des rechten Thinktanks von Steinbach war bundesweit auf Protest gestoßen. Vor allem die Bildungsstätte Anne Frank appellierte an die Bundestagsparteien, dagegen vorzugehen. Die Pädagogische Leiterin des Bildungszentrums, Saba-Nur Cheema, urteilte: "Die Erasmus-Stiftung verschafft menschenfeindlichen Positionen einen intellektuellen Anstrich." Die Spitze der Stiftung setze sich zusammen aus "Rassentheoretikern und Verschwörungsideologen, völkischen Pseudowissenschaftlern und knallharten Rechtsextremen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und des Antaios-Verlags von Götz Kubitschek." Viele Organisationen schlossen sich dem Appell an, darunter auch die "Omas gegen Rechts", die schon im Jahr 2020 ihre Stimme gegen die AfD-nahe Stiftung erhoben hatten.

Abgeordnete ziehen an einem Strang

Die Lagergemeinschaft Dachau unter ihrem Vorsitzenden Ernst Grube, einem Shoah-Überlebenden, hatte ebenfalls eindringlich gewarnt, der Runde Tisch gegen Rassismus in der Stadt Dachau zog mit. Auch die Bundestagsabgeordneten von CSU, SPD und Grünen im Dachauer Wahlkreis sagten der Lagergemeinschaft ihre Unterstützung zu - wohl wissend, dass die grundsätzliche Forderung der Lagergemeinschaft und des Runden Tisches gegen Rassismus, die Finanzierung parteinaher Stiftungen, gesetzlich geklärt werden müsse, damit demokratiezersetzende Denkfabriken grundsätzlich keinen Anspruch mehr auf Steuergelder erheben können.

Noch ist auch ungeklärt, ob die Erasmus-Stiftung gegen die Entscheidung des Haushaltsausschusses gerichtlich vorgehen wird. Wie es nun weitergeht, darüber hat Ernst Grube jedoch aus dem Schreiben der Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium nichts erfahren - für ihn ist der Kampf noch nicht zu Ende.

*In einer früheren Version des Textes hieß es fälschlicherweise, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung bereits zur Anschubfinanzierung zehn Prozent der 660 Millionen Euro an Steuermitteln für parteinahe Stiftungen gefordert habe.

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