Rechtsextreme Übergriffe auf KZ-Gedenkstätten in Deutschland zählen seit Jahren schon zum Alltag des Personals - nun aber ist ein Mitarbeiter der Gedenkstätte Dachau auch noch zu Hause heimgesucht worden. In der Nacht auf Donnerstag wurde in die Wohnungstür von Albert Knoll in München-Sendling ein Hakenkreuz eingeritzt. Der Täter, vielleicht waren es auch mehrere, beschädigte auch das Türschloss mit Sekundenkleber.
Albert Knoll, Leiter der Stabsstelle an der Gedenkstätte, informierte umgehend seine Kolleginnen und Kollegen, die entsetzt auf den Vorfall reagierten. Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann sagte der SZ Dachau: "Wir sind alle sehr betroffen." Bisher habe es das in Dachau nicht gegeben, dass ein Mitarbeiter auch noch in seinem privaten, geschützten Raum von Rechtsextremen angegriffen worden sei.
Die Polizei vermutet einen gezielten Anschlag
Der oder die Täter haben sich in der Nacht, laut Polizei zwischen 22 und 24 Uhr, Zugang zu dem Mietshaus verschafft, dem Sigi-Sommer-Haus, das Elternhaus des legendären München-Kolumnisten, und offenbar gezielt nach der Wohnungstür von Knoll und seinem Mann Jens Erdmann gesucht.
Über den Whatsapp-Chat der 35 Mieter des Hauses erfuhren die beiden von der Schmiererei um fünf Uhr am Donnerstagmorgen, ein Nachbar hatte das Hakenkreuz entdeckt. Eine halbe Stunde später informierten sie die Polizei, wie Knoll der SZ sagte. Die Beamten sicherten Spuren und nahmen eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und einer rechtsradikalen Straftat auf. Das Kriminalfachdezernat 4 ermittelt in dem Fall. Wie dort zu erfahren war, vermuten die Ermittler einen gezielten Anschlag. Der Verdacht, meint Gedenkstättenleiterin Hammermann, liege auch nahe.
Vorfall steht für eine besorgniserregende Entwicklung
Knoll arbeitet seit Jahrzehnten für die Gedenkstätte Dachau und hat sich unter anderem einen Namen in der Erforschung des Schicksals queerer Häftlinge im Konzentrationslager Dachau gemacht. Erdmann ist Grünen-Abgeordneter im Bezirksausschuss 6 Sendling und Beauftragter für Rechtsextremismus. Vor einigen Wochen hatte Knoll der SZ Dachau ein Interview gegeben, in dem er über die zunehmende Feindseligkeit gegenüber Personen aus der LGBTQI-Community gesprochen hatte.
Wie Knoll sagte, habe ihn und seinen Mann der Vorfall emotional sehr aufgewühlt, da es sich um einen Eingriff in den privatesten Raum handele. Auch wenn die Tat keinen unmittelbaren rechtsextremen Hintergrund habe, so Knoll, stehe sie auf jeden Fall für eine besorgniserregende Entwicklung in der Gesellschaft: Dass NS-Symbolik wie das Hakenkreuz gesellschaftsfähig geworden sei, um Ärger auszudrücken.
Ärger haben die Mieter des Sigi-Sommer-Hauses schon seit Monaten. Der Hauseigentümer, die KV Wohnbau GmbH, will die Wohnungen luxussanieren, wie Knoll als Sprecher der Mietergemeinschaft erklärt. Deshalb sollen die Mieter des renovierungsbedürftigen Hauses ausziehen. Ein Firmensprecher sagte auf SZ-Anfrage, dass man von dem Vorfall entsetzt sei und den Schaden am Schloss der Wohnungstür so schnell wie möglich beheben wolle.